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Vietnam Menschenrechte

Rodion Ebbighausen18. Dezember 2012

Deutschland will die Beziehungen zu Vietnam vertiefen und fordert die politische Öffnung des Landes. Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik, hat Vietnam vor kurzem besucht.

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Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe. (Foto: AA)
Markus Löning, Beauftragter der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre HilfeBild: Auswärtiges Amt

DW: Als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung sind Sie in der vergangenen Woche mehrere Tage in Vietnam gewesen. Die wirtschaftlichen Probleme machen die vietnamesische Regierung nervös. Sie geht mit drakonischen Haftstrafen gegen Blogger vor und versucht, jede Kritik im Keim zu ersticken. Welche Möglichkeiten haben Sie bzw. die Bundesrepublik, daran etwas zu ändern?

Markus Löning: Ich habe in Vietnam ein Land erlebt, das in vielerlei Hinsicht im Aufbruch ist. Besonders was die Wirtschaft angeht, hat es in den letzten 25 Jahren, auch wenn es jetzt auch eine konjunkturelle Delle gibt, riesige Fortschritte gemacht und viele Menschen aus der Armut befreit. Das eröffnet den Bürgern eine andere Perspektive: Sie verlangen jetzt auch in der Politik mehr Mitsprache. Sobald es sich aber um kritische Fragen handelt, die sich auf die Staatsführung beziehen, in denen es um Pluralismus oder Demokratie geht, in denen das Verhältnis zu China thematisiert wird, kurz, wenn es um das Machtmonopol der kommunistischen Partei geht, dann findet eine harte Repression statt.

Ich habe selbst erlebt, dass Leute, die ich besuchen wollte, Besuch von der Geheimpolizei bekommen haben. Es hieß: "Wir wollen nicht, dass du den deutschen Besucher triffst."

Es ist wichtig, klar zu machen: Wir wollen die Beziehungen zu Vietnam vertiefen. Dazu gehört aber auch, dass Vietnam in Sachen Menschenrechte eine Kurskorrektur vornimmt. Wir haben das Beispiel Myanmars in der unmittelbaren Nachbarschaft, wo die Pressezensur aufgehoben und politische Gefangene entlassen wurden. Vietnam muss sich, wenn es eine politisch wichtigere Rolle spielen will, auf den gleichen Weg machen und sich öffnen. Das ist eine Botschaft, die wir immer wieder übermitteln.

Sprechen Sie mit dem Vertreten der vietnamesischen Regierung auch über Einzelfälle oder bleiben Sie auf der Ebene einer allgemeinen Menschenrechtspolitik?

Es gibt sowohl eine Einzelfallliste Deutschlands als auch eine Einzelfallliste der Europäischen Union, die die Vietnamesen kennen. Ich beziehe mich auf diese Liste, habe aber keine Einzelfälle mit den Vertretern der vietnamesischen Regierung diskutiert. Die Liste dient als Referenzpunkt. Ich habe immer gesagt: "Das sind die Leute, die ihr freilassen müsst und um die es uns geht." Es sind Menschen, die sich für Pluralismus, Demokratie und für die Menschenrechte eingesetzt haben.

Wie reagieren die vietnamesischen Gesprächspartner darauf?

Das ist sehr unterschiedlich. Mal wird alles abgestritten, mal wird gesagt, diese Leute hätten gegen Gesetze verstoßen. Es sind die üblichen Ausreden, die ich in allen autoritären Staaten dieser Welt immer wieder zu hören bekomme. Es heißt: "Diese Leute sind nicht im Gefängnis wegen ihrer politischen Ansichten, sondern weil sie gegen Gesetze verstoßen haben."

Meine Gesprächspartner wissen natürlich auch, dass das vorgeschobene Begründungen sind. Das merkt man einfach in diesen Gesprächen. Wichtig dabei ist aber, dass man die Botschaft immer wieder wiederholt. Dann wird am Ende des Tages, hoffe ich, auch etwas ankommen.

Die kritischen Töne der deutschen Regierung gegenüber etwa Russland und China sind in den vergangenen Jahren leiser geworden. Wie verhält es sich damit in Vietnam? Haben Sie in Hanoi mehr Spielraum als in Moskau oder Peking?

Ich habe überall den gleichen Spielraum und kann sagen, was gesagt werden muss. Ich glaube auch nicht, dass die Töne der Bundesregierung gegenüber Moskau oder Peking leiser geworden sind. Im Gegenteil, gerade gegenüber Russland ist der Ton, seitdem Angela Merkel Bundeskanzlerin geworden ist, sehr viel klarer geworden

Auch was China angeht, erzählen mir chinesischen Dissidenten immer: "Es ist sehr gut, dass ihr die Dinge so klar und deutlich ansprecht."

Mein Grund nach Vietnam zu reisen, war eigentlich der, dass Vietnam ein wenig davon profitiert, dass es im Windschatten von China liegt und die Leute oft gar nicht wissen, dass auch Vietnam ein sehr autoritäres Regime mit einer harten Verfolgung von Regimegegnern ist. Darauf wollte ich das Augenmerk lenken. Es kann nicht sein, dass wir mit China Klartext reden und bei Vietnam nichts sagen.

In Deutschland leben zwischen 100.000 und 125.000 Vietnamesen und Deutsche mit vietnamesischen Wurzeln. Aus der Geschichte ergibt sich vor allem zwischen Ostdeutschland und Vietnam eine enge Verbindung. Folgt daraus nicht eine besondere Verantwortung für Deutschland? Wie will Deutschland dieser Verantwortung auch zukünftig gerecht werden?

Es gibt auf der einen Seite die ehemaligen Vertragsarbeiter und auf der anderen die ehemaligen 'boat people'. Wir haben also eine große vietnamesische Gemeinschaft hier in Deutschland. Das ist eine Brücke, die die Verbindung zwischen beiden Ländern intensiviert. Das verstärkt unser Interesse an Vietnam, und umgekehrt sieht man auch aus vietnamesischer Perspektive, dass es eine belastungs- und tragfähige Brücke ist.

Sehen Sie dadurch eine besondere Chance, mit der Menschenrechtspolitik auf Vietnam zu wirken?

Ohne Zweifel. Es gibt diese enge Verbindung zwischen unseren Ländern, die Deutschland nicht mit vielen Ländern weltweit hat. Es bedeutet eine besondere Verantwortung und ein besonderes Interesse, aber eben auch eine besondere Chance, etwas in Vietnam zu erreichen. Wir sind aus vietnamesischer Sicht nicht nur ein wichtiger Handelspartner und politischer Player, sondern eben auch der Ort, an dem sehr viele Deutsche vietnamesischer Abstammung leben.