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Digitale Integration von Flüchtlingen

Rayna Breuer7. Dezember 2015

Statt in den Elektromüll sollen Laptops einen zweiten Frühling in den Händen von Flüchtlingen erhalten. Eine Kölner Tech-Community sammelt sie und bringt den neuen Mitbürgern auch gleich das Coden bei.

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Deutschland Refugees of Rails Köln Workshop
Bild: DW/R. Breuer

Samstag, kurz vor zehn Uhr am Vormittag. Die Kölner Südstadt wird gerade erst wach. In einem heimeligen Gemeinschaftsbüro riecht es aber bereits nach frischem Kaffee und es herrscht emsige Betriebsamkeit. Hier werden aber keine Überstunden geschoben, sondern Integration gelebt. Heute ist Workshop.

Die ersten Teilnehmer sind schon da. Noch sind sie schüchtern, zurückhaltend. Doch das ändert sich schnell. Einer der Organisatoren bringt Klebeband und Stifte. Namen drauf, aufs Shirt geklebt und schon ist man raus aus der Anonymität. Egal woher man kommt, egal ob auf Deutsch oder Englisch, man verständigt sich in der Sprache des Computers. Das Programmieren macht alle gleich.

Eine Kölner Tech-Community hat sich entschieden, "etwas zu machen", wie die Organisatorin Denise Schynol sagt. "Etwas Sinnvolles", fügt sie hinzu. Zehn Programmierer begleiten an zwei Tagen rund 20 Flüchtlinge bei der Erstellung einer Web-Applikation.

"Wir haben ein kurzes Tutorial vorbereitet, wie man eine Web-Anwendung bauen kann, um Ideen zu verwalten. Ziel ist es, die grundlegenden Prinzipien der Web-Entwicklung zu erklären", sagt Jakob Hilden, einer der freiwilligen Mentoren.

Die Computer sind schnell aufgebaut. Auf eine Wand schreibt Denise Schynol, wo im Netz die Unterlagen zu finden sind. Es kann losgehen. Von der anfänglichen Zurückhaltung ist nichts mehr zu spüren. Jetzt geht es nur noch darum, etwas zu kreieren, gemeinsam. Der Raum ist erfüllt vom Tippen der Tastaturen und Gesprächen, die sich für Nicht-Eingeweihte wie Kauderwelsch anhören.

Deutschland Refugees of Rails Köln Workshop
Web-Entwicklung für Flüchtlinge: Workshop in KölnBild: DW/R. Breuer

Selbstinitiative ist gefragt

"Die größte Herausforderung war es, Teilnehmer zu finden. Ich habe ein paar Anlaufstellen im Internet gefunden und bin auf die Caritas gestoßen. Sie haben unser Anliegen weitergeleitet. Und es hat tatsächlich geklappt", sagt Denise Schynol erleichtert. Was nicht ganz nach Plan klappte, sei das Sammeln alter Laptops gewesen. Am Ende seien die meisten Laptops nur Leihgaben für den Workshop. Lediglich sechs wurden gespendet. Einer davon von Sven.

"Ich hatte den geerbt, aber brauchte ihn nicht. Ich habe ihn fit gemacht und als ich von der Aktion hier gehört habe, war klar, dass ich ihn spenden werde", sagt Sven, Software-Entwickler aus Köln. Er hat aber nicht nur gespendet, sondern sich gleich als Mentor angemeldet. "Ich habe in meinem Kalender nachgeschaut. Der Samstag war frei, deswegen bin ich jetzt hier."

Mohammad hat im Iran als Administrator gearbeitet. Er kennt sich also aus mit Bits und Bytes und erklärt ganz souverän, was er am Vormittag gemacht hat: "Das ist hier der Header und hier siehst du den Body. Das ist HTML", sagt Mohammed. Er ist seit drei Jahren in Deutschland und lebt bei einem Freund in Duisburg. Studieren darf er noch nicht. Zunächst muss er noch seine Deutschkurse absolvieren. Erst dann kann es für ihn weitergehen.

Deutschland Refugees of Rails Köln Workshop
Mohammad aus dem Iran (l.) und Web-Entwickler JakobBild: DW/R. Breuer

Lernen und mehr

Einen Tisch weiter sitzt Zawar, 17 Jahre alt (Artikelbild oben). Er ist vor drei Monaten alleine aus Pakistan geflüchtet. Seine Familie musste das kleine Dorf verlassen, weil sie sich als einzige schiitische Familie unsicher fühlte. Die Eltern und Geschwister sind jetzt in Lahore. Ihn haben sie auf den Weg nach Europa geschickt. Zawar zählt die Länder auf, die er auf seiner Flucht durchquert hat. Deutschland war immer das Ziel.

Heute lebt er in Köln und besucht täglich den Deutschunterricht. Er will auf Deutsch sprechen, auch wenn ihm Englisch leichter fällt, und zeigen, was er in den 3 Monaten gelernt hat. Und es ist beachtlich. Er will Informatik studieren, deswegen ist er hier. Und des Austauschs wegen.

Einige Teilnehmer haben konkrete Ideen für ihre Web-Applikation. Doch die meisten suchen die Abwechslung zu den Behördengängen, Berührungspunkte in Deutschland, Austausch mit Gleichgesinnten, einfach Integration.

Vorbild Berlin

"Ich denke, die aktuelle Flüchtlingssituation ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung, der wir uns stellen müssen. Da kann man abwehren wie man will, die Probleme werden dadurch nicht gelöst. Ich hoffe, dass ich durch meine Teilnahme an dem Workshop einen kleinen Beitrag leisten kann, dieser Verantwortung gerecht zu werden", sagt der Web-Entwickler Jakob Hilden.

In Köln findet dieser Workshop zum ersten Mal statt. Weitere Treffen sind bereits geplant. Das Vorbild, wie es weitergehen soll, ist Berlin. Das Projekt "Refugees on Rails", das vor wenigen Monaten gestartet wurde, bekommt in der Hauptstadt immer mehr Aufwind.

"Wir erarbeiten gerade ein Curriculum für einen 3-monatigen Kurs. Wir arbeiten eng mit Firmen zusammen und wollen den Teilnehmern nach diesem Kurs ein Praktikum ermöglichen", sagt Özlem Buran von Refugees on Rails Berlin. "Wir haben schon Zusagen einiger Firmen, dass sie an Praktikantinnen interessiert sind." Die Kölner stehen zwar noch am Anfang. Doch der Grundstein ist mit dem Workshop gelegt.