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Vom Gefängnis in den Elysèe-Palast?

2. Juli 2011

Zweifel an der Schuld von Ex-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn elektrisieren das politische Frankreich. Seine Partei wittert eine Chance, dass er doch noch bei den nächsten Wahlen gegen Präsident Sarkozy antreten kann.

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Strauss-Kahn verlässt in Gegenwart von Journalisten Gerichtsgebäude in New York (Foto: ap)
Unter Auflagen auf freiem Fuß: Dominique Strauss-KahnBild: AP

Knapp sieben Wochen sah alles danach aus, als sei mit Dominique Strauss-Kahn der ehedem aussichtsreichste Anwärter auf die nächste französische Präsidentschaft erledigt - zur Strecke gebracht mit dem Vorwurf einer versuchten Vergewaltigung in einem New Yorker Hotelzimmer. Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Hauptbelastungszeugin, eines Zimmermädchens, stellen nun in Frankreich die Situation auf den Kopf. Der gefallene Hoffnungsträger der französischen Sozialisten könnte plötzlich wieder im Rennen um das Präsidentenamt sein. Zumindest werden nach der Aufhebung des Hausarrests gegen Strauss-Kahn immer mehr Stimmen in der Sozialistischen Partei laut, die fordern, dass er bei der Wahl 2012 gegen Präsident Nicolas Sarkozy antreten solle.

Meldefrist für Kandidaten läuft ab

François Hollande (Archivfoto: dpa)
François Hollande fordert DSK auf, bei der Kandidaten-Wahl der Sozialisten anzutretenBild: picture-alliance/dpa

Der frühere sozialistische Parteichef Francois Hollande, der sich parteiintern ebenfalls um die Präsidentschaftskandidatur bewirbt, forderte in einem Zeitungsinterview am Samstag (02.07.2011): "Nichts sollte Dominique Strauss-Kahn daran hindern, (bei den Vorwahlen) zu kandidieren." Hollande sprach sich für eine Verlängerung der Meldefrist bei den Sozialisten für eine Präsidentschaftskandidatur aus. Bislang war diese auf den 13. Juli festgelegt - noch vor dem nächsten offiziellen Gerichtstermin Strauss-Kahns. Die Bewerbungsfrist könne "Ende Juli oder sogar Ende August" enden, schlug Hollande in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP vor. Die Termine für die Vorwahl am 9. und 16. Oktober sollten aber beibehalten werden.

Der frühere sozialistische Kulturminister Jack Lang rief DSK - wie Dominque Strauss-Kahn in Frankreich kurz genannt wird - zur Rückkehr nach Frankreich auf. "Er wäre ein guter Kandidat", sagte Lang und sprach damit wohl vielen Sozialisten aus der Seele. Denn die Festnahme Strauss-Kahns Mitte Mai in New York traf die Partei hart, die in dem populären und international erfahrenen Politiker eine Chance witterte, den Elysee-Palast zurückzuerobern.

Zwickmühle für Sozialistische Partei

Martine Aubry, Chefin der Sozialistischen Partei (Archivfoto: dpa)
Brisante Situation für Martine Aubry, Chefin der Sozialistischen ParteiBild: picture-alliance/dpa

Auffallend zurückhaltend reagierte dagegen die Chefin der Sozialisten, Martine Aubry. Für sie - und damit auch für ihre Partei - sind die Entwicklungen hochbrisant. Denn sie plant schon ohne den gestürzten Chef des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Wahlen im Frühjahr 2012. Erst Anfang der Woche hatte die 60-Jährige angekündigt, selbst für ihre Partei als Präsidentschaftskandidatin anzutreten. Was, wenn der Vorwurf der versuchten Vergewaltigung gegen DSK sich als unhaltbar erweist und er sich entschließt, zur Wahl anzutreten?

Gunst der Stunde für Sarkozy

Solange Frankreichs Sozialisten auf diese Frage eine plausible Antwort schuldig bleiben, spielen die Entwicklungen weiter dem amtierenden Präsidenten Nicolas Sarkozy in die Hände. Sein konservativ-rechtes Regierungsbündnis profitierte schon in den vergangenen Wochen von der Malaise in der größten Oppositionspartei. Der unfreiwillige Rücktritt Strauss-Kahns als IWF-Chef bescherte Sarkozy einen unerwarteten Erfolg. In der Hast der Nachfolgedebatte gelang es ihm, seine Wirtschafts- und Finanzministerin Christine Lagarde auf dem internationalen Topposten zu platzieren. Hätte Strauss-Kahn sich mit Blick auf eine Präsidentschaftskandidatur in Frankreich geordnet zurückgezogen, wäre der begehrte Job womöglich an ein anderes EU-Land gegangen, meinen Experten.

Moralisch fragwürdig

Strauss-Kahn an der Seite seiner Frau (Foto: ap)
Strauss-Kahns Frau musste bereits vor einigen Jahren eine Demütigung durch ihren Mann verkraftenBild: AP

Strauss-Kahns Zukunft bleibt unterdessen vorerst ungewiss. Am 18. Juli muss der 62-Jährige erneut vor einem New Yorker Gericht erscheinen. Sollte er letztlich freigesprochen werden, könnte aber in Frankreich eine weitere Anklage gegen ihn warten. Dort behauptet eine junge Journalistin, sie sei während eines Interviews im Jahr 2002 von DSK angegriffen worden.

Es ist daher völlig unklar, ob DSK auch bei einer Mehrheit der Wähler in Frankreich rechtzeitig zu seiner früheren Popularität zurückfinden könnte. In Umfragen vor dem Skandal hatte er deutlich vor Sarkozy gelegen. Doch nun gilt seine moralische Unbescholtenheit als angekratzt - selbst wenn die Vergewaltigungsvorwürfe sich nicht bestätigen sollten. Das wenig schmeichelhafte Bild eines chronischen Ehebrechers werde wohl bleiben, meinen politische Beobachter. Da Spermaspuren nachgewiesen wurden, steht es nach derzeitigem Stand der Ermittlungen außer Frage, dass es am Mittag des 14. Mai zu sexuellen Handlungen in dem New Yorker Hotelzimmer kam. Strauss-Kahns Frau Anne Sinclair musste schon zu Beginn der Amtszeit ihres Mannes beim IWF eine Demütigung ertragen. Damals machte eine Affäre ihres Mannes mit einer ungarischen Mitarbeiterin Schlagzeilen.

Autor: Martin Schrader (mit afp, dapd, dpa)
Redaktion: Nicole Scherschun