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Politik

von der Leyen enttäuscht Reservisten

16. Mai 2017

Rechtsradikale Umtriebe, eine mögliche Terrorzelle, Wehrmachtsdevotionalien und eine Verteidigungsministerin, die auf Distanz zu ihrer eigenen Truppe geht. Von der Leyen kämpft um Vertrauen, auch bei den Reservisten.

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Parlamentarischer Abend des Bundeswehr-Reservistenverbandes
Bild: Picture alliance/dpa/M. Gambarini

Der Termin ist Tradition: Parlamentarischer Abend des Verbandes der Reservisten. Gewöhnlich ist das ein nettes Get-Together von Soldaten, Ex-Soldaten und weiteren Gästen: offenes Buffet, Bier vom Fass, nette Plaudereien und eine Rede, die oft im Geplapper untergeht. Der Chef oder die Chefin der Truppe spricht. Aber an diesem Abend in der Landesvertretung Baden-Württemberg in Berlin ist alles anders. Weil bei der Bundeswehr im Moment alles anders ist.

Verteidigungsministerin unter Druck

Ende April war Oberleutnant Franco A. festgenommen worden, unter Terrorverdacht. Der mutmaßliche Rechtsextremist führte offenbar ein Doppelleben als syrischer Flüchtling und Soldat, er soll "eine schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet haben, wie die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mitteilte, die die Ermittlungen übernommen hat. Gemeint ist damit ein Angriff auf das Leben von Politikern und Personen des öffentlichen Lebens.

Möglicherweise handelt es sich sogar um ein ganzes Netzwerk von Rechten in der Bundeswehr, was schlicht nicht auffiel. Andere sagen: Die Verantwortlichen in der Bundeswehr haben weggesehen. Die Verteidigungsministerin unterstellte schnell der eigenen Truppe ein "Haltungsproblem" und "Führungsschwache". Das kam bei den Soldatinnen und Soldaten ganz schlecht an. 

Frankreich Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Illkirch
Bundesverteidigungsministerin von der Leyen machte sich in der Illkirch-Kaserne selbst ein BildBild: Reuters/V. Kessler

"Es gibt keinen Minister oder keine Ministerin, die der Truppe einen solchen Schaden zugefügt hat", sagt Henning Bess freimütig. Er ist ehemaliger Flottillenadmiral. Die Erwartungen der Reservisten und Soldaten an die Rede der Ministerin, die sogar schon als mögliche Nachfolgerin von Angela Merkel gehandelt wurde, sind deshalb groß. Der Präsident des Reservistenverbandes, Oswin Veith, stellt sich hinter die Verteidigungsministerin. "Ich begrüße es, dass Ministerin von der Leyen so beherzt auf den Skandal reagiert hat", sagt er. Die Stimmung vieler Reservisten trifft er damit nicht unbedingt. 

Wehrmachtstraditionen sollen endlich Geschichte sein

Manche in der Truppe nennen sie nur noch die "Eisprinzessin". Diese kühle Ministerin steht nun auf dem Podium und hat eine Botschaft für ihre Truppe und die Öffentlichkeit: "Ein Unrechtsregime wie das Dritte Reich kann Tradition nicht begründen!" Sie sagt das nicht ohne Grund, denn sie war schockiert über das, was sie selbst bei einem Besuch in der Kaserne gesehen hatte, in der Franco A. stationiert war: Wehrmachtshelme im Regal, heroische Landser-Malereien an der Wand und Waffen mit eingeritzten Hakenkreuzen. Devotionalien als Ausdruck rechtsextremer Gesinnung.

Damit soll Schluss sein, erklärt die Ministerin: "Es herrscht in der Truppe große Handlungsunsicherheit in Bezug auf den Traditionserlass von 1982." Den will von der Leyen noch bis zum Ende der Legislaturperiode überarbeiten lassen, kündigt sie an diesem Abend an.

Bundeswehr Radikalismus Rechtsradikalismus
Aufenthaltsraum in der Kaserne Illkirch - Wehrmachtswaffen und Landser-MalereienBild: picture-alliance/dpa/P.Seeger

Der Traditionserlass regelt die Grundlagen der Traditionspflege in der Bundeswehr. Darin steht zum Beispiel: "Das Sammeln von Waffen, Modellen, Urkunden, Fahnen, Bildern und Orden und Ausrüstungsgegenständen ist den Soldaten erlaubt." Aber nur wenn die Exponate in einen geschichtlichen Zusammenhang eingeordnet werden. Doch was heißt das genau?

Der veraltete Erlass bleibt oft vage. Problem erkannt und benannt - nun soll gehandelt werden. "Wir wollen allen Ebenen in der Bundeswehr mehr Handlungssicherheit im Umgang mit der deutschen Geschichte geben", sagt von der Leyen.

"So viel, auf das wir stolz sein können"

Dann macht sie ihrer Truppe Mut. Sie will - und muss - Zuversicht verbreiten: "Es gibt so viel, auf das wir stolz sein können!" Und spricht gleich ein weiteres Problem bei den Traditionen an: Viele Kasernen sind auch heute noch nach Wehrmachtsgrößen benannt. Einige Kasernen, die die Namen nationalsozialistisch belasteter Generäle trugen, wurden bereits umbenannt.

Nun will von der Leyen ganz genau hingucken. "Wir sollten viel stärker die über 60-jährige erfolgreiche Geschichte der Bundeswehr in den Mittelpunkt unseres Traditionsverständnisses stellen", betont die Ministerin.

Reservisten: Von der Ministerin enttäuscht

Die Rede ist kühl, eher emotionslos. Michael Nebel und viele andere Ex-Soldaten sind enttäuscht: "Warum hat sie nicht einfach die drei Worte gesagt: Ich entschuldige mich!" Er meint eine Entschuldigung für die generelle Aussage von der Leyens, die Truppe habe ein "Haltungsproblem" und leide unter "Führungsschwäche". Das habe tief verunsichert, viele Soldaten sogar verletzt.

Nichts sei aufgeklärt und die Verteidigungsministerin schwärze die eigene Truppe an, sagen manche. "Das geht so nicht", kritisiert Oberstleutnant Axel von Bredow beim Reservistentreffen: "Die Truppe ist einfach nur verunsichert."

Volker Witting
Volker Witting Politischer Korrespondent für DW-TV und Online