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Volle Stadien, leere Geschäfte

Grit Hofmann1. Juli 2006

Eine seltene Jubelstimmung hat Deutschland seit Beginn der Fußballweltmeisterschaft ergriffen. Nur in den Geschäften nicht. Die längeren Öffnungszeiten zur WM finden kaum Resonanz.

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Die verlängerten Öffnungszeiten während der WM sind ein FlopBild: picture-alliance/ dpa

Während der lauen Sommerabende ziehen Tausende von Fußballfans durch die deutschen Innenstädte. Seit Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft dürfen die Geschäfte in den meisten deutschen Städten und Kommunen statt nur bis 20 Uhr sogar bis 22 Uhr geöffnet bleiben, und auch am Sonntag können ihre Türen offen stehen. Doch das lässt viele Fans kalt. Tatsächlich scheinen nur die Geschäfte in den Top-Lagen der Innenstädte von den verlängerten Öffnungszeiten profitieren. Den Weg in die anderen Läden aber finden wenige Kunden. Die meisten Händler hatten sich von einer neuen Regelung zum Ladenschluss viel versprochen und sind enttäuscht. Die erhoffte Kauflust der Deutschen und ein lockerer Griff ins Portemonnaie bleiben aus.

Inzwischen sind schon einige Geschäfte wieder zu den alten Öffnungszeiten zurückgekehrt. Manche hatten von Anfang an nicht länger geöffnet, weil sie nicht an die nächtliche Kauflust der Fußballfans glaubten. Ebenso wenig wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Nicht ohne Genugtuung sagt der Gewerkschaftssekretär Achim Steffen: "Aber wir haben das auch schon immer vorausgesagt: Bis 20 Uhr Ladenöffnung ist für die Deutschen in der Regel genug. Sie haben 80 Stunden in der Woche, in denen sie einkaufen können. Deshalb ist das ein Flop ersten Ranges."

Nur wenige Branchen machen ein gutes Geschäft

Outlet in Metzingen
Nur wenige Kunden nutzen die verlängerte EinkaufszeitBild: PA/dpa

Auch HDE-Sprecher Hubertus Pellengahr räumt ein, dass der Andrang in den Geschäften ab 19 Uhr deutlich nachlässt. Das sei aber kein Argument gegen die längeren Öffnungszeiten: "Dass die Deutschen jetzt nicht innerhalb von zwei Wochen zu einem Volk von Spät- und Nachteinkäufern werden, das kann niemanden überraschen. Aber dort, wo Menschen unterwegs sind, lohnt es sich durchaus, länger zu öffnen. Das sollen eben nach unserer Meinung die Geschäfte selber entscheiden." Deshalb sei man dafür, dass die Öffnungszeiten an den Werktagen ganz freigegeben würden.

Und trotz der allgemeinen Konsumflaute - einzelne Branchen machen mit der Fußballeuphorie im Land recht gute Geschäfte: "Der Einzelhandel wird durch die WM einen Mehrumsatz von etwa zwei Milliarden Euro erzielen. Das sind die vielen Flachbildschirm-Fernseh-Geräte, die vor der WM gekauft worden sind. Das ist der Boom im Sportfachhandel, das sind die Fanartikel, das sind auch Lebensmittel und Getränke, die während der WM vermehrt gekauft werden."

"Verdi klagt auch gegen den Weihnachtsmann"

Zu den anderen Geschäften zieht es die WM-Fans aber eben wenig. Das erleben die Mitarbeiter am deutlichsten. Inzwischen haben einige von ihnen erfolgreich gegen die langen Arbeitszeiten geklagt - auch dank der Unterstützung der Gewerkschaft Verdi. Kein Wunder, frotzelt Hubertus Pellengahr: "Verdi ist sich ja für keine Klage zu schade. Verdi klagt gegen den Weihnachtsmann und auch gegen die Fußballweltmeisterschaft."

Dass die längeren Öffnungszeiten so wenig angenommen werden, liegt aber nicht an den vermeintlich widerspenstigen Mitarbeitern und Verdi. Ein Grund ist, dass in Deutschland eine wirre Gesetzeslage herrscht: Jedes Bundesland kann das Ladenschlussgesetz unterschiedlich anwenden. Damit, klagt der Einzelhandel, sei eine groß angelegte Kampagne für die längeren WM-Öffnungszeiten kaum möglich: "Bundesweit tätige Filialunternehmen können nicht in überregionalen Medien werben, dass sie abends und am Sonntag geöffnet haben. Und auch dadurch kommen weniger Kunden, weil es eben länger dauert, bis es sich herumgesprochen hat."

Die längeren Öffnungszeiten sind aber auch ein Test für die Zeit nach der WM, um die Einkaufsgewohnheiten der Kunden kennen zu lernen. Denn viele Händler hoffen darauf, dass sie ihre Geschäfte bald immer länger als 20 Uhr öffnen können. Gewerkschafter Achim Steffen findet das sinnlos: "Wir sagen, auch wenn sich das Ladenschlussgesetz irgendwann ändern würde, würden sich die Menschen in Deutschland an dieses nicht gewöhnen. Es geht niemand noch um 23 Uhr und kauft noch fünf Scheiben Wurst. Das ist völlig lebensfremd."