1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Vom Zocken und Betrügen

19. Oktober 2005

Erster Prozesstag im Fall Robert Hoyzer: Der Angeklagte Ante Sapina erzählte viel aus dem Leben eines Zockers - neue Enthüllungen gab es keine.

https://p.dw.com/p/7Jzc
Schiedsrichter vor dem RichterBild: AP

Schon zwei Stunden vor Prozessbeginn hatten Interessierte Schlange gestanden, um einen der 60 Besucherplätze im Saal 500 des Landgerichts Berlin-Moabit zu erobern. Die Angeklagten nahmen nicht in den Panzerglas-Kabinen Platz. Der Fall Hoyzer gilt nicht als Sicherheitsprozess. Acht Kamerateams und über 20 Fotografen stürmten auf Hoyzer ein, als der um 09.31 Uhr als erster der Angeklagten kommentarlos das Gericht betrat. Da stand sie nun, die ehemalige Nachwuchshoffnung der deutschen Schiedsrichterzunft. Im dunklen Dreiteiler, die Haare gegelt, erschien Robert Hoyzer am Dienstag überpünktlich vor dem Landgericht Berlin.

"Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug"

Beim Verlesen der Anklage wirkte er konzentriert und notierte sich Details. Der Skandal-Schiedsrichter soll in insgesamt elf Fällen an Spielmanipulationen im deutschen Fußball beteiligt gewesen sein. Dies wirft die Staatsanwaltschaft dem 26-Jährigen in der Anklageschrift vor, die zu Beginn des spektakulärsten Fußball-Prozesses seit dem Bundesliga-Skandal vor über 30 Jahren am Dienstag (18.10.2005) verlesen wurde. Hoyzer muss sich wie sein ehemaliger Schiedsrichter-Kollege Dominik Marks und Ex-Profi Steffen Karl sowie die ebenfalls angeklagten kroatischen Brüder Filip, Milan und Ante Sapina wegen "gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs" vor dem Landgericht Berlin verantworten. Insgesamt geht es um das Verschieben von 23 Partien.

Ante Sapina, dem die Staatsanwaltschaft eine "herausgehobene Position" bei den Straftaten zuordnet, werden bei der Manipulation von Spielen und Sportwetten insgesamt 42 strafbare Handlungen vorgeworfen. "Alle Anklagepunkte sind im wesentlichen zutreffend", gestand er am ersten Prozesstag. Der Geschäftsführer des Cafe King, das als "Zentrale" des Wettbetrugs galt, machte vor allem seine ausgeprägte Spielsucht für die Manipulationen verantwortlich.

Einblicke in die Unterwelt

Achtzehn Prozesstage sind angesetzt. Am ersten erlaubte Ante Sepina verblüffende Einblicke in die Unterwelt der Zocker. Mit 16 begann der heute 29-jährige Kroate mit Sportwetten. Es wurde dann immer mehr, mit 19 Jahren habe er monatlich bis zu 2.000 Mark durch Wetten verdient. Die Summen, die Ante S. dann zum Besten gab, steigerten sich. Als Bayern München im Jahr 2000 Meister wurde, konnte S. seine vor Punktspielbeginn platzierte Langzeitwette erfolgreich einlösen und hatte bei 50.000 Mark Einsatz 100.000 Mark Gewinn gemacht. "Das war sozusagen der Durchbruch", erzählte Ante S. Nach diesem"Durchbruch setzte Ante S. offenbar auf alles, was weltweit als Wette angeboten wurde. Spiele der nordamerikanischen Basketball-Liga der Frauen waren dabei, Fußballspiele in Italien oder Dänemark, auch das Weiterkommen der Kandidaten bei "Deutschland sucht den Superstar" war eine Wette wert. "Für mich war immer nur die Quote wichtig. Egal, ob da Real Madrid spielt oder irgendein Tennis-Match läuft", betonte Ante Sapina, der seit 28. Januar in Untersuchungshaft sitzt. Das Gericht verblüffte er in seinen zweieinhalbstündigen Ausführungen mit Detail-Kenntnissen vom Baseball bis in untere Fußball-Ligen hinein.

Einzelheiten später

Später half er offenbar dem Glück nach, was ihm beispielsweise nach einem vermutlich manipulierten Fußballspiel bei einem Einsatz von 157.000 Euro einen Gewinn von 560.000 Euro brachte. Über Einzelheiten der Manipulation will er sich am Donnerstag äußern. Dann soll wahrscheinlich auch Hoyzer aussagen.

Vor allem der Deutsche Fußball-Bund (DFB), der beim Prozess-Start durch zwei Beobachter vertreten war, hofft acht Monate vor der Weltmeisterschaft im eigenen Land darauf, dass durch die Geständnisse der Angeklagten und bei der Vernehmung der 170 Zeugen keine neuen Skandale aufgedeckt werden. "Ich rechne nicht mit neuen Enthüllungen", sagte Sapina-Anwalt Klaus Gedat. (sams)