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Volkswirtschaft auf Pump

Detlev Karg17. März 2003

Die USA exportieren immer weniger als sie importieren. Dadurch ist ihr Handelsdefizit dramatisch angeschwollen. Das birgt Risiken für die Weltwirtschaft.

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In der Weltwirtschaft ist jeder mit jedem verknüpft

Die Handelsbilanz der Vereinigten Staaten wies zum Jahresende 2002 einen Negativ-Rekord von 435 Milliarden Dollar aus. Auf Grund der weltweit geschwächten Wirtschaft gingen die amerikanischen Exporte voriges Jahr zurück, während der Import von Kraftfahrzeugen und Konsumgütern stieg, wie das US-Handelsministerium mitteilte. Den Angaben zufolge stieg das Defizit des Gesamtjahres um 21,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreswert von 358,3 Milliarden Dollar. Selbst bei den Agrarprodukten, sonst ein Exportschlager des größten Lebensmittelproduzenten der Welt, führten die Amerikaner mehr ein als aus. Die größte Diskrepanz zwischen In- und Exporten bilanzierten die USA im Handel mit China, gefolgt von Japan.

Ein Handelsbilanzdefizit an sich ist kein Problem

Noch sei das allerdings kein Alarmsignal, sagt Klaus-Jürgen Gern, Leiter der Forschungsgruppe Internationale Konjunktur beim Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW): "Man kann nicht sagen, dass eine negative Handelsbilanz von Nachteil ist. Sie ist vielmehr häufig ein Symptom dafür, dass die Wachstumsperspektiven im Vergleich zum Rest der Welt positiv gesehen werden." Sie sei das Ergebnis von individuellen Entscheidungen der Haushalte und Unternehmen sowie der Kapitalanleger und wird erst dann zum Problem, wenn die Finanzierung Probleme bereitet.

Die Rolle der Kriegsgefahr

Aus dem latenten Risiko für das weltwirtschaftliche Gleichgewicht könnte im Falle eines Irak-Krieges eine offene Gefahr werden. Denn der könne laut Gern dazu führen, dass die Konsumneigung der Haushalte und die Investitionsneigung der Unternehmen in den USA zurückgehen. "Dann würde der Dollar weiter abgewertet und die Importnachfrage in den USA von dieser Seite gedämpft werden. Die Exportwirtschaft in anderen Ländern wäre in beiden Fällen negativ betroffen“, warnt Gern, denn US-Produkte sind im internationalen Vergleich noch immer sehr teuer.

Zwar hat der Dollar zum Euro stark abgenommen, gegenüber den Währungen der anderen Handelspartner hat er aber kaum an Wert verloren. Verstärkt wird der Trend zum höheren Außendefizit dadurch, dass in den USA schon schwaches Wachstum die Importe deutlich steigen lässt. Auf eher verhaltene Konjunkturaussichten in den USA deutet allerdings der vom US-Forschungsinstitut Conference Board veröffentlichte Sammelindex der Frühindikatoren hin. Der Index verharrte im Januar auf dem Niveau des Vormonats und unterbrach damit einen seit drei Monaten anhaltenden Aufwärtstrend.

Deutscher Exporterfolg am Ende?

Die deutschen Exporteure gehörten dabei auch zu den Gewinnern. Dabei macht der hohe Kurs des Euro zum Dollar den deutschen Ausfuhren bereits heute zu schaffen. Das sagte jüngst Anton F. Börner, Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels (BGA) in Berlin. Für die Ausfuhren in die USA, den wichtigsten außereuropäischen Handelspartner, befürchtet der BGA deshalb einen Rückgang um bis zu zehn Prozent.

Die deutsche Wirtschaft wird deshalb nicht aus der Stagnation kommen. Im ersten Quartal 2003 wird das Inlandsprodukt nach Berechnungen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) nicht wachsen. Für das gesamte Jahr reduzierten die Kieler Forscher ihre Wachstumsprognose von 1,0 auf 0,4 Prozent. Die Lage für die Weltwirtschaft beurteilen sie indessen etwas optimistischer. Im laufenden Jahr werde die Weltwirtschaft um 3,1 Prozent wachsen, wobei kräftige Impulse von den USA ausgehen würden. Die deutsche Konjunktur könnte sich nach Ansicht des IfW im kommenden Jahr beleben, wenn es noch im Frühjahr zu einer Entscheidung im Nahen Osten kommen würde, die nicht die gesamte Region destabilisiert. Dann würden auch die Ölpreise sinken, die derzeit bei rund 35 Dollar pro Fass stehen, im Vergleich zu 22 Dollar vor Jahresfrist. Viel hängt also vom Verhalten der USA ab.

Alles nur geborgt

Die niederländische Zeitung Volkskrant bemerkte jüngst kritisch: "Die USA sind eine Supermacht auf Kredit geworden. Jahrelang ging das gut. Frohgemut schleppten die Ausländer das Geld zur Wall Street." IfW-Experte Gern pflichtet dem prinzipiell bei: "Die USA sind eine Wirtschaft auf Pump in dem Sinne, dass die Nettoauslandsvermögensposition negativ ist und sich weiter verschlechtert." Dies könne gut gehen, solange das importierte Kapital rentabel investiert wird und so die Schulden bezahlt werden. Ob dies aber der Fall ist, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen: "Tendenziell haben sich verglichen mit der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre die Verhältnisse verschlechtert, da mit den Kapitalimporten immer weniger ein Finanzierungsdefizit des privaten Sektors, sondern eine zunehmende Staatsverschuldung finanziert wird." Das Haushaltsdefizit ist in der Tat durch viel ausländisches Geld mitfinanziert worden. 40 Prozent der amerikanischen Staatsobligationen gehören Investoren außerhalb der USA. Dies macht die derzeit politisch teilweise isolierten USA in ökonomischer Hinsicht verwundbar.