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Vom Leben in der Nische

Jochen Kürten10. Juni 2005

Oft scheint es, als sei Jammern erste Verleger-Pflicht. Das ist bei den Kleinverlagen anders: Sie setzen auf Idealismus und literarische Entdeckungen - auch ohne das große Geld.

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Bei Kleinverlagen kann man was entdeckenBild: dpa

In den letzten Jahren registriert die krisengeschüttelte Buchbranche zwei Trends, die sich scheinbar widersprechen. Zum einen hat sich der Konzentrationsprozess innerhalb der Verlagslandschaft fortgesetzt: Große Konzerne haben mittlere und kleinere Häuser aufgekauft. Unter einem Dach sind häufig ein Dutzend Verlage versammelt. Auf der anderen Seite hat es in jüngster Vergangenheit aber auch überraschend viele Neugründungen völlig unabhängig agierender Verlage gegeben. Gerade das Jahr 2004 war dafür ein Beispiel.

Sympathie für den Drahtseilakt

In der Branche, vor allem aber auch bei den Lesern, stoßen die neuen, unabhängigen Verlage auf viel Sympathie. Wirtschaftlich ist das Kleinverleger-Leben oft ein Drahtseilakt. Viel Geld verdienen kann man mit einem unabhängig auftretenden Klein-Verlag nicht, meist sind es nur ein bis zwei Mitarbeiter, die beschäftigt werden. Klaus Wagenbach, der Doyen der Unabhängigen Wagenbach, hat seinen Verlag vor 40 Jahren gegründet. Für den Verkauf eines geerbten Grundstückes hatte er damals 100.000 DM bekommen, das genügte fürs Erste. An dieser Situation hat sich nicht allzu viel geändert: Die stark ausgeprägte Abneigung gegen die Großen der Branche ist geblieben, "Bertelsmann/Random House" ist heute das "rote Tuch" der Kleinverleger. 100.000 Euro Startkapital sind heute vonnöten, Banken geben in der Regel nichts, ein wenig privates Geld muss schon vorhanden sein.

Klaus Wagenbach
Klaus Wagenbach, Verleger und PublizistBild: dpa

Und natürlich braucht man noch etwas anderes: "Optimismus, vielleicht auch ein klein wenig Naivität und jede Menge Begeisterung für schöne Bücher", sagt Sabine Dörlemann aus Zürich vom gleichnamigen Verlag. Sie setzt auf Klassiker und auf Entdeckungen aus dem europäischen Ausland, auf Autoren, die es noch nicht auf Deutsch gibt: "Es ist so, dass leider viele Autoren in Vergessenheit geraten sind in ihren jeweiligen Heimatländern. Sie werden aber auch gedruckt und verlegt, während man bei uns keine Übersetzungen erhalten kann."

Die Untiefen der Branche

Viele Jungverleger haben zuvor als Lektor in anderen Häusern gearbeitet, viele kennen die Branche und ihre Untiefen genau. Auch für Heinrich von Berenberg, Kopf des Berenberg Verlags, ist das Aufspüren neuer Literatur das geringste Problem: "Man sucht und sucht und das Finden ist dann was Tolles. Irgendwann ist es so, dass immer ein Buch da ist, bei dem man sagt: Da würde ich gern meinen eigenen Stempel drauf setzen."

Besuche ausländischer Buchmessen gehören zum Pflichtprogramm. Dort knüpft man Kontakte, wird mit neuen Autoren bekannt gemacht. Dazu kommen die unzähligen Manuskripte, die auch kleineren Verlagen auf den Schreibtisch flattern. Und auch das Stöbern in Buchhandlungen im Ausland ist fester Bestandteil der Arbeit der Jungverleger - oft finden sie dabei Romane oder Erzählungen, die hierzulande keiner kennt und die nur der Übersetzung ins Deutsche harren.

Gegen die Sorglospakete

Das mit Abstand größte Problem für den Verlegernachwuchs ist jedoch der Vertrieb. Die extreme Konzentration beim Handel, die Tendenz zu den Buch-Kaufhäusern und das Aussterben gebildeter Buchhändler bereiten jüngeren Verlegern wie Michael Zöllner vom Tropen-Verlag die größten Sorgen: "Prinzipiell muss man sagen: Es ist ja auch die Pflicht oder auch das Schöne an einer Buchhandlung und ihr größtes Potential, den Lesern die Chance zu bieten, Dinge zu entdecken, und das tun viel große Buchhandlungen, Ketten nicht. Sie präsentieren so genannte 'Sorglospakete': Bücher, die sich anscheinend von selber verkaufen, wo dem Kunden scheinbar nach dem Auge und Mund gelesen wird."

Aktuelle Bestseller und ein paar Dauerhits - damit wollen sich die Kleinverleger gerade nicht zufrieden geben. Sie wollen Entdeckungen machen und diese dem Leser präsentieren. Doch genau an der Präsentation magelt es oft, sagt Daniela Seel vom Berliner "kookbooks Verlag". Sie weist daher auf einen wichtigen Punkt hin: Die Verpackung der Entdeckungen. Ihr Ziel ist es, einen relativ klassischen literarischen Verlag zu machen, der auf Inhalte und Autoren setzt - aber das in einer zeitgemäßen Aufmachung. "Wir haben gesehen, dass die allermeisten Bücher, die heute produziert werden, nicht gut aussehen." Mit ausgefeilten, grafisch schön gestalteten, farbigen Buchcovern will sie auch jüngere Käuferschichten ansprechen.