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"Visit Palestine": Historische Werbung in Israel

28. November 2017

In ihrer Heimat waren sie erfolgreiche Zeichner, Grafiker, Kaufleute. Dann kamen die Nazis. Eine Ausstellung in Israel zeigt, wie die sogenannten Jeckes etwas ganz Neues ins Land brachten: Reklame.

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Im Vordergrund: Ein historisches Werbeplakat mit der Aufschrift "Visit Palestine. See ancient beauty revived". Im Hintergrund der Ausstellungsraum im Jeckes-Museum in Tefen, Israel.
"Visit Palestine. See ancient beauty revived". Alles an diesem Werbeplakat für die Jewish Agency gestaltete Otte Wallish. Von der Zeichnung über die Schriftart bis zum Werbeslogan.Bild: DW/Sarah Hofmann

"Visit Palestine" – "besucht Palästina" steht in großen Lettern auf dem Plakat. "Palestine" ist besonders groß geschrieben und leuchtet in gelber Farbe, passend zu den Orangen gleich über der Schrift. Schnell ist dem Betrachter klar: Dieses Poster der Jewish Agency wirbt zwar offiziell für einen touristischen Besuch, doch es steckt viel mehr dahinter – die Sehnsucht nach dem Land Palästina. Ein Land, in dem die Orangenbäume blühen. Drei frisch gebaute Häuser sind zu erkennen, eine Wasserzisterne, eine kleine Siedlung. Der Anfang ist gemacht. Kommt und baut unser Land mit auf! So scheint dieses Plakat zu rufen.

Es stammt von Otte Wallish. Ein Grafiker, geboren 1906 im deutschsprachigen Sudetenland, dem heutigen Tschechien. Das Zeichnen lernte er beim Studium in Wien, arbeitete kurz darauf in Berlin, eröffnete dann eine eigene Werbeagentur in Prag. 1934 emigrierte er ins damalige Palästina. "Er war ein Zionist der ersten Stunde", sagt Ruthi Ofek, Leiterin des Jeckes-Museums in Tefen, Israel. Ein Museum, das sich einzig der Geschichte deutschstämmiger Juden in Israel widmet. Hier, im Norden des Landes, wird die Ausstellung mit dem Titel "Und jetzt zur Werbung" gezeigt. Rund 40 Poster und 80 bis 100 Produkte und deren Verpackungen umfasst sie. Darunter: Originalseifen, Rasierklingen, Waschmittelverpackungen und Cremedosen. Alles stammt aus den 30er, 40er und 50er Jahren. Und: Alles stammt von sogenannten Jeckes, deutschsprachigen Juden, die nach der Machtübernahme Hitlers nach Palästina auswanderten.

Ganzkörperfoto von Otte Wallish im Anzug in seiner Werbeagentur in Tel Aviv. (Foto: Jeckes Museum Tefen/Eri Wallish)
Otte Wallish leitete eine der erfolgreichsten Werbeagenturen des jungen Staates Israel.Bild: Jeckes Museum Tefen/Eri Wallish

Trugen die Jeckes eine Jacke?

"Woher der Begriff stammt, ist nicht eindeutig geklärt", sagt Moshe Zimmermann, Historiker und selbst Nachfahre solcher Jeckes. "Eine Erklärung lautet, Jecke stamme von der Abkürzung 'JKH' für jehudi kshe havana". Im Hebräischen "ein jüdischer Quadratschädel", einer, der schwer von Begriff ist. Diese hält der Historiker jedoch für unwahrscheinlich. Die sprachliche Verbindung zu den Jecken des rheinischen Karnevals hingegen sei möglich. Am wahrscheinlichsten jedoch sei, dass die Jeckes so hießen, weil sie eine Jacke trugen, während alle anderen nur ein Hemd anhatten. "Heute ist der Begriff positiv gemeint, man schätzt die deutschen 'Tugenden'. Damals aber war er eindeutig negativ besetzt", sagt Zimmermann. "Die Mehrheitsgesellschaft der frühen Einwanderer, die aus Osteuropa stammte, machte sich lustig über diese komischen Typen aus dem deutschen Kulturraum. Sie waren so fleißig, pünktlich, ehrlich und bürgerlich. Das war zumindest das Vorurteil."

Zwischen 1933 und 1941 flohen aus dem "erweiterten" Deutschen Reich, also auch aus Österreich, dem Sudetenland, Böhmen, aus Danzig und der Memelgegend rund 70.000 Juden nach Palästina. Viele von ihnen waren tatsächlich Akademiker – Ärzte, Juristen, Wissenschaftler – und Kaufleute. "Der Kapitalismus spielte für sie eine große Rolle", sagt Historiker Zimmermann. "Und zum Unternehmergeist gehörte auch, dass man Werbung machte, für das, was man produziert. Die deutsche Art von Reklame wurde importiert."

Mehr als Konsum: Werbung für die Staatsgründung

Historische Werbeplakate für den Lebensmittelhersteller Osem. Designt von Otte Wallish. Auf hebräisch steht rechts auf dem Plakat: "Osem gekauft ... gut gemacht". (Foto: DW/Sarah Hofmann)
Werbung für Produkte von Osem. Alles stammt aus der Feder von Otte Wallish. Auch der Slogan auf dem Plakat rechts: "Osem gekauft ... gut gemacht". Bild: DW/Sarah Hofmann

Otte Wallish, der Grafiker aus dem Sudetenland, wendete in der neuen Heimat das an, was er in der alten gelernt hatte. In Tel Aviv eröffnete er eine Werbeagentur. Er zeichnete Produkte, formulierte Slogans, setzte Schriftarten und verkaufte diese an große Firmen, die meist ebenfalls in der Hand deutschstämmiger Familien waren. So auch die Firma "Osem", bis heute einer der größten Lebensmittelproduzenten in Israel. Als sie Mitte der 90er Jahre von Nestlé aufgekauft wurde, war dies für viele eine nationale Tragödie. Gegründet wurde sie von sieben Unternehmern, allesamt Jeckes. Sie kannten Werbung bereits aus ihren Heimatländern. In Israel hingegen war das Konzept noch ganz neu. Und es erhielt eine Bedeutung, die es in Europa noch nicht gehabt hatte.

"Es geht um viel mehr als um Konsum", sagt Museumsleiterin Ofek, "alle Reklameplakate, die Sie hier sehen, sind irgendwie mit dem Zionismus verbunden." Die Zigaretten heißen "Aliyah" so wie die jüdische Emigration ins Land Israel genannt wird, oder "Atid". Auf Hebräisch heißt das "Zukunft". "Man möchte ein neues Land aufbauen, das spürt man auch in der Werbung".

Otte Wallish tat dies im wahrsten Sinne des Wortes. Als Staatsgründer David Ben-Gurion am 15. Mai 1948 die Unabhängigkeitserklärung verlas, da las er auch die Buchstaben von Otte Wallish. Er hatte das Dokument gestaltet. Es folgten die ersten Briefmarken und die ersten Wahlplakate des jungen Staates – alle gezeichnet im Büro Wallish.

"Aber, ob er dafür jemals Geld gesehen hat?", fragt Ruthi Ofek. "Ich bin mir nicht sicher." Gelebt habe er sicherlich von dem, was ihm die Firmen für seine Reklame bezahlten. Als Otte Wallish 1977 in Tel Aviv starb, führte sein Sohn Eri die Werbeagentur weiter. Die ersten Plakate und Produktdesigns des Vaters hob er auf. Heute stehen sie als Leihgabe im Jeckes-Museum.