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"Vom DDR-Image muss man sich lösen"

Birgit Zimmermann | Franziska Höhnl | Christiane Raatz dpa
3. Oktober 2016

Man kennt sie, man liebt sie? Mit dieser Strategie verkaufen Unternehmen bis heute frühere DDR-Klassiker - vom Spülmittel bis zum Erdnussflip. Doch mehr als ein Vierteljahrhundert nach der Wende zieht das weniger.

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Leckermäulchen-Quark
Erfolgreich auch im Westen: Der Leckermäulchen-QuarkBild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Die DDR ist seit 26 Jahren Geschichte. Manche Produkte und Traditionen gelten als Kult oder erleben eine Renaissance. Doch gilt das auch für die alten DDR-Klassiker wie Erdnussflips, Leckermäulchen, Vita Cola und Co? Und profitieren die Marken selbst vom aktuellen Trend, regionale Produkte zu kaufen? Die West-Ost-Markenstudie, die vergangenen Mittwoch in Leipzig vorgestellt wurde, sagt: Ja, regional zieht. Doch wie sehen das die Hersteller selbst? Fünf Unternehmen berichten.

Brause stark zuhause

Ihren Ursprung hat sie in der DDR - die Vita Cola. Doch als Ostmarke versteht sich die braune Brause der Thüringer Waldquell GmbH in Schmalkalden längst nicht mehr. Trotzdem ist der Absatz im Heimatland Thüringen besonders stark. Dort ist die Brause bei den Cola-Getränken nach Unternehmensangaben Marktführer. In Ostdeutschland liege sie auf Nummer zwei. Aber deshalb Ostmarke? "Das ist Vergangenheit", sagt eine Unternehmenssprecherin.

Vitacola-Flaschen
Starker Absatz in der Heimatregion: Vita ColaBild: picture-alliance/dpa/M. Schutt

Thüringer Waldquell ist Markeninhaber für Vita Cola, die aber auch in Lichtenau in Sachsen und Bad Doberan in Mecklenburg-Vorpommern abgefüllt wird. Das Thüringer Unternehmen gehört zur hessischen Hassia-Gruppe. Der Absatz des Klassikers stieg im vergangenen Jahr um fast sechs Prozent und lag erstmals über 80 Millionen Litern.

Erdnussflips und Co

Die Wurzener Nahrungsmittel GmbH vermarktet ihre Produkte unter dem Regionalaspekt. "Starke Marken aus der Region" sei derzeit das Motto im Handel - das sei in Bayern oder Hessen auch nicht anders, sagt Geschäftsführer Stefan Kuhl. Für Wurzener Erdnussflips & Co sei die Region eben ganz Ostdeutschland, wo die Marke etabliert sei. Auf die DDR-Vergangenheit könne man sich nicht zurückziehen. "Vom DDR-Image muss man sich lösen, das macht 26 Jahre nach der Einheit gar keinen Sinn mehr", so Kuhl.

Doch auch der Sprung in den gesamtdeutschen Markt sei schwieriger, als viele Hersteller noch in den 1990ern gedacht hätten. Trotz vieler Werbung beiße man sich an starken und cleveren Wettbewerbern die Zähne aus.

Wurzener Erdnussflips
Schwieriger Sprung in den gesamtdeutschen Markt: Wurzener ErdnussflipsBild: picture-alliance/ZB/W. Kluge

Rund 50 Artikel stellt das Unternehmen in Wurzen bei Leipzig her - von Erdnussflips über Cornflakes bis hin zu Reis und Haferflocken. Wurzener hat 110 Mitarbeiter und erwirtschaftet laut Kuhl etwa 25 Millionen Euro Umsatz im Jahr.

Quark für alle

Mehr Erfolg hatte da die Marke mit dem kleinen Zopfmädchen, das "Leckermäulchen". "Knapp die Hälfte unserer Leckermäulchen-Produktion verkaufen wir heute im Westen", sagt Frischli-Marketingleiter Curd Kießler. Der Weg in die westdeutschen Regale sei für den aufgeschäumten Milchquark lang gewesen. Nach der Wende übernahm Frischli mit Sitz in Niedersachsen das Milchwerk in Weißenfels im Süden Sachsen-Anhalts. Das Unternehmen belebte den DDR-Klassiker wieder - und wollte ihn auch im Westen etablieren. "Am Anfang war der Anteil mini", sagt Kießler. Doch als der Quark im Osten wieder gut gekauft wurde, sei es gelungen, ihn zunächst auch im benachbarten Niedersachsen und in Hamburg in die Regale zu bringen - und schließlich alle Regionen zu erreichen. Leckermäulchen produziert das Unternehmen weiter in Weißenfels, nach eigenen Angaben 50 bis 60 Millionen Becher im Jahr.

Im Osten gebe es durchaus Leckermäulchen-Fans, die schon als Kind mit der Quarkspeise aufgewachsen seien, sagt Marketingleiter Kießler. Doch Frischli versuche auf die Trends des gesamten Marktes zu reagieren. "Seit einigen Jahren gibt es das Thema weniger Zucker", nennt Kießler ein Beispiel. "Deshalb reduzieren wir Schritt für Schritt die Süße."

Handel verstärkt Regionaltrend

Dass der Handel gerne Produkte als regional vermarktet, spürt auch der Süßwarenhersteller Zetti aus Zeitz in Sachsen-Anhalt. "Wenn ein Supermarkt uns in einer Aktion als regional mitbewirbt, dann merken wir das schon am Absatz", sagt Zetti-Chef Wolfgang Sablotny. Die Firma produziert unter anderem den DDR-Klassiker "Knusperflocken", den sie einst auch mit der Tradition als Ostprodukt in Radio-Spots bewarb. Die Süßigkeiten bestehen aus mit Schokolade überzogenem Knäckebrot und standen in der DDR auch für den Ideenreichtum bei schmalem Grundstock an Zutaten.

Knusperflocken von Zetti
Fast überall in Deutschland erhältlich: Zettis KnusperflockenBild: picture-alliance/dpa/P. Endig

Heute versteht sich das Unternehmen als gesamtdeutsche Marke, die Flocken sind inzwischen fast überall erhältlich. "Der Osten bleibt unser Brot-und-Butter-Markt, aber auch im Westen sind wir sehr gut aufgestellt." Der Gesamtabsatz wachse zweistellig. 100 Mitarbeiter beschäftigt Zetti nach eigenen Angaben und produziert unter dem Markennamen knapp 40 Produkte.

Andere Marken aufkaufen

Fit galt als DAS Spülmittel der DDR - und hat die Wende überdauert. Viele Sorten kamen seither hinzu. Die alte Flaschenform, angelehnt an den Roten Turm in Chemnitz, ist geblieben. Sie steht in Ost und West in den Regalen. "Im Osten sind wir nach wie vor Marktführer, im Westen haben wir einen etwas geringeren Marktanteil", so Marketingleiter Markus Jahnke. Geholfen hat dem Familienunternehmen aus dem ostsächsischen Zittau dabei eine findige Strategie: Es übernahm andere Marken wie "Rei Waschmittel", "Kuschelweich", "Sunil" und jüngst "fenjal" - und brachte bei der gemeinsamen Vermarkung auch Fit in den westdeutschen Regalen unter.

Die Herkunft als "Ostmarke" spiele hingegen eine immer geringere Rolle, vor allem bei den Käufern unter 40 Jahren. Jedes Jahr gehen demnach knapp 25 Millionen Flaschen über den Tisch. 2015 erwirtschaftete die Fit GmbH einen Umsatz von rund 149 Millionen Euro und beschäftigte rund 200 Mitarbeiter.