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Militärdienstverweigerer in Israel

Das Gespräch führte Diana Hodali / mp19. März 2009

Immer mehr junge Israelis verweigern den Militärdienst in ihrem Land. Der Deutsch-Israeli Gabriel Wolff im Interview mit DW-WORLD.DE über die Gründe und Auswirkungen seiner Verweigerung

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Israelischer Soldat schaut auf Ramallah, Foto:Ap
Israelische Männer gehen drei Jahre zur Armee, die Frauen müssen zwei Jahre zum MilitärBild: AP

DW-WORLD.DE: Herr Wolff, Sie haben sich dazu entschlossen, den Kriegsdienst in Israel zu verweigern. Warum haben Sie das gemacht?

Ich habe 2001 verweigert. Ich habe damals vor allem verweigert, weil die israelische Besatzung meiner Meinung nach den Palästinensern Unrecht tat - und das heute noch tut. Am Anfang hatte ich vor, nur nicht in den besetzten Gebieten zu dienen. Dann bin ich aber zu dem Entschluss gekommen, dass egal wo ich den Militärdienst absolviere, also auch in Tel Aviv, ich der Besatzung diene und deshalb überhaupt nicht dienen will.

Wie kam es zu der Entscheidung und was ist passiert, nachdem Sie den Kriegsdienst verweigert haben?

Als ich zwölf war, bin ich nach Israel immigriert und hatte von Anfang an ein ungutes Gefühl gegenüber der israelischen Besatzung. Als ich etwa 15 Jahre alt war, habe ich mich viel in Palästina bzw. in den besetzten Gebieten, für humanitäre Projekte eingesetzt. Ich habe gesehen wie die Leute dort leben, und wie schwer es ihnen gemacht wird, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Wenn man in Israel 17 Jahre alt ist, muss man sich mustern lassen. Mit 18 Jahren wird man dann eingezogen. Während der Musterung, die mehrere Monate dauert, bin ich zu dem Entschluss gekommen, zu verweigern. Danach haben sie mich ein Jahr lang hingehalten. Sie haben versucht mich davon zu überzeugen, nicht zu verweigern. Außerdem haben sie versucht, mich als verrückt einzustufen.

Kriegsdienstverweigerer Gabriel Wolff Israel
Der Deutsch-Israeli Gabriel Wolff hat den Militärdienst verweigertBild: DW/Wolff

Wer hat denn versucht Sie hinzuhalten?

Das waren Offiziere, die ich zu allen Möglichen Anlässen getroffen habe. Ich habe verschiedene Tests gemacht. Am Anfang haben sie versucht mich für einen bestimmten Dienst einzustufen und haben mir immer mehr versprochen. Als sie gesehen haben, dass ich mich nicht dazu überreden lasse in der Armee zu dienen, haben sie mir immer wieder Einzugsdaten geschickt. Die haben sie dann später wieder zurückgezogen. Nach einem Jahr wurde ich für zweieinhalb Monate ins Gefängnis gesteckt und dann haben sie mir gesagt, ich könne gehen, aber ich sollte Israel möglichst verlassen.

Haben Sie denn so etwas wie einen Verweigerungsbrief geschrieben, oder wie ist das formal abgelaufen?

Ja, ich habe einen Verweigerungsbrief geschrieben. Den habe ich an verschiedene Leute gesandt; zum Beispiel an den Sicherheitsminister, an das Militär selbst und an verschiedene Menschenrechtsorganisationen. Den Brief haben sie gelesen und haben mich dann zu einem Komitee eingeladen. Das Komitee hat mich eigentlich nur gefragt, ob ich Pazifist bin. Was ich nicht bin. Als ihnen klar war, dass ich keine pazifistischen Ideen habe, haben sie mich nicht vom Dienst befreit.

Gelten denn für Frauen, die ja in Israel auch zum Militär müssen, die gleichen Regelungen?

Im Gunde ja, praktisch gesehen ist das aber etwas anders. Heute hat sich die Situation aber wieder geändert. Damals war es so, dass Frauen grundsätzlich nicht ins Gefängnis gesteckt wurden. Das heißt, eine Frau konnte einfach verweigern und wurde dann entlassen. Heute gibt es immer mehr Frauen, die auch ins Gefängnis müssen, weil sie verweigern.

Wie haben denn ihre Freunde, Verwandten und ihr ganzes Umfeld darauf reagiert? Ich nehme an, dass die meisten in Israel den Militärdienst nicht verweigern.

Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten den Armeedienst in Israel nicht zu machen: Die eine ist die offizielle Verweigerung. Die andere Möglichkeit nicht zum Militär zu gehen ist, sich als verrückt einstufen zu lassen. Das hat das Militär relativ gerne, weil so die Öffentlichkeit nicht damit konfrontiert wird. Viele meiner Freunde haben den Armeedienst nicht gemacht. Es gab aber einige Leute, die mit meiner Verweigerung nicht einverstanden waren. Unter anderem auch meine Mutter. Aber niemand hat den Kontakt zu mir abgebrochen. Ich hatte danach auch keine Probleme Arbeit zu finden. Ich hätte auch den Führerschein machen können, alles Mögliche. Die Verweigerung hatte schließlich keine großen Auswirkungen auf mein ziviles Leben.

Hatten Sie denn Sorge, dass das Auswirkungen auf ihr ziviles Leben gehabt hätte?

Israelische Soldaten mit Munition
Israelische Soldaten im EinsatzBild: picture-alliance / dpa

Ja natürlich! Viele Israelis glauben daran. Denn diese Lüge, dass jeder, der nicht in der Armee dient, später große Probleme im zivilen Leben haben wird, wird immer wieder erzählt. Das heißt, dass man keinen Führerschein machen kann, dass man keine Arbeit finden wird, dass man von allen Freunden verlassen wird. Die Wahrheit ist jedoch, dass viele Israelis nicht dienen. Das sagt die Armee auch offiziell und das ist auch ein Thema in den Medien. Doch die meisten Israelis haben immer noch sehr viel Angst davor, nicht zur Armee zur gehen und sich deswegen Probleme einzuhandeln.

Sie leben jetzt in Holland. War ihre Verweigerung unter anderem auch ein Grund dafür, dass sie nach Holland gegangen sind?

Nein, in keiner Weise. Ich habe, nachdem ich verweigert habe, noch knapp acht Jahre in Israel gelebt. Die Entscheidung nach Holland zu gehen war eine rein professionelle Entscheidung. Ich bin Tangomusiker und studiere in Holland Tango, weil es hier möglich ist.

Glauben Sie denn, dass die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer in Israel wächst?

Ja, auf jeden Fall. Es gibt immer mehr Leute, die einfach nicht zur Armee wollen. Denn zum Beispiel ein 18 jähriger, der drei Jahre lang zur Armee geht, hat drei Jahre seines Lebens verloren. Das ist schon viel. Es gibt aber auch immer mehr Verweigerer, die offiziell, also öffentlich verweigern. Ich glaube der Grund dafür ist, dass die Öffentlichkeit, das „offizielle Israel“, immer größere Probleme damit hat, die Situation mit eigenen Mittlern zu klären. Das heißt, immer mehr Leute sehen, dass da etwas im Argen liegt. Immer mehr Leute verstehen, dass sich die Palästinenser nicht einfach aus reinem Antisemitismus so benehmen, wie sie es tun. Durch das Internet und das Fernsehen gibt es trotz Zensur immer mehr Möglichkeiten die Situation so zu sehen, wie sie wirklich ist. Und nicht so, wie es das "offizielle Israel" darstellen will.

Gabriel Wolff ist Deutsch-Israeli und 26 Jahre alt. Im Alter von zwölf Jahren ist er nach Israel gezogen und hat dann dort mit 18 den Militärdienst verweigert. Jetzt lebt und studiert er in den Niederlanden.