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Vertriebene Donauschwaben besuchen die Vojvodina

27. Oktober 2005

Rund 200 Donauschwaben verbrachten diese Woche drei Tage in der Vojvodina. Dort besuchten sie ihre alte Heimat. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren sie aus Jugoslawien vertrieben worden.

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Eine Reise zu den Wurzeln auf einem DonauschiffBild: Dinko Gruhonjic

Beim Empfang im Vojvodina-Parlament erklärte der Präsident des Provinz-Parlaments, Bojan Kostres, seinen Gästen: "Ich bin erfreut, dass in der Vojvodina die Zeit gekommen ist und die Bedingungen dafür geschaffen wurden, dass viele Menschen, die aus der Vojvodina stammen, hier geboren sind, nun die Gelegenheit erhalten, die Vojvodina zu besuchen und zu sehen, wie es heute hier ist. Sie können ihre Geburtsorte und Häuser, in denen sie aufgewachsen sind, besuchen und sehen, wie sich die Vojvodina verändert hat".

Rehabilitation unschuldiger Opfer zugesichert

Vertreter der Vojvodina-Regierung sicherten zu, dass sie alles unternehmen würden, damit alle unschuldigen Opfer unter den Donau-Schwaben, Ungarn, Serben und Angehörigen weiterer nationaler Minderheiten rehabilitiert würden. Bojan Kostres bedankte sich bei einem Vertreter der Donauschwaben, Robert Lahr, der in Kucura bei Vrbas geboren wurde. Als er fünf Jahre alt war, wurde er mit seiner Familie von dort vertreiben. Ungeachtet dessen engagierte sich Lahr in den vergangenen zehn Jahren für seine alte Heimat und sammelte humanitäre Hilfe für die arme Bevölkerung seines Geburtsortes. Lahr erzählte der Deutschen Welle Erinnerungen aus seiner frühesten Kindheit: "Ich erinnere mich ans Spielen auf der Straße, zusammen mit den Nachbarskindern. Ich erinnere mich an die Liebe und die Fürsorge meiner Mutter, den schönen Ort Kucura, wo wir lebten. Ich erinnere mich, dass mich meine Eltern immer zum Kindergarten bringen mussten. Denn wenn sie mich allein gehen ließen, kam ich dort nie an, und sie fanden mich am anderen Ende des Dorfes".

Historiker tauschen sich auch

Im Rahmen des Besuchs ist auch eine Diskussion am Runden Tisch mit Historikern organisiert worden unter dem Titel "60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg". Dabei tauschten deutsche und serbische Historiker ihre Erfahrungen und Standpunkte über die Ereignisse in der Vojvodina unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg aus. Ranko Koncar, Historiker und Direktor des Vojvodina-Museums, sagte, die Vertreibung der Deutschen habe die Vojvodina "historisch und gesellschaftlich verarmt".

Josef Wolf vom Institut für Donauschwäbische Geschichte und Landeskunde in Tübingen sagte, in Deutschland habe erst nach der Wiedervereinigung eine freiere und andere Diskussion über den Weltkrieg begonnen, beziehungsweise darüber, dass Deutschland unmittelbar nach dem Krieg 13 Millionen vertriebener und flüchtiger Landsleute aus ganz Europa aufnehmen musste. "Die Deutschen haben das Recht, über ihr Leid nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprechen. Allerdings nur unter der Prämisse, dass der ursächliche Zusammenhang klargestellt wird. Das heißt, es darf niemals vergessen werden, dass die Vertreibungen das Ergebnis dessen sind, was Deutschland mit dem Zweiten Weltkrieg initiiert hatte".

Den Besuch der Donau-Schwaben in der Vojvodina, die nach Novi Sad mit dem Schiff gekommen sind, organisierte die deutsche Evangelische Kirche und Vertreter der Konrad-Adenauer-Stiftung. Die Stiftung unterstützte das Diskussionsforum der Historiker. Angeregt wurde für die Zukunft eine ökumenische Zusammenarbeit der Kirchen, die in vielerlei Hinsicht dazu beitragen könne, die Beziehungen zu normalisieren.

Dinko Gruhonjic, Novi Sad
DW-RADIO/Serbisch, 26.10.2005, Fokus Ost-Südost