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Verliert der FC Bayern seine DNA?

Andreas Sten-Ziemons13. Juli 2015

Nach 17 Jahren bei Bayern München wechselt Bastian Schweinsteiger zu Manchester United. Was sind die Gründe? Und was die Folgen? Klar ist: Der FC Bayern verliert viel mehr als nur einen Mittelfeldspieler.

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Bastian Schweinsteiger im Trikot des FC Bayern (Foto: Marc Müller/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/M. Müller

Als am Samstagnachmittag der Wechsel von Bastian Schweinsteiger zu Manchester United endgültig feststand, war wohl niemand darüber trauriger als Bayern-Co-Trainer Hermann Gerland. "Für mich persönlich ist es ein schwerer Verlust", sagte er dem "kicker". "Er ist ja nicht nur ein super Spieler, sondern auch ein super Typ, ein guter Junge." Gerland war es, der den damals 17-jährigen Schweinsteiger einst aus der Jugend zu den Bayern-Amateuren holte und der anschließend auch großen Anteil daran hatte, dass "Schweini" mit 18 Jahren in der Bundesliga debütierte.

Nach einigen Jahren Anlaufzeit im Schatten der damaligen Führungsspieler und einigen Schwierigkeiten, seine Rolle zu finden, entwickelte sich Schweinsteiger schließlich zur zentralen Figur im Spiel des FC Bayern München. Ein Status, den er lange hielt, der ihm aber in der abgelaufenen Saison abhanden kam. Neben Schweinsteigers zahlreichen Verletzungen, trägt dafür auch Bayern-Coach Pep Guardiola einen großen Teil der Verantwortung. Fast nie ließ der Katalane Schweinsteiger auf seiner Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld spielen - meist zog er Xabi Alonso, Philipp Lahm oder am Ende der Saison den wieder genesenen Thiago vor.

Überangebot auf der Sechser-Position

Schweinsteiger, dessen Vertrag noch bis 2016 lief, musste unter Guardiola stattdessen meist als etwas offensiverer Achter spielen - eine Position, die ihm wenig behagt und auf der er seine Stärken, das Steuern des Spiels aus der Tiefe und das Dirigieren des Gegenpressings, auch nicht so gut ausspielen kann. Wie stark er auf die defensivere Sechser-Position sein kann, hatte einst sein damaliger Trainer Louis van Gaal erkannt. Zu ihm, der heute Manchester United trainiert, wechselt Schweinsteiger nun. Ein konsequenter und verständlicher Schritt, zumal van Gaal mit Schweinsteiger als Chef im defensiven Mittelfeld plant.

Schweinsteiger und Louis van Gaal (Foto: Frank Leonhardt dpa/lby)
Zurück zum "Entdecker" - Schweinsteiger und van GaalBild: picture-alliance/dpa/F. Leonhardt

Schweinsteiger entzieht sich damit dem immer enger werdenden Konkurrenzkampf im defensiven Mittelfeld der Bayern. Mit Thiago, Alonso, Lahm und David Alaba haben die Münchener hier ein wahres Überangebot an Ausnahmespielern zur Verfügung. Hinzu kommen der besonders in der Balleroberung sehr starke Javi Martinez, Ersatzmann Sebastian Rode, der junge Gianluca Gaudino, Rückkehrer Pierre-Emile Höjbjerg und die Neuzugänge Douglas Costa und Joshua Kimmich, die ebenfalls auf der Sechser-Position spielen können.

Spieler mit "Bayern-Gen" als tragende Säulen

Zu allen Zeiten hat der FC Bayern immens davon profitiert, dass im Kader Spieler standen, die das sprichwörtliche "Bayern-Gen" in sich trugen und tief verinnerlicht hatten, was es bedeutete, für Deutschlands besten und erfolgreichsten Klub zu spielen. Selbst wenn der Trainer und damit die Spielphilosophie mal wechselten - Kern und Charakter des FC Bayern blieben konstant und der Klub damit erfolgreich. Vor Schweinsteiger waren diese Spieler Kahn, Effenberg und Scholl. In den 80er Jahren Profis wie Matthäus und Augenthaler, noch früher Beckenbauer, Maier, Müller und Hoeneß, der in seiner Zeit als Manager und Präsident maßgeblich dazu beigetragen hat, dass es bei den Bayern - trotz des Leistungs- und Erfolgsdrucks - familiär zuging.

Mit Schweinsteiger verlässt nun ausgerechnet die Bayern-Ikone schlechthin diese Familie. Auch der sehr beliebte Thomas Müller oder Ur-Bayer und Kapitän Philipp Lahm können da nicht mithalten. Möglicherweise sucht Schweinsteiger nach 17 Jahren tatsächlich eine neue Herausforderung. Wohlmöglich hat er auch erkannt, dass sich ihm zum letzten Mal eine Chance bot, zu einem Top-Verein wie Manchester United zu wechseln. Wer weiß, von wem im nächsten Sommer Angebote gekommen wären. Vielleicht spielen auch seine neue Freundin, die serbische Tennisspielerin Ana Ivanovic, und die mit ihr einhergehende "Internationalisierung" Schweinsteigers eine Rolle. In jedem Fall aber muss es auch daran liegen, dass in der Bayern-Familie - jedenfalls aus Schweinsteigers Sicht - etwas nicht mehr stimmte.

Bastian Schweinsteiger mit Bayern-Trainer Pep Guardiola (Foto: EPA/PETER POWELL)
Kein inniges Verhältnis: Schweinsteiger und GuardiolaBild: picture-alliance/dpa/P. Powell

Fakt ist, dass Guardiola nicht wirklich um einen Verbleib Schweinsteigers in München gekämpft hat. "Mach, was du willst. Entscheide, wie du glücklich bist", sagte Guardiola nach eigenen Angaben in einem längeren Gespräch mit dem Spieler. Dass Guardiola hinterher öffentlich bekundete, es sei eine Ehre gewesen, mit Schweinsteiger zu arbeiten, sollte man nicht zu hoch hängen. Der Coach äußert sich stets nur lobend über seine Spieler - das war auch schon bei Mario Mandzukic und Mario Gomez so, kurz bevor sie den Verein verlassen mussten.

Ein Münchener unter Münchenern

Den Bayern-Fans wird ohne Schweinsteiger eine Identifikationsfigur auf und neben dem Rasen fehlen. Seine Art zu spielen, sein unbedingter Einsatzwille und nicht zuletzt sein verschossener Elfmeter im Champions-League-Finale 2012 in München gegen Chelsea sowie die Art und Weise, wie er nach diesem Tiefpunkt seiner Karriere wieder zurückkam, machten ihn im Ansehen der Fans zu einem wahrhaft großen Spieler. Ein Status, den die Thiagos, Alonsos und Götzes dieser Welt wohl nie erreichen werden.

UEFA Champions League FC Bayern München FC Chelsea Bastian Schweinsteiger zieht sich das Trikot über den Kopf (Foto: dpa)
2012 verlor Schweinsteiger das Champions-League-Finale in München - aus der bitteren Niederlage schöpfte er neue KraftBild: picture-alliance/dpa

Schweinsteiger lebte mitten in München. Er war ein nahbarer Star, der sich oft auf der Straße zeigte, der in seinem Viertel rund um den Gärtnerplatz im Herzen von München im Straßencafé saß, mit dem Hund an der Isar spazieren ging oder sich als Fan der Basketballmannschaft des FC Bayern in der ehemaligen Münchener Olympiahalle zeigte. Die Fans hielten meist respektvoll Abstand, ließen den Star in Ruhe und akzeptierten ihn als Münchener unter Münchenern. Er war einer von ihnen.

Auch deshalb entrüstet viele Schweinsteiger-Fans nun die Art seines Abgangs. Beim Saisonauftakt am Samstag in der Münchener Arena gab es Pfiffe und Buhrufe gegen Guardiola und das Management. "Einen wie Schweinsteiger verkauft man nicht!" - so lautet unter den Fans die einhellige Meinung. Der FC Bayern hat es dennoch getan. Sportlich kann er es sich leisten. Ohne Schweinsteiger wird der FC Bayern nicht schlechter spielen. Der Kader ist randvoll mit Weltklasse-Spielern, die nur darauf brennen, eine tragende Rolle im Spiel der Münchener zu bekleiden.

Abgang der Ikonen

Der Weggang Schweinsteigers aus München nach 17 Jahren im Verein fällt merkwürdigerweise in eine Sommerpause, in der der Abschied langjähriger Vereinsikonen der Trend zu sein scheinen. Bei Real Madrid weinte Torhüterlegende Iker Casillas bittere Tränen, als er sich nach 26 Jahren und 725 Pflichtspielen zum FC Porto verabschiedete. Für Steven Gerrard sangen die Fans des FC Liverpool an der Anfield Road ebenfalls nach 26 Jahren im Verein ein letztes "You'll never walk alone", bevor er nach Los Angeles ging. Xavi wechselte nach 24 Jahren beim FC Barcelona zum al-Sadd Sport Club nach Katar.

Brasilien Xavi Hernandez und Iker Casillas Pressekonferenz (Foto: David Ramos/Getty Images)
Zwei, die auch neue Wege gehen: Xavi (l.) und Casillas (r.)Bild: Getty Images/D. Ramos

In allen Fällen spielte mit eine Rolle, dass die Vereins-Ikonen ihren Status der Unantastbarkeit verloren hatten und sich einen Stammplatz auf der Ersatzbank ersparen wollten. Bezeichnend ist allerdings, dass allenfalls Schweinsteiger in etwa auf dem gewohnten Niveau bleibt - zumindest dann, wenn er sich schnell an das hohe Tempo und die mitunter etwas rauere Gangart im englischen Fußball gewöhnt, von Verletzungen verschont bleibt und tatsächlich regelmäßig spielen darf. Verdient hätte er es.