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Vom Streit um die rechte Domain

Kay-Alexander Scholz14. Februar 2002

Im Internet tobt ein bizarrer Kampf. Da bedient sich jemand fremder, hoch offizieller Namen, um seine rechtsextremen Ideen zu verbreiten - ungefähr so als würde auf einer Gift-Flasche das Etikett "Quellwasser" kleben.

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Nicht nur virtueller Ärger für Minister Otto SchilyBild: AP

Theoretisch kann sich jeder eine Internetadresse seiner Wahl im Netz reservieren, so lange der Name noch nicht vergeben ist. Dieses Wer-zuerst-kommt-malt-zuerst-Prinzip stammt noch aus den Kindertagen des Internet, als Freiheit der Kommunikation ganz groß geschrieben wurden. Mit der Zeit wurden die Adressen knapp und das Bewusstsein der E-Business-Macher größer, dass Internetadressen Geld wert sind. Das so genannte Domain-Grabbing (oder auch Cypersquatting) begann.

Die Domain-Richter

Dann trat die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) in Erscheinung. Die Organisation ist für die Verwaltung der Top-Level-Domains (.com, .net, .org) zuständig und initiierte einen weltweiten Gedankenaustausch zum Domain-Problem. Als Resultat wurde eine Uniform Dispute Resolution Policy (UDRP), ein Gesetz zum Domain-Streit, verabschiedet.

Beteiligt war auch die WIPO, die World Intellektuell Property Organisation – eine UN-Organisation zum Schutz geistigen Eigentums. 1994 öffnete in Genf ein neues WIPO-Büro, das sich zur führenden Schlichtungsstelle für Netz-Streitigkeiten entwickelte.

Seitdem sorgen sich 250 internationale unabhängige Experten um die Schlichtung der Streitfälle. Da es keine öffentlichen Anhörungen gibt, sondern der Fall on-line anhand der UDRP-Kriterien Bearbeitung findet, dauern die Prozesse meist nur ein paar Monate und kosten vergleichsweise wenige tausend Dollar.

Am Ende einigen sich die Parteien entweder gütlich oder es wird eine Art Urteil zum zukünftigen Inhaber der begehrten URL gefällt. Die Domain-Richter sind begehrt - allein seit Anfang des Jahres 2002 sind schon fast 150 neue Fälle in den WIPO-Mailboxen in Genf eingegangen.

Schily gegen Lauck

Zurück zum oben angerissenen Fall. Es geht um URLs, die den Begriff "Bundesinnenministerium" oder "Verfassungsschutz" beinhalten. Der in den USA lebende deutsche Top-Neonazi Gary Lauck hat sich genau diese Adressen reservieren lassen.

Die Seiten dienen als alternative URLs, das heißt sie haben das Ziel, den User auf eine andere Website zu führen. In diesem Fall auf einer der üblichen Sites mit rechtsextremem Müll über Helden, Hitler und den Kampf im besetzten Reichsgebiet. Die Seite dient als Info-Portal und bietet Hakenkreuz-Aufkleber, "Auschwitz-Seife", Hitlers "Mein Kampf" und andere in Deutschland verbotene Nazi-Devotionalien zum Kauf an.

Rechtliche Schritte dagegen sind für deutsche Behörden nur schwer möglich, da das Vorgehen in den USA durch den Grundsatz der Meinungsfreiheit geschützt ist. Seit August vergangenen Jahres waren Laucks Seiten, der sich gern wie Adolf Hitler kleidet, im Netz. Erst Ende November hat das Bundesinnenministerium die WIPO eingeschaltet und derweil für tausende fehlgeleitete Zugriffe gesorgt.

Für die meisten Fälle (bundesinnenministerium.com, bundesinnenministerium.net, bundesinnenministerium.org, verfassungsschutz.org) hat die WIPO dem Spuk inzwischen ein Ende bereitet. Im Urteil vom 23. Januar 2002 heißt es: Die Bundesregierung habe ein berechtigtes Interesse an den Internetadressen, da sie eine öffentliche Marke darstellen. Der bisherige Inhaber habe keinen irgendwie legitimierten Anspruch auf diesen Platz im Internet und nutzt die URLs "in bad faith".

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