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Die deutsche Schuldenbremse

2. August 2011

In den letzten Jahrzehnten ist Deutschlands Staatsverschuldung fast pausenlos geklettert, mittlerweile liegt sie bei über zwei Billionen Euro. Ab 2016 zwingt die "Schuldenbremse" zur Disziplin - mit Ausnahmen.

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Rosafarbenes Sparschwein mit Bundesadler auf der Schnauze (Foto: picture-alliance/chromorange)
Zum Sparen verdonnert: der StaatBild: picture-alliance / chromorange

Seit Ende der 1960er Jahre gab es in Deutschland kaum noch einen ausgeglichenen Haushalt. Gründe für neue Schulden fanden sich immer: Von staatlichen Ausgabeprogrammen in der ersten Ölkrise in den siebziger Jahren über die Kosten der Deutschen Einheit bis zum Bankenrettungsschirm und diversen Konjunkturpaketen in der jüngsten Finanzkrise.

Rein statistisch entfallen deshalb auf jeden Deutschen - ob Kleinkind oder Greis - mittlerweile über 24.000 Euro Schulden. Genau genommen ist das noch nicht einmal alles - die Belastungen des Staates durch künftig zu zahlende Beamtenpensionen und Zuschüsse in die gesetzliche Altersversorgung machen ein Vielfaches aus. Um diesen Trend zu stoppen, wurde 2009 eine "Schuldenbremse" ins Grundgesetz aufgenommen, auf die sich Bund und Länder nach jahrelangen Verhandlungen in der sogenannten "Föderalismuskommission" geeinigt hatten. Der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck sprach euphorisch von einer "Sternstunde des Föderalismus".

Schuldenmachen im Prinzip verboten, aber ....

Der selbstverordnete "Zwangsentzug" des schuldensüchtigen Staates ist in Artikel 109 des Grundgesetzes festgeschrieben. Er regelt die Kreditaufnahme der öffentlichen Haushalte neu. Grundsätzlich dürfen Haushaltsdefizite ab 2016 nicht mehr durch die Aufnahme neuer Schulden ausgeglichen werden, heißt es. Das prinzipielle Verbot hat aber eher symbolische Bedeutung, denn zugleich wurde beschlossen, dass für den Bund immerhin eine jährliche Kreditaufnahme von bis zu 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts möglich ist (derzeit wären das rund zehn Milliarden Euro). Zum Vergleich: Im Euroraum dürfen sich EU-Mitglieder derzeit mit maximal drei Prozent verschulden. Die 16 deutschen Bundesländer müssen - so ihre eigene freiwillige Verpflichtung, die im Gesetz verankert wurde - ab 2020 sogar ganz ohne neue Schulden auskommen. Derzeit gilt eine Übergangsphase, in der sich die einzelnen Ressorts der Regierung schon einmal an die Schuldenbremse gewöhnen sollen.

Haushaltsplanung "top-down"

Finanzminister Schäuble am Rednerpult im Bundestag (Foto: AP)
Finanzminister Schäuble will die Neuverschuldung drückenBild: AP

Der von der Regierung beschlossene Haushalt für 2012 wurde deshalb erstmals anders aufgestellt als sonst üblich: Die einzelnen Ministerien haben nicht mehr ihren Bedarf angemeldet und diesen dann in schwierigen Verhandlungen mit dem Finanzminister durchzusetzen versucht. Jetzt ist die Reihenfolge umgekehrt: Das Kabinett gibt einen Rahmen vor, dann folgen die Verhandlungen mit den einzelnen Ressorts.

Ab 2016 wird es nur noch so - "top-down" - funktionieren, weil die Schuldenbremse die mögliche Kreditaufnahme von vornherein limitiert. Sie darf für den Bund eben nur 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Von diesem Ziel ist die Regierung allerdings noch ein Stück entfernt: In diesem Jahr hofft Finanzminister Wolfgang Schäuble, die Neuverschuldung wieder unter zwei Prozent zu drücken. Damit wäre Deutschland neben Finnland, Estland und Luxemburg immerhin eines der wenigen Länder, die den Euro-Stabilitätspakt einhalten.

Eine Hintertür haben die Politiker ins Grundgesetz allerdings auch eingebaut. Bei Naturkatastrophen, Weltwirtschaftskrisen oder auch konjunkturellen Krisen sind höhere Schulden erlaubt, wobei immerhin zugleich ein Tilgungsplan beschlossen werden muss.


Grafik zu den geplanten Einsparungen 2011 bis 2014
Die Schuldenbremse: Einsparungsplan 2011-2014



40 Milliarden Euro für Zinsen und Tilgung

Die deutsche Schuldenbremse ähnelt am ehesten einer Regelung, die 2001 im Nachbarland Schweiz eingeführt wurde und die dort das Minus in den öffentlichen Kassen eingedämmt hat. Mittlerweile drängt Medienberichten zufolge auch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy darauf, in die Verfassung seines Landes eine ähnliche Regelung einzufügen. Auch in einigen Bundesstaaten der USA wird seit Jahrezehnten mit gesetzlichen Schuldenschranken experimentiert. Die Briten scheiterten an dem Versuch, den Gesamtschuldenstand bei maximal 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts festzuschreiben.

Die "Schuldenbremse" bedeutet natürlich noch keinen Abbau des gewaltigen Schuldenberges von über zwei Billionen Euro. Zins und Tilgung der öffentlichen Schulden werden noch auf unabsehbare Zeit riesige Summen an Steuergeldern verschlingen. Derzeit ist dieser Posten der zweitgrößte im Staatshaushalt: er beträgt rund 40 Milliarden Euro.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Julia Elvers-Guyot