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"Viel gefordert"

Dennis Stute22. Dezember 2014

Waffen an Bord zu schmuggeln, ist auf dem Frankfurter Flughafen relativ einfach. Boris Suchan, Experte für Sicherheitskontrollen, erklärt, wo derzeit die Mängel liegen – und welche Mitschuld die Fluggäste trifft.

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Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/F. Rumpenhorst

DW: EU-Ermittlern ist es bei jedem zweiten Versuch gelungen, Waffen oder gefährliche Gegenstände durch die Passagierkontrollen am Frankfurter Flughafen zu schmuggeln, hat die "Bild am Sonntag" berichtet. Überrascht Sie das?

Boris Suchan: Mich überrascht der hohe Prozentsatz. Im Stress kann einem schon einmal etwas durchgehen. Sie kennen das ja: Da steht eine Schlange von ungeduldigen Leuten, die zu ihrem Flug wollen und die dann von den Luftsicherheitsassistenten aufgehalten werden. Aber die Assistenten sind teilweise doch sehr gut ausgebildet - dass so viel durchgeht, hätte ich nicht erwartet.

Glauben Sie, dass es auf anderen Flughäfen besser läuft?

Die Raten werden ein bisschen variieren, aber es wird bei anderen deutschen Flughäfen ähnlich sein, zumindest bei denen, die gleiche Arbeitsbedingungen wie Frankfurt haben. In Israel werden Sie ganz anders untersucht, dort dauern die Kontrollen auch viel länger. Aber in Israel existiert auch ein ganz anderes Bedrohungsgefühl. In Deutschland gab es sogar eine Diskussion um den Körperscanner, in dem man keineswegs nackt zu sehen ist. Ich steige lieber in so einen Scanner, als in 10.000 Metern Höhe in die Luft zu fliegen. Vielleicht ist hier insgesamt ein Umdenken nötig.

Wie schwierig ist es, zum Beispiel ein Taschenmesser auf den Röntgenbildern zu entdecken?

Wenn Sie viele metallische Sachen in der Tasche haben, das Taschenmesser verdeckt wird und dann noch ein schwieriger Winkel dazu kommt - das Messer also nicht in der typischen Ansicht zu sehen ist - dann ist es schon nicht ganz einfach, es zu finden. Ein Messer ist aber wahrscheinlich noch die einfachste Variante. Wenn mehrere Gegenstände in der Tasche sind – hier ein Kabel, dort eine Batterie und dort noch ein Gegenstand – die erst in Kombination gefährlich werden, wird es deutlich schwerer. Dann müsste man die Tasche vielleicht noch einmal aus einem anderen Winkel röntgen oder sie gleich durchsuchen. In den USA erlebt man es ja regelmäßig, dass die Mitarbeiter die Gummihandschuhe anziehen und das Gepäck durchsuchen. Das ist mir in Deutschland noch nicht passiert.

Gibt es in Deutschland Mängel in der Ausbildung?

Die Leute machen in zehn Wochen die Ausbildung zum Flugsicherheitsassistenten und werden teilweise auch nachgeschult. Sie werden darauf trainiert, gefährliche Gegenstände auch unter schwierigen Bedingungen zu entdecken. Aber wir haben festgestellt, dass es in der Ausbildung der Leute noch einiges zu beackern gibt. Es ist zwar ein bestimmter Ausbildungsstand da, aber bestimmte kognitive Standards sind noch gar nicht definiert.

Welche Standards zum Beispiel?

Die Leute arbeiten in Schichten, die zum Teil um drei Uhr morgens beginnen und nachmittags enden. Über diesen Zeitraum müssen sie permanent aufmerksam sein und kurzfristig die Aufmerksamkeit erhöhen können. Wenn ein auffälliger Gegenstand auf dem Monitor zu sehen ist, müssen sie ihn auch noch mental drehen und mit entsprechenden Bildern aus dem Gedächtnis abgleichen. Das sind die kognitiven Fähigkeiten, die dort gefordert sind. Zusätzlich rotieren die Leute auch; das heißt, sie sind mal am Monitor, mal bei der Gepäckauflage und mal bei der Personenkontrolle, wo sie soziale Kompetenzen mitbringen müssen. Da wird eine Menge von den Leuten gefordert.

Sie überprüfen im Auftrag der Bundesregierung die Ausbildung des Sicherheitspersonals. Wie wollen Sie die Kontrollen verbessern?

Es gibt zum Beispiel Leute, die eine sehr gute Erkennungsrate haben. Wir untersuchen, was die anders machen: Liegt das vielleicht an der Suchstrategie? Wie bewegen sie die Augen über den Bildschirm? Welche Gegenstände haben sie im Gedächtnis? Das sind alles Dinge, die noch gar nicht systematisch erforscht worden sind. Wir versuchen also erst einmal, den Ist-Zustand zu erfassen: Wie lange sind die Leute schon im Beruf? Was hatten die vorher für eine Ausbildung? Wie sind ihre kognitiven Fähigkeiten zu Beginn und zum Ende der Schicht? Wie verändern sich die kognitiven Fähigkeiten durch die Ausbildung? Im Rahmen dessen, was möglich ist, werden die Leute gut ausgebildet. Aber es ist nicht definiert, welchen kognitiven Mindeststandard jemand mitbringen muss, um durch die Vorauswahl zu kommen. Wir hoffen, dass wir in einem dreiviertel Jahr etwas mehr über diese Fragen wissen.

Welche Rolle spielt die Arbeitsmotivation?

Meine Doktorandin Jenny Katinka Krüger hat feststellen müssen, dass die Luftsicherheitsassistenten von den Fluggästen teilweise äußerst schäbig behandelt werden. Auch wenn der Job mit rund 15 Euro pro Stunde im Vergleich zu anderen Flughafen-Arbeitern nicht so schlecht bezahlt wird, ist es nicht unbedingt motivierend, wenn zum Beispiel ein Vater zu seinem Sohn sagt: "Guck mal, wenn Du nicht lernst, wirst Du hier enden." Die Assistenten sind zudem oft in der Situation, dass sie sich vor ungeduldigen Fluggästen für ihren Job rechtfertigen müssen.

Tragen ruppige Fluggäste also eine Mitschuld an den Sicherheitsmängeln, indem sie Stress erzeugen?

Die Menschen, die an den Kontrollen stehen, müssten zumindest in einer Atmosphäre arbeiten können, in der sie nicht von Fluggästen angemeckert werden. Die Situation wäre eine andere, wenn die Gäste mit dem Bewusstsein dahingingen, dass sie sich jetzt zehn Minuten für ihre Sicherheit nehmen – und dass die Flugsicherheitsassistenten nicht irgendwelche Leute sind, die im Weg stehen, sondern dass sie diejenigen sind, die uns schützen.

Boris Suchan ist Professor für Neuropsychologie an der Ruhruniversität Bochum. Er leitet unter anderem das Forschungsprojekt "DEFAKTOS - Neue Strategien und Verfahren für die Aus- und Fortbildung des Fluggast-Kontrollpersonals". Das Projekt, an dem sich die Bundespolizei und verschiedene Institute und Unternehmen beteiligen, wird vom vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert.