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Deutsch-polnische Aussöhnung

1. September 2009

Am 1. September 1939 überfiel Deutschland Polen – der Zweite Weltkrieg begann. Sechs Jahre deutsche Besatzung haben Spuren hinterlassen, doch der deutsch-polnische Aussöhnungsprozess hatte Erfolg, bis heute.

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Tor des Konzentrationslagers in Ausschwitz (Foto: AP)
Das Tor des Konzentrationslagers in AusschwitzBild: AP

Die Polin Anna Marczak ist 23 Jahre alt. Sie ist dort geboren und aufgewachsen, wo die Nazis ihre größten Vernichtungslager hatten: in Auschwitz und Birkenau. Gerade arbeitet sie in Berlin an einem Projekt, das Jugendliche aus Polen und Deutschland einander näher bringen soll. "Ich denke gar nicht daran, dass ich in einem Land bin, das im September 1939 mein Heimatland angegriffen, meine Oma in die Zwangsarbeit geschickt und unser Haus zerstört hat", sagt die junge Frau. "Ich denke gar nicht daran, dass ich in einem Land bin, das die Konzentrationslager errichtet hat.“

Aufeinander zu gehen

Anna Marczak beim deutsch-polnsichen Jugend - und Studententreffen , das am 28.11. - 04.12.2008 in dem Internationalen Haus der Begegnung in Auschwitz stattfand (Foto: Bronska)
Anna Marczak (re.) ist in Ausschwitz aufgewachsenBild: DW

Wenn sie zuhause ist, arbeitet Anna ehrenamtlich im Haus der Begegnung in Auschwitz. Zu ihren Aufgaben gehören Führungen durch das ehemalige Konzentrationslager. "Als Kind hatte ich oft Albträume, dass der Krieg wieder ausbricht. Ich konnte häufig nicht einschlafen, weil ich so eine Angst hatte und deshalb wollte ich einfach etwas für die Versöhnung tun", erklärt Anna, die von ihrem Fenster aus das Lager ständig vor Augen hat.

Johannes aus Deutschland will ebenfalls zur Versöhnung beitragen. Vor zwei Jahren hat er an der "Aktion Sühnezeichen" teilgenommen. Der Student aus Berlin hat sich ein Jahr lang in Lodz um ehemalige KZ-Häftlinge gekümmert: Er half im Haushalt oder unterhielt sich einfach mit ihnen. Von Groll auf ihn als Deutschen habe er nichts gespürt. "Sie haben immer unterschieden: Wir sind junge Deutsche und wir wollen was Gutes tun und sind anders als die Deutschen, die damals gelebt haben", erinnert er sich. "Ich war überrascht, dass sie ein ziemlich gutes Bild von Deutschland hatten, obwohl die Deutschen ihnen so viel Leid angetan haben."

Das Wichtigste sind persönliche Kontakte

Wladyslaw Bartoszewski
Wladyslaw Bartoszewski tut viel für die VersöhnungBild: Barbara Cöllen/DW

Wladyslaw Bartoszewski war 17 Jahre alt, als der Krieg ausbrach. Weil er Jude ist, wurde er 1940 von den Nazis ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Ein Jahr lang blieb er in dem Lager. Doch obwohl die Deutschen ihm Schlimmes angetan hat, kann er heute unterscheiden: "Wie kann ich über Vergebung reden im Bezug auf die Menschen, die in kritischen Zeiten nicht geboren waren. Was habe ich ihnen zu vergeben, die tragen doch keine Schuld", erklärt er.

Seit Jahren setzt sich Bartoszewski für die deutsch-polnische Versöhnung ein: zunächst als Außenminister und jetzt als Beauftragter der polnischen Regierung für die Beziehungen zu Deutschland. Doch der eigentliche Weg zur Annährung seien die Kontakte zwischen den Menschen, betont er. Schulprojekte und Partnerschaften seien "die Basis und sogar die Garantie der voranschreitenden Versöhnung. Es wird keine richtige Versöhnung geben, solange die Menschen sie nicht wollen."

Brücken bauen

deutsch-polnsichen Jugend - und Studententreffen , das am 28.11. - 04.12.2008 in dem Internationalen Haus der Begegnung in Auschwitz stattfand (Foto: Bronska)
Deutsch-polnisches Studententreffen in AuschwitzBild: DW

Wenn die 23-jährige Anna im Herbst nach Auschwitz zurückkehrt, hat sie schon einen neuen Plan: "Mit einer Freundin aus Berlin bin ich gerade dabei, ein gemeinsames Projekt zu entwickeln. Thema ist die deutsch-polnische Versöhnung. Ein Teil wird in Auschwitz stattfinden und der andere in Berlin." Auch Johannes plant schon seine nächste Reise nach Polen. "Ich würde gerne Kontakte nach Polen halten und mein Polnisch verbessern", sagt er. Entweder werde er ein Semester in Polen studieren oder noch einmal zum Arbeiten in das Nachbarland fahren.

Die Annährung zwischen Deutschland und Polen nach dem Zweiten Weltkrieg dauerte lange und war mühsam: Zunächst belastete der Ost-West-Konflikt die Beziehungen. Und nach dem sich der Eiserne Vorhang geöffnet hatte, gab es immer wieder Misstöne wegen der Vertriebenenproblematik. Persönliche Begegnungen wie bei Anna oder Johannes, die Brücken zwischen den Menschen beider Länder bauen, sorgen dabei für Fortschritte.

Autor: Justyna Bronska
Redaktion: Julia Kuckelkorn/ Nicole Scherschun