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Verhandlungen an historischem Ort

Katja Hübschen16. September 2004

Die Gespräche werden bereits als historische Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien Nordirlands bezeichnet. Ziel ist es, das Karfreitagsabkommen von 1998 zu retten. Die Aussichten auf eine Lösung sind jedoch düster.

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Im Parlament in Belfast soll wieder eine Allparteienregierung herrschenBild: AP

Ort der Verhandlungen ist das Wasserschloss Leeds Castle in der Nähe von London. Für den britischen Premierminister Tony Blair wird es das Hauptziel sein, das nordirische Friedensabkommen von 1998 zu retten und dadurch sein durch den Irak-Krieg angegriffenes Image als Schoßhund Washingtons zumindest teilweise wieder aufzupolieren.

Karfreitagsabkommen: Neue politische Ära

Im April 1998 wurde das so genannte Karfreitagsabkommen zwischen der britischen und irischen Regierung als Beginn einer neuen politischen Ära im Nordirland-Konflikt gefeiert. Das Abkommen diente als Grundlage für eine gemischt-konfessionelle Allparteienregierung in der Unruheprovinz. Blockiert wurde die weitere Umsetzung des historischen Abkommens durch die nicht vollzogene Entwaffnung der katholischen Irisch-Republikanischen Armee (IRA).

Die Kompromisslosigkeit der IRA, die als Bedingung für eine Entwaffnung den Verzicht auf Gewalt auf protestantischer Seite fordern, sowie wechselseitige Attacken zwischen Protestanten und Katholiken, führten im Herbst 2002 zu einer Auflösung der Allparteien-Regierung. Seitdem war die nordirische Regierung in Belfast wieder der Kontrolle der Londoner Zentralregierung unterstellt.

Entwaffnung der IRA bleibt problematisch

Anfang 2003 legten Tony Blair und der irische Premierminister und momentaner EU-Ratspräsident Bertie Ahern in Belfast einen 28-seitigen Kompromissentwurf vor, der als umfassendste Vereinbarung seit dem Karfreitagsabkommen gilt. Die Verhandlungen kamen dennoch nicht voran. Als größtes Problem gilt immer noch die Entwaffnung der nordirischen Untergrundarmee IRA.

Ian Paisley Nordirland
Ian Paisley, Vorsitzender der radikal-protestantischen Democratic Unionist PartyBild: AP

Mittlerweile wird es auch als Fehler bewertet, dass im November 2003 Regionalwahlen in Nordirland abgehalten wurden, bevor das Problem der Entwaffnung der IRA gelöst worden war. Das Scheitern der Gespräche mit der katholischen Untergrundarmee soll protestantische Wähler geradewegs in die Arme von Ian Paisley und seiner Democratic Unionist Party (DUP) getrieben haben. Paisley steht für absolute Kompromisslosigkeit gegenüber den nach Unabhängigkeit strebenden Katholiken und lehnt das Karfreitagsabkommen ab.

Nicht nur die DUP, sondern auch die radikale katholische Partei Sinn Fein, gingen als Gewinner aus den Wahlen im November 2003 hervor. Sinn Fein, der politische Flügel der IRA, überholte die moderate Social Democrats and Labour Party (SLDP) und ist seitdem die stärkste Kraft im katholischen Lager.

IRA nicht mit am Verhandlungstisch

Da sich die politische Landschaft Nordirlands mit den Regionalwahlen 2003 stark verändert hat, werden keine sehr großen Erwartungen in die Verhandlungen in Leeds Castle gesetzt. Ein weiteres Problem bei der Bildung einer neuen Allparteienregierung in Nordirland besteht darin, dass die IRA, die Konfliktpartei von der eine Lösung letztendlich abhängt, nicht mit am Verhandlungstisch sitzt. Bei den dreitägigen Verhandlungen, die am Donnerstag (16.9.) begonnen haben, nehmen neben Tony Blair und Bertie Ahern Vertreter aller politischen Parteien Nordirlands teil - bis auf die verbotene Irisch-Republikanische Armee.

Es sieht nicht so aus, als seien insbesondere die Protestanten zu wirklichen Verhandlungen bereit. Bislang zumindest hat die DUP, unter Führung des 78-jährigen Sturkopfs Ian Paisley, direkte Gespräche mit der republikanischen Sinn Pein verweigert. Die Auflösung der IRA ist seit Jahren die Hauptforderung der protestantischen Seite. Der harte Kern der Protestanten verlangt außerdem, dass die Provinz ein Teil Großbritanniens bleibt.Umgekehrt strebt die IRA-nahe Partei Sinn Fein, unter Gerry Adams, die Wiederherstellung der nordirischen Autonomie an. Die Republikaner sind zwar zu Gesprächen mit der DUP bereit, Zugeständnisse bei der Umsetzung des Karfreitagsabkommens wollen sie aber nicht machen. Zu Beginn der Verhandlungen hat sich der Sinn-Fein-
Präsident Gerry Adams aber grundsätzlich zur Auflösung der Untergrundorganisation IRA bereit erklärt.

Gerry Adams
Sinn Fein-Chef Gerry Adams, der die Wiederherstellung der nordirischen Autonomie anstrebtBild: AP

Blair: "Alles entscheidende" Gesprächsrunde

Paisley und Adams in einer Regierung - das käme für viele einem Wunder gleich. Allerdings sind sich auf Leeds Castle schon einmal geschworene Feinde näher gekommen: 1978 wurden auf dem Wasserschloss Gespräche zwischen Syrien und Ägypten geführt, die zum Friedensvertrag von Camp David führten. Vielleicht gibt es also doch noch Hoffnung für Nordirland und Tony Blair, der die Gesprächsrunde als "alles entscheidend" für die Zukunft der Unruheprovinz bezeichnet hat.