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Umstrittener Champagner

Michael Marek / Sven Weniger27. August 2012

Im finnischen Åland wurde der älteste trinkbare Champagner der Welt gefunden. Er brachte einen Rekorderlös, doch laut UNESCO-Konvention hätte er nicht verkauft werden dürfen, sagt Professorin Odendahl von der Uni Kiel.

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Champagnerflaschen am Meeresgrund
Champagnerflaschen am MeeresgrundBild: Alex Dawson/Visit Aland

Die Bosse des feinen französischen Schaumwein-Hauses Veuve Clicquot hielten ihn zuerst für einen Spinner, als Christian Ekström 2010 bei ihnen anrief. Der professionelle Taucher und Brauereibesitzer hatte Dutzende Flaschen ihres Edelchampagners auf dem Grund der Ostsee gefunden - in einem Schoner, der vermutlich um 1840 vor Åland gesunken war. Jetzt wurden acht Flaschen der antiken Fracht versteigert, in Mariehamn, der Hauptstadt der 6700 autonomen Åland-Inseln, die zu Finnland gehören.

Schaumwein als Marketinginstrument

Es war bereits der zweite Anlauf der Åländer Regierung, einen Teil der geborgenen 164 Flaschen zu verkaufen. "Wir wollen die Augen der Welt auf den Schärengarten lenken", erklärt Johan Ehn, Ålands Minister für Kultur und Erziehung. Ein Mediencoup für das kleine Inselreich: "Wir benutzen den Champagner als ein Marketinginstrument."

Einige der seltenen Flaschen kamen unter den Auktionshammer
Einige der seltenen Flaschen kamen unter den AuktionshammerBild: DW

Veuve Clicquots Chefhistorikerin Fabienne Moreau und Schwedens Champagnerpapst Richard Juhlin bestätigten die Echtheit der Korken und die Klasse des Inhalts. Die Lage der Flaschen bei fünf Bar Druck und fünf Grad Temperatur in 45 Metern Wassertiefe war ideal, um den Champagner zu konservieren. Neben dem Veuve Clicquot-Ensemble befanden sich im Wrack des Segelschiffes mehrere Flaschen der Marke Heidsieck und Dutzende des Sekthauses Juglar – ein einmaliges Sammelsurium an Raritäten und zugleich der wohl älteste jemals gefundene Champagner der Welt. Ein Testlauf mit der Auktion von nur zwei Flaschen brachte 2011 einen neuen Weltrekord: 54.000 Euro legte ein Sammler aus Singapur für die beiden Flaschen aus Schwarzglas hin.

Bombensicherer Lagerraum

Doch danach es kam anders. Acht der Kostbarkeiten gingen nur innerhalb des Schätzpreises von 10.000 bis 15.000 Euro weg. Drei Flaschen zog die Regierung Ålands sogar zurück, da die Gebote für sie noch tiefer lagen. Die restlichen noch nicht versteigerten Champagnerflaschen lagern derzeit an einem geheimen Ort auf Åland, einem unterirdischen Bunker, alarmgesichert mit einer tonnenschweren Stahltür. In einem eigens hergerichteten Kühlraum soll das kostbare Gut vor Klimaschwankungen, Bombenangriffen und radioaktiver Strah­lung geschützt sein, sicher verwahrt für kommende Auktionen.

Gut gekühlt lagern die alten Schätzchen jetzt in einem Bunker
Gut gekühlt lagern die alten Schätzchen jetzt in einem BunkerBild: DW

Verstoß gegen UNESCO-Konvention?

Weniger beachtet als die Auktion ist ein Streit um das edle Getränk: Durften die Champagnerflaschen überhaupt versteigert werden? Sind sie nicht wie das Schiffswrack selbst und die darin gefundenen Teller, Krüge und nautischen Instrumente historische Artefakte? "Eindeutig ja! Daran gibt es nichts zu zweifeln", sagt Kerstin Odendahl, Professorin für Völkerrecht an der Universität Kiel, und spezialisiert auf Fragen des internationalen Kulturgutschutzes. "Offenbar sind das die ältesten Champagnerflaschen der Welt, die gefunden worden sind, die auch noch trinkbar sind. Ein einmaliger historischer Wert. Sie lagen über 100 Jahre unter Wasser, und insofern haben wir ein Unterwasserkulturgut nach der UNESCO-Konvention von 2001", so die Kennerin.

Danach hätte der kostbare Schampus gar nicht versteigert werden dürfen. Darauf beharrt auch die Archäologin Jenny Lucenius, die für das Åland Museum arbeitet: "Vom archäologischen Standpunkt aus sind alle Gegenstände, die im Wrack gefunden wurden, zweifelsfrei Artefakte. Deshalb dürfen die Champagnerflaschen nicht verkauft werden!" Aber die Politik habe eine andere Agenda verfolgt und den Champagner schlichtweg als Handelsware und "trinkbares Lebensmittel" klassifiziert.

Kommerzialisierung von Kulturgut

Ålands Kulturminister Johan Ehn sieht das anders: "Für uns ist der Champagner kein Kulturgut, sondern eine Handelsware so wie Äpfel oder Pfeffer. Und irgendwann einmal wird er sich verflüchtigen. Denken Sie an die Kohlensäure." Doch die Kommerzialisierung des antiken Edelgetränks wird auch von der Pariser UNESCO-Zentrale kritisiert und abgelehnt. Mehr noch, im Sinne der Konvention ließe sich das Vorgehen Ålands sogar als Plünderung einer archäologischen Stätte werten, so Völkerrechtlerin Odendahl: "In der Konvention steht eindeutig drin: 'Die kommerzielle Ausbeutung von Unterwassergut zu Handels- oder Spekulationszwecken ist mit dem Schutz des Unterwasserkulturgutes nicht vereinbar.'"

Das sei Unsinn, sagt Minister Ehn, Åland habe keine internationalen Gesetze gebrochen. Trotzdem war wohl der Regierung nicht ganz wohl bei der Verkaufsentscheidung. Der Auktionserlös soll daher in eine Stiftung fließen, die archäologische Projekte unterstützt. Dass der Åländischen Regierung juristisch wohl dennoch nicht beizukommen ist, liegt daran, dass Finnland die UNESCO-Konvention zum Schutz von Unterwasserkulturgut bis heute nicht unterzeichnet hat. Dass Finnland sich dieser Geisteshaltung nicht angeschlossen habe, wertet die Kieler Juristin Odendahl "zumindest als moralischen Verstoß".

Taucher Christian Ekström fand die Flaschen
Taucher Christian Ekström fand die FlaschenBild: DW

Einen Gewinner indes gibt es dennoch: Christian Ekström, der Taucher, der den Perlwein vom Meeresboden barg, war nicht nur der erste, der in Verkennung ihres Wertes eine der Champagnerflaschen gleich an Bord seines Tauchboots mit seinen Kumpels leerte. Er nutzte bei der letzten Auktion die Gunst der Stunde und erwarb eine der Flaschen zum Mindestpreis von 10.000 Euro für sein Bierlokal.