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Russland vor Wahlen

22. September 2010

In Russland herrscht Wahlkampf, nicht nur wegen mehrerer Regionalwahlen am 10. Oktober. Vielmehr haben Putin und Medwedew das Rennen um die Präsidentschaft schon eröffnet. Die Opposition rüstet sich gegen das Tandem.

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Ein Stimmzettel wird in eine Wahlurne in einem russischen Wahllokal geworfen (Foto: dpa)
Russland vor wichtigen WahlenBild: dpa

Präsident Dmitrij Medwedew und Premier Wladimir Putin präsentieren sich in letzter Zeit zunehmend als Krisenmanager. So verstärkte Putin während der Bekämpfung der Waldbrände seine Medienpräsenz. Ebenfalls medienwirksam kontrollierte Medwedew vor dem Hintergrund steigender Lebenshaltungskosten beispielsweise persönlich Preise in Supermärkten.

Besser komme über die Medien aber Putin an, meint der russische Politikexperte Pawel Tolstych. Medwedew könne mit Putin nicht mithalten, außerdem habe er nicht das Zeug zu einem russischen "Macho". Nun sei Putins Zeit gekommen und für Medwedew der Moment, in der Medien-Präsenz den zweiten Platz einzunehmen, und dies sei abgesprochen. "Zwischen Putin und Medwedew gibt es die Abmachung, dass Putin im Jahr 2012 nächster Präsident Russlands wird", so Tolstych. Konflikte innerhalb des Kreml oder der Regierung gebe es keine.

Opposition gewinnt an Bedeutung

Aber nicht alle Beobachter teilen diese Einschätzung und sehen durchaus mögliches Konfliktpotential. Putin stehe für eine konservative Modernisierung und Medwedew für eine liberale, meint der Russland-Experte Alexander Rahr. Die Wähler würden allmählich die Unterschiede und politischen Nuancen im Tandem Medwedew-Putin wahrnehmen, was sich auf deren Ansichten und Wünsche auswirke.

Dmitrij Medwedew und Wladimir Putin sitzen an einem Tisch (Foto: AP)
Dmitrij Medwedew und Wladimir Putin verstärken ihre Präsenz in den russischen MedienBild: AP

Die Ergebnisse der Regionalwahlen im Frühjahr 2010 hätten gezeigt, dass sich die politische Atmosphäre in Russland verändere, so Rahr. Die Putin-Partei "Einiges Russland" habe zwar im Wesentlichen diese Wahlen gewonnen, aber die Opposition habe ernstzunehmende Ergebnisse erreicht und sei zu einer echten politischen Opposition im Land geworden.

Schikane gegen Oppositionelle

Auch bei den jetzigen Regionalwahlen wollen Oppositionelle wieder antreten. Aleksandr Kynjew von der russischen NGO "Golos" (Stimme), die sich für den Schutz der Rechte von Wählern einsetzt, beklagt, dass viele oppositionelle Kandidaten nicht zugelassen worden seien.

"Beispielsweise erhielt ein Kandidat für das Bürgermeisteramt in Samara keine Zulassung, weil in seinem Personalausweis vermerkt ist, dass sein Reisepass abgelaufen ist. Die Behörden erklärten deswegen den Personalausweis für ungültig, obwohl sie selbst den Vermerk vorgenommen hatten", berichtete Kynjew. Andere Kandidaten sollen angeblich die Anträge nicht selbst unterschrieben haben, oder die Abkürzungen für "Wohnung" oder "Haus" in den Angaben zur Adresse weggelassen und somit unvollständige Angaben gemacht haben.

Hält das neue Oppositionsbündnis?

Aber die Oppositionellen in Russland wollen sich gegen Behördenwillkür rüsten und rücken zusammen. Am 16. September wurde das Bündnis "Für ein Russland ohne Willkür und Korruption" gegründet, das sich aus der Solidarnost-Bewegung, der Republikanischen Partei, der Bewegung für eine freie Wahl sowie der Demokratischen russischen Volksunion zusammensetzt.

Wladimir Ryschkow, Michail Kassjanow, Boris Nemzow und Wladimir Milow bei einer gemeinsamen Pressekonferenz (Foto: AP)
Wladimir Ryschkow, Michail Kassjanow, Boris Nemzow und Wladimir Milow gründen BündnisBild: AP

Neben der Bewegung "Anderes Russland" stellt das neue Bündnis einen weiteren Versuch dar, die Oppositionskräfte gegen die beiden großen systemtreuen Parteien "Einiges Russland" und "Gerechtes Russland" zusammenzuschließen. Der russische Politologe Leonid Radsichowskij weist darauf hin, dass in Vergangenheit solche Bündnisse meist an persönlichen Ambitionen einzelner Oppositionsführer gescheitert waren. "Jeder wollte der Chef sein", so der Experte. Den jetzigen Zusammenschluss bezeichnet er als "letzten Versuch".

Keine Illusionen

Das neue Bündnis will als Partei zugelassen werden, um bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr antreten und auch bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2012 einen gemeinsamen Kandidaten aufstellen zu können. Dieser könnte Boris Nemzow, Michail Kassjanow oder Wladimir Ryschkow heißen, wird schon jetzt in oppositionellen Blogs diskutiert.

Man mache sich allerdings keine Illusionen, betonte Wladimir Milow vom Bündnis "Für ein Russland ohne Willkür und Korruption", die Mehrheit in Russland würde nach wie vor für Putin oder Medwedew stimmen. Die Wahlkämpfe würden der Opposition aber trotzdem die Möglichkeit bieten, sich für Veränderungen einzusetzen.

Autor: Markian Ostaptschuk
Die Interviews führten Jegor Winogradow und Sergej Morosow
Redaktion:Gero Rueter