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Vom Vorzeigestaat zum Pulverfass

3. Januar 2011

Die Elfenbeinküste war einmal ein afrikanischer Vorzeigestaat. Die Wirtschaft boomte, die Ivorer waren Weltmeister im Kakao- und Kaffee-Export. Ein Militärputsch brachte 2002 die Teilung, nun droht gar ein Bürgerkrieg.

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Ein UN-Blauhelmsoldat sorgt für Sicherheit in Abidjan. (Foto: ap)
Ein UN-Blauhelmsoldat sorgt für Sicherheit in AbidjanBild: AP

Nach dem Tod des langjährigen Staatschefs Felix Houphouët-Boigny Mitte der 1990er Jahre machte sich in dem westafrikanischen Staat zunächst Chaos und Anarchie breit. Angezogen von der prosperierenden Wirtschaft in der Elfenbeinküste kamen Menschen aus benachbarten Ländern, um ihrer Armut zu entrinnen. Die Elfenbeinküste wurde zum Schmelztiegel der Nationen.

Kakaobohnen. (Foto: dw)
Hauptexportgut: Die KakaobohneBild: DW

Die Gegensätze in dem Vielvölkerstaat am Atlantischen Ozean traten dann erstmals offen zu Tage, als die Preise auf dem Weltmarkt für die eigenen Hauptexportgüter Kaffee und Kakao drastisch in den Keller fielen. Die Wirtschaftskraft war gefährdet, Sündenböcke wurden gesucht, die Spannungen zwischen den ethnischen Gruppen im Land verschärften sich. 2002 kam es dann zu einem Militärputsch und zur Teilung des Landes. Den Norden kontrollieren Rebellen, die "Forces Nouvelles", im Süden hat die Regierungsarmee das Sagen. Doch trotz Waffenstillstands, Blauhelmeinsatzes und internationaler Vermittlung – bis hin zu Entwaffnungsabkommen – schwelt der Konflikt weiter.

Beispielloser wirtschaftlicher Absturz


Dem politischen Absturz folgte in den vergangenen Jahren de wirtschaftliche – mit gravierenden Folgen: Gerade von diesen wirtschaftlichen Effekten gehe ein hohes Risiko aus, warnt Jean Louis Billon, der Chef der Industrie- und Handelskammer. Vier Millionen arbeitslose junge Leute habe man, die ihren Job durch die Krise verloren. "Und noch einmal vier Millionen, die niemals eine Arbeit aufgenommen haben. Das sind acht Millionen junge Leute - ohne Perspektive, ohne Beschäftigung. Das ist wirklich explosiv."

Skyline von Abidjan, der Hauptstadt der Elfenbeinküste. (Foto: ap)
Skyline von Abidjan, Hauptstadt der ElfenbeinküsteBild: AP

Die Teilung hat für die Wirtschaft des Landes verheerende Folgen. Kangouté arbeite für die halbstaatliche Kakao und Kaffeebörse. Er schätzt in jedem Jahr ab, wie groß die Kakaoernte wohl wird – und beobachtet, dass durch die Krise ein großer Teil der Ernte in Richtung Norden ausgeführt wird. Er verlasse das Land nicht über die heimischen Häfen in San Pedro oder Abidjan, sondern werde über die Grenze ausgeführt, "So entgeht es unserem Steuersystem“, sagt der Kakaohändler.

Der Wirtschaftsmotor der Elfenbeinküste stottert und hat durch die Krise in den vergangenen Jahren manchmal ganz ausgesetzt. Einst wurde Abidjan das "Manhattan Westafrikas“ genannt. Noch kann die Elfenbeinküste den Spitzenplatz unter den Kakaoexporteuren halten.

Kein Generationswechsel bei den Eliten

Unruhen in der Elfenbeinküste. (Foto: ap)
Unruhen nach den WahlenBild: AP

Auch in den politischen Spitzenämtern gibt es wenig Bewegung. Die beiden Konkurrenten im Kampf um das Präsidentenamt Laurent Gbagbo und Alassane Ouattara kennen einander seit den 90er Jahren – und sind der beste Beweis dafür, dass es bei den Eliten nie zu einem Generationswechsel gekommen ist. An einer Lösung der Krise haben die Entscheidungsträger kein Interesse, sie sind die Gewinner der gegenwärtigen Lage: Die Rebellen im Norden, die sich den Zugriff auf die dortigen Bodenschätze gesichert haben; und auch die Politiker, die von den Einnahmen aus der Kakaoindustrie oder dem Verkauf von Agrarprodukten profitieren.

Das Opfer der Krise sind alle anderen – und damit die Mehrheit im Land; die Mittelklasse, die Jungen und die Armen, die bisher von kleinen, schlecht bezahlten Jobs gelebt haben.

Autor: Arne Lichtenberg
Redaktion: Michael Borgers