1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Verfassung ohne Volk

Alexander Kudascheff, Brüssel6. August 2003

Im Herbst werden die Staats- und Regierungschefs den Entwurf der EU-Verfassung im Großen und Ganzen unverändert abnicken. Alle wissen: Andernfalls ginge es richtig zur Sache und der kunstvolle Kompromiss wäre erledigt.

https://p.dw.com/p/3wdk

Niemand in den europäischen Hauptstädten will also das Verfassungspaket noch einmal aufschnüren. Soweit so gut. Doch in Europa beginnt nun eine andere Diskussion. Sollte man nicht die europäischen Völker über ihre Verfassung abstimmen lassen? Wäre es nicht zwingend, dem Verfassungsvertrag eine demokratische Legitimation zu geben, die über das doch eher kopfnickende "Ja" in den Parlamenten hinausgeht? Wäre das nicht eine Chance, endlich über das Wesen und die Zukunft Europas öffentlich zu debattieren? Schließlich wissen gerade einmal ein Drittel der Europäer, was der Konvent war und was er erarbeitet hat.

Unaufgeregte Diskussion

Die Diskussion im tropischen Europa ist noch leise und unaufgeregt. Und es gibt auch genügend Politiker, Publizisten und Professoren, die gegen eine europäische Volksabstimmung sind. Sie fürchten im Kern fast alle (von der Handvoll mal abgesehen, die grundsätzlich gegen Plebisziste sind), dass euroskeptische Ressentiments und Attitüden, die ja durchaus verbreitet sind, sich durchsetzen könnten, dass es sogar keine Mehrheit für eine europäische Verfassung geben könnte.

Das kann wahr sein. Sicher ist aber auch: wer eine Volksabstimmung fürchtet, sie verhindert, über Europa eigentlich nicht öffentlich reden und streiten will, fördert gerade jene antieuropäischen Gespenster, die er bekämpfen will.

Kein Mut zur Volksabstimmung

Alle großen Entscheidungen in Europa der letzten 45 Jahre sind - beispielsweise in Deutschland - von einer Zwei Drittel Mehrheit im Parlament begleitet worden. Es gab immer eine große Koalition des pro-europäischen Engagements. Das Volk aber hatte stets den Eindruck: die machen das, ohne uns zu fragen.

Und populär wurde Europa dadurch auch nicht. Es sah so aus, als würde Europa hinter dem Rücken des Volkes eingeführt. Eine Volksabstimmung dagegen hätte einen großen Vorteil: alle müssten sich für die Verfassung engagieren, sagen, warum sie gut ist. Der Nachteil allerdings bleibt: ein Referendum kann man verlieren.