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VR: Zukunft der Kunst?

Rachel Stewart hm/pj
22. März 2017

Hat eine virtuelle 3D-Skulptur denselben künstlerischen Wert wie eine handgefertigte Tonfigur? Die DW hat mit vier Künstlern über die Zukunft der VR-Kunst gesprochen, die längst auch in Ausstellungen auftaucht.

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VR artist Stuart Campbell
Bild: Sutu

2017 könnte als das Jahr in die Geschichte eingehen, in dem die Kunst virtuell wurde. Immer mehr namhafte Galerien nehmen Kunstwerke der virtuellen Realität (VR-Kunstwerke) in ihre Ausstellungen auf. Die Whitney-Biennale in New York stellt gerade ein Werk des US-Künstlers Jordan Wolfson aus. Bei Sotheby's in London konnten Zuschauer Salvador Dalís "Moment de Transition" in einer VR-Version erleben. Im Januar stellte der New Yorker Künstler KAWS sein VR-Projekt in der New York Public Library vor, und die Londoner Akademie der Künste brachte sogar Kunstwerke aus ihrer Ausstellung "Virtually Real" zurück in die Realität - mit Hilfe von 3D-Druckern.

Ausgestattet mit Headsets, Bewegungssensoren und speziellen technischen Schnittstellen erforschen Künstler und Designer das neue Medium der VR. Die DW hat mit vier von ihnen darüber gesprochen, was diese Entwicklung für die Kunstwelt bedeutet.

Der virtuelle Illustrator

Stuart Campbell
Sutu: Von Graphic-Novels zur VR-KunstBild: Sutu

Im australischen Outback würde man nicht gerade einen Künstler vermuten, der an neuesten technologischen Entwicklungen feilt - aber der Graphic Novel-Zeichner und Illustrator Stuart Campbell alias Sutu arbeitet tatsächlich in einem Haus inmitten der Einöde. "Ich zeichne schon sehr lange und übersetze meine Fähigkeiten in ein neues Medium", sagt der 36-Jährige. "Ich bewege mich plötzlich in einem dreidimensionalen Raum und meine Grafiken schweben um mich herum. Daran muss ich mich natürlich noch gewöhnen." Trotz virtueller Realität bricht Sutu sein Werk genau wie in der realen Welt auf ein simples Prinzip herunter: Er will Geschichten erzählen.

Stuart Campbell

Virtuelle Realität eignet sich dafür besonders gut, schließlich kann man fast gänzlich in sie eintauchen: Alles, was ihre Nutzer sehen, hören oder sogar fühlen, kann vom Künstler beeinflusst werden. Gleichzeitig werden ihre User aber auch unruhig, wenn sie sich im virtuellen Raum nicht frei genug bewegen können. "Man gibt dem Betrachter eine gewisse Entscheidungsfreiheit. Gleichzeitig will man aber auch nicht, dass dadurch der Ablauf der Geschichte gestört wird", so Sutu. "Es ist ein Balanceakt, VR-Kunst für die Leute gerade intuitiv genug zu machen, dass sie nicht zu viel darüber nachdenken müssen, wie sie damit interagieren."

Der virtuelle Maler

Liz Edwards
Liz Edwards - Grenzen zwischen Künstler und Kunst aufhebenBild: Privat

"Momentan geht jeder von uns seinen ganz eigenen Weg - das ist erstaunlich und erschreckend zugleich," sagt die britische VR-Künstlerin Liz Edwards. Die 27-Jährige, die momentan in Montreal lebt, fing als 3D-Programmiererin in der Videospiel-Industrie an, ehe sie sich für VR-Kunst entschied. "Ich habe immer gezeichnet, gemalt und war bildhauerisch tätig", so Edwards. "Das macht VR-Kunst für mich so attraktiv. Sie ist zwar digital, aber es geht darum, etwas mit deinen Händen zu machen. Die Grenze zwischen dir und deiner Kunst verschwimmt."

Liz Edwards

Edwards ist beeindruckt von der Vielseitigkeit des Mediums und verweist auf die Bandbreite der bereits verfügbaren Inhalte - von abenteuerlichen Reisen zur Internationalen  Raumstation ISS über 3D-Scans der verschiedensten Orte auf der Welt bis hin zu kreativen Tools oder umfassenden Videospiel-Erlebnissen. Edwards ist der Meinung, dass VR anderen Technologiebereichen auch in Sachen Gleichberechtigung einen Schritt voraus ist: "Es gibt eine Menge einflussreicher Frauen auf diesem Gebiet. Die VR-Industrie ist sehr offen und einladend".

Der virtuelle Bildhauer

Gio Nakpil
Gio Nakpils Monster haben es sogar in Hollywood-Filme geschafftBild: Privat

Ein weiterer Anhänger der VR-Kunst ist der 40-jährige Gio Nakpil. Er ist auf den Philippinen geboren und in Kanada aufgewachsen, inzwischen lebt er in den USA. Für ihn sollte Kunst "das Offenste und persönlich Ansprechendste sein, was man mit anderen Menschen überhaupt teilen kann". Aber wie kann VR-Kunst, mit ihrem teuren technischen Equipment und dem isolierten Zugang durch ein Headset, diese idealistische Vorstellung erfüllen?

"Der Preis für die Hardware der VR-Kunst wird in Zukunft runter gehen", sagt Nakpil. "Wenn sich die Dinge weiterentwickeln, könnte ich mir zumindest vorstellen, dass sie leichter verfügbar werden. So wie ein Videospiel, bei dem ich in einem Zimmer ganz für mich sitze und stundenlang entwerfe. Aber auch die soziale Ebene an Möglichkeiten wird sich entwickeln. Man wird sich mit Freunden mit einer Bildhauer-Truppe treffen und abhängen können und dabei gemeinsam virtuelle Monster am Bildschirm entwerfen."

VR art: Gio Nakpil

Vom Kreieren solcher Monster versteht Gio Nakpil besonders viel. Seine virtuellen Figuren haben ihren Weg sogar bis nach Hollywood gefunden. Sie tauchen zum Beispiel in den Filmen "The Avengers" und "Star Wars" auf. Inzwischen entwirft Nakpil auch andere übernatürliche Wesen für die Experimental-Sparte der Technik-Company "Oculus".

"Technische Grenzen, wie bei 2D-Versionen, gibt es nicht mehr", sagt Nakpil über seine neuartige Arbeitsweise. "Jetzt kann ich eine Szene in VR entwerfen und jeder, der das betrachtet, fühlt sich, als stünde er direkt vor einem neun Fuß hohen Menschenfresser." Gios künstlerische Vorbilder sind dabei klassische Bildhauer wie Michelangelo oder Beth Cavener Stichter. 

Der virtuelle Kurator

Philip Hausmeier
Philip Hausmeier surft mit auf der aufregenden VR-WelleBild: Philip Hausmeier

"Die Kraft der virtuellen Realität besteht darin, dass sie über das Bewusstsein hinaus geht", sagt Philip Hausmeier, zeitgenössischer deutscher VR-Künstler aus Berlin. "Sie verstärkt deine Gefühle, weil sie dich körperlich wirklich stark beeinflusst." Zuvor betrieb der Absolvent der Kunstakademie auch Bildhauerei und fertigte Kunst-Installationen. Aber als die erste Version des "Oculus-Rift-VR-Headset" vor ein paar Jahren herauskam, fällte er eine mutige Entscheidung, nämlich, in die VR-Kunst zu wechseln. "Ich sah das Potential, das da drin steckt", erklärt er. "Du kannst physikalische Grenzen sprengen und virtuelle Räume schaffen, die nie zuvor existiert haben."

Hausmeier brachte sich selbst bei, das entsprechende VR-Equipment und die Programme zu nutzen, sobald sie veröffentlicht werden. Er gründete eine Firma, die im letzten Jahr die erste virtuelle Ausstellung zeitgenössischer Kunst kuratierte. Die Ausstellung lief in Kalifornien und Madrid und wird diesen Sommer auch in Deutschland gezeigt, im Zentrum für Kunst und Medien in Karlsruhe

The virtual curator

"Ich denke, VR-Kunst wird bald als Teil der Kunst akzeptiert sein", sagt Hausmeier. "Es hängt nur davon ab, wer sie macht. Das ist alles noch in einem sehr frühen Stadium, Künstler und Kuratoren haben die VR-Kunst erst seit ein, zwei Jahren auf dem Schirm. Gib ihr noch einmal fünf Jahre und wir stehen an einer ganz anderen Stelle in der Kunst."

Philip Hausmeier hat längst verstanden, wie wichtig es ist, innerhalb der VR-Kunst-Szene gut vernetzt zu sein, um diese noch sehr junge Künstlerbewegung zu fördern. In Berlin hat er einen sehr populären VR-Treffpunkt gegründet und hofft nun, dort eine Datenbank für VR-Künstler und Kreative entwickeln zu können.

"VR zieht eine Menge höchst interessanter experimenteller Leute an - nicht nur Künstler, sondern auch Programmierer und Indie-Gamer, die hochkreative Arbeit machen, so wie Filmemacher eben", erzählt Hausmeier. "Und auf dieser Welle mit zu surfen, ist ziemlich aufregend."