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Kunst

Interview mit Bildhauer Georg Korner

Philipp Jedicke
31. Januar 2017

Georg Korner hat sich als Chefbildhauer jahrelang mit der Rekonstruktion der Barockfassade des Berliner Stadtschlosses beschäftigt. Jetzt steht er vor der Vollendung eines weiteren Großprojektes. Sein Thema: "Transit".

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Detail aus der Installation "Transit" des Berliner Bildhauers Georg Korner. mexikanische Catrinas, weibliche Totenfiguren
Die "Catrinas", weibliche Totenfiguren aus Mexiko, sind Teil der InstallationBild: Courtesy Georg Korner

Das künstlerische Leben des Berliner Bildhauers Georg Korner (eigentlich Matthias Körner) kreiste viele Jahre lang um die Rekonstruktion der Barockfassade des Berliner Stadtschlosses. Dafür hat er sich täglich mit sämtlichen Facetten des italienischen und nordeuropäischen Barocks und der europäischen Bildhauerkunst bis zurück in die griechische Antike beschäftigt. Seit 2013 modelliert er hunderte Figuren und ordnet sie in großen und kleinen Gruppen an. Das dabei entstehende Monumentalkunstwerk heißt "Transit" und beschäftigt sich mit Übergangssituationen im Leben. Im DW-Interview erzählt Korner, was es damit auf sich hat. 

DW: Was reizt Sie am Thema "Transit"? 

Das Thema war in meinem ganzen Leben immer im Subtext da. Vor dreieinhalb Jahren wollte ich dann ein Tableau mit hetzenden Menschen und Gepäckstücken machen. Es war zunächst nur einen Quadratmeter groß und hat sich dann über dreieinhalb Jahre immer weiter entwickelt. Ich habe nach dem richtigen Format gesucht. Und das habe ich schließlich in der großen Installation gefunden.

Wie würden Sie die Anordnung der Figuren beschreiben?

Kunstausstellung Transit Tonfiguren v. Georg Korner
Bild: Courtesy Georg Korner

Es ist eine Ästhetik der Distanz und Nähe. Ich wollte eine minimalistische und gleichzeitig große, geometrische Form haben, die ja sehr anonym wirkt. Gleichzeitig wollte ich den Blick auf jeden Einzelnen öffnen, sodass man die Möglichkeit hat, die Installation nicht nur als Ganzes, also als abstrakt-minimalistisches Quadrat zu empfinden, sondern reingehen kann, fokussieren kann und jedes Individuum einzeln vor Augen hat. Es ist ein Kaleidoskop über die Zeiten hinweg. Die meisten Figuren sind anonyme Individuen, bestimmte Themen sind aber in Gruppen zusammengefasst.

Was für Themen sind das?

Das Transitorische zwischen Leben und Tod zum Beispiel. Die "Catrinas" (weibliche Totenfiguren, Anm. d. Red.) aus dem mexikanischen "Día de los muertos", dem Tag der Toten, die symbolisch an den Tisch der Lebenden geholt werden. Man isst und tanzt zusammen, dann verschwinden sie wieder. Oder die Delinquenten der Spanischen Inquisition, das Autodafé, das Glaubensgericht. Oder Soldaten aus dem Gaskrieg im Ersten Weltkrieg, der Teufel aus Dantes Göttlicher Komödie, aus der italienischen Frührenaissance. Alles Mögliche, Lady Gaga und Batman natürlich auch. Das sind die transitorischen Helden unserer Zeit. Sie häuten sich auch, sind auch unterwegs. Es bleibt immer ein Kaleidoskop, ein Aufflackern und Untergehen von Themen.

Die Kommentierung liegt bei jedem selbst, und jeder entdeckt etwas anderes für sich. Die Installation eröffnet Möglichkeiten, jeder hat seinen Blick darauf. Alle sehen das Gleiche, aber jeder sieht etwas anderes.

Sie haben ja bereits vor dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise mit der Arbeit begonnen. Ist sie trotzdem als Kommentar zur aktuellen Weltlage zu lesen bzw. wurde sie es mit der Zeit?

Ich habe es eher allgemeiner aufgefasst. Vom Exodus der Juden aus Ägypten bis zur Vertreibung der Armenier, von der Völkerwanderung bis zur Emigration deutscher Juden, Kommunisten und Intellektueller über Frankreich nach Übersee. Wir haben das Thema ja immer wieder auf dem Tisch, jahrtausendelang. Und es war natürlich etwas, das mich immer sehr bewegt hat. Dann kam der Zeitpunkt, es zu realisieren. Vor zwei Jahren, da war ich schon mittendrin, waren die Anschläge auf Charlie Hebdo, und jetzt sind auch Sprengstoffattentäter mit dabei. Die Arbeit wird natürlich auch aktuell politisch aufgeladen. Wenn ich an den narzisstischen Populisten Trump denke, der ausgerechnet am Holocaust-Gedenktag ein Einreiseverbot für Muslime verhängt, und ich gucke auf die Installation, dann bekommt das natürlich eine ganz andere Energie.

Die Arbeit hat also eine Transformation durchgemacht?

Genau, sie entwickelt sich mit. Und sie ist natürlich ein Baum der Möglichkeiten. Ich arbeite gerade an einem Derivat, einem kleinen Projekt, Leni Riefenstahl und Arno Breker. Das sind ja auch Leute in Übergängen gewesen, die einerseits ihre Kunst wollten und sich andererseits angedient haben, also Kunst auf Befehl gemacht haben.

Wo wird "Transit" ausgestellt werden?

Ich habe kürzlich schon mal gesagt: Hier in meinem Atelier steht es ziemlich gut. Irgendwann wird es hier rausgehen, aber wir wissen noch nicht, wohin.

Das Gespräch führte Philipp Jedicke.

Die Installation "Transit" von Georg Korner