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Vom Feld ins Labor

28. Juli 2009

Gezahegn Gute kennt keine Freizeit. In Äthiopien arbeitete er auf dem Feld des Vaters und besuchte nebenbei eine Schule. Heute studiert er Biotechnologie in Leuven - und arbeitet wieder rund um die Uhr.

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Gezahegn Gute hält einen Vortrag an der Uni Leeuwen, Belgien (Foto: privat)
Gezahegn Gute hält einen Vortrag an der Uni Leeuwen, BelgienBild: Gezahegn Gute

Als Gezahegn Gute 1984 geboren wurde, herrschte in seinem Heimatland eine große Hungersnot, die rund eine Million Menschen das Leben kostete und Äthiopien in der Vorstellung des Westens zum typischen "Hungerland" machte. Gezahegns Vater war Bauer. Auf seinem Feld baute er Weizen, Bohnen, Kartoffeln und Mais an. Gezahegn und drei Brüder und vier Schwestern halfen auf dem Feld mit, so viel sie konnten. Säen, bewässern, ernten - das alles hat der lebenslustige junge Mann von klein auf gelernt. Mit viel Motivation ging er an die Feldarbeit.

Schulbesuch als Privileg

Doch als er acht Jahren alt war, gab es noch etwas, dass seine volle Aufmerksamkeit gewann: Gezahegn durfte zur Schule gehen. "Ich wollte nie Zeit verlieren," erinnert sich der 25-Jährige. "Ich wollte ganz viel Zeit zum Lernen haben." An den ersten Schultag kann er sich heute nicht mehr richtig erinnern. Doch er weiß noch: der Schulweg, den er zu Fuß zurücklegen musste, war lang, rund eineinhalb Stunden pro Strecke. Im Winter wurde mit Kohle geheizt. Elektrizität gab es in der Schule nicht.

Menschen in der äthiopischen Wüste (Foto: dpa)
In Äthiopien fielen 1984 und 1985 rund eine Million Menschen einer Dürre zum OpferBild: DW-TV

Er war sehr glücklich, zur Schule gehen zu dürfen, denn er wusste genau: viele Kinder würden gerne so wie er Lesen und Schreiben lernen, doch viele Eltern hatten entweder kein Geld, die Schulgebühr von umgerechnet drei Euro pro Jahr zu bezahlen oder sie hielten schlichtweg nichts von Bildung - eine damals sehr verbreitete Einstellung.

Volle Verantwortung

Schwierig wurde es für Gezahegn und seine Geschwister, als der Vater verstarb. Gezahegn, der Zweitälteste war gerade in der achten Klasse. Die Kinder und die Mutter mussten zusammen das Feld bewirtschaften. Sie hatten nun die volle Verantwortung. Es war eine schwierige Zeit. "Wir haben immer zusammengehalten - ganz fest. So haben wir es geschafft, gleichzeitig auch weiter zur Schule gehen zu können", erinnert sich Gezahegn und seine Stimme wird dabei noch stärker und bestimmter. "Freizeit hatten wir damals nie. Wir haben immer nur gearbeitet", sagt er.

Student Gezahegn Gute sitzt am Schreibtisch am Computer (Foto: privat)
Gezahegn Gute schreibt gerade an seiner Masterarbeit in BiotechnologieBild: Gezahegn Gute

In der neunten und zehnten Klasse hatte Gezahegn den Wunsch, Priester zu werden. Er ging deshalb in die Don Bosco Mission. Hier hatte der Halbwaise ein Dach überm Kopf, bekam Essen und konnte sorgenfrei in die Schule gehen und lernen. Doch bald wurde ihm klar, dass er zum Priester nicht berufen ist. Er beschloss, wieder zu seiner Familie zurückzugehen und die Schule abzuschließen.

Stipendium in Belgien

Weil er sehr gute Noten hatte, konnte er zum Studieren an die Universität gehen. In Mekelle studierte er Landwirtschaftswesen. Vier Jahre lang dauerte der Bachelorstudiengang. Danach wurde ihm gleich eine Stelle an der Universität angeboten. Im Internet suchte er nach Möglichkeiten, ein Stipendium für einen Master zu bekommen. Durch seine guten Noten gelang es ihm, in das Stipendiatenprogramm "Sharing Minds, Changing Lives" aufgenommen zu werden, eine Bildungskooperation zwischen flämischsprachigen Universitäten in Belgien und einigen Entwicklungsländern.

Reagenzgläser im Labor (Foto: dpa)
Mit modernster Technik und genmodifizierten Pflanzen will Gezahegn die Landwirtschaft seines Heimatlandes Äthiopien verbessernBild: picture-alliance / dpa

So hat es Gezahegn Gute an die Katholische Universität Leuven geschafft. Hier schließt er gerade seine Masterarbeit ab. Er erarbeitet ein genetisches Modell, das das Wachstum von Pflanzenblättern beschleunigt und mit dem man diese Mutation analysieren kann. Wieder hat er kaum Freizeit: "Ich verbringe sehr viel Zeit im Labor," sagt er. Die Professoren hier seien sehr streng. Das gefalle ihm gut.

Große Pläne

Gezahegn hofft, dass er ab September eine Doktorarbeit im Bereich der landwirtschaftlichen Biologie oder der Molekularbiologie schreiben kann. Falls das nicht klappt, dann geht er im Herbst schon zurück nach Äthiopien. In jedem Fall will er in seiner Heimat seine neuen Kenntnisse einsetzen, um die Landwirtschaft voranzubringen. "In einem Land, das zu 80 Prozent von Landwirtschaft lebt, sind die Kenntnisse unglaublich wichtig", ist er sich sicher.

Dann wird er nicht mehr, wie damals als kleiner Junge, auf dem Feld arbeiten und mühsam die Ernte einfahren, sondern Projekte entwerfen, die die Feldarbeit auch für alle anderen äthiopischen Bauern einfacher macht.

Autor: Silke Oppermann

Redaktion: Wolfgang Dick