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Politik

Neue Festnahme

Autor: SC/ sti/ Richard A. Fuchs (dpa, afp, dapd)2. Februar 2012

Mit Carsten S. wurde der mutmaßlich fünfte Helfer der Zwickauer Terrorgruppe von einer Spezialeinheit festgenommen. Der Verdacht, dass er früher leitender Funktionär der rechtsextremen NPD war, erhärtet sich.

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In Untersuchungshaft: Der frühere NPD-Funktionär Carsten S. Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay
Carsten S. bei der VerhaftungBild: Reuters
Erst NPD-Funktionär, später Sozialarbeiter: Carsten S. Foto: Judith Michaelis/dapd
Carsten S.Bild: dapd

Und wieder führt eine Spur zur NPD: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, der am Mittwoch (01.02.2012) dingfest gemachte Sozialarbeiter Carsten S. habe nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes 1999 an der Spitze des NPD-Kreisverbands Jena gestanden. Außerdem habe er dem Thüringer Landesvorstand und als Landesvertreter dem Bundesvorstand der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten angehört. Der 31-jährige Carsten S. soll der Zwickauer Terrorzelle eine Waffe und Munition beschafft haben.

Anklage wegen Beihilfe zum sechsfachen Mord

Beamte der Spezialeinheit GSG9 durchsuchten am Mittwoch die Wohnung von Carsten S. in Düsseldorf. Die Bundesanwaltschaft teilte unterdessen mit, Carsten S. werde der Beihilfe zu sechs von zehn Morden der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) verdächtigt. Er soll in den Jahren 2001 oder 2002 im thüringischen Jena eine Schusswaffe gekauft haben, die er dann an seinen rechtsextremen Parteifreund Ralf Wohlleben weitergereicht habe. Dieser soll als Mittler agiert haben, der Waffe und Munition an die drei Mitglieder der Zwickauer Terrorzelle Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe weitergereicht hat. Der Terrorzelle werden die Morde an neun Migranten sowie an einer Polizistin zur Last gelegt. Die Bundesstaatsanwaltschaft wirft dem festgenommenen Carsten S. vor, er habe "billigend in Kauf genommen, dass die Waffe für rechtsextremistische Morde verwendet werden konnte." Unklar ist bislang jedoch, ob die Waffe tatsächlich zum Einsatz kam.

Neue Beweise für ein NPD-Verbotsverfahren?

Bundeskriminalbeamte und die Düsseldorfer Polizei im Einsatz Foto: REUTERS/Wolfgang Rattay
Bundeskriminalbeamte und die Düsseldorfer Polizei im EinsatzBild: picture-alliance/dpa

Damit befinden sich insgesamt fünf Verdächtige aus dem Umfeld des "Nationalsozialistischen Untergrunds" in Untersuchungshaft. Carsten S. ist der zweite ehemalige NPD-Funktionär, der als mutmaßlicher Unterstützer des Neonazi-Trios festgenommen wurde. Bereits seit November sitzt Ralf Wohlleben, der zwischenzeitlich zum stellvertretenden Landeschef der Thüringer NPD aufgestiegen war, als möglicher Unterstützer der Terrorzelle in Untersuchungshaft. Nicht zuletzt diese engen Verbindungen der Terrorhelfer zur NPD haben auch die Debatte um ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei wieder befeuert. 2003 war ein Verbot der rechtsextremen Partei vom Bundesverfassungsgericht aus Verfahrensgründen abgelehnt worden. Die Begründung lautete damals, dass wichtige Positionen der Führungsebene mit verdeckten Ermittlern des Verfassungsschutzes unterwandert seien. Eine eindeutige Zuordnung der Straftaten sei damit nicht möglich, so das Urteil. Die neuen Erkenntnisse um Carsten S. und Ralf Wohlleben nähren jetzt die Hoffnung der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien, an gerichtlich unanfechtbare Beweise für die Verfassungsfeindlichkeit der NPD zu gelangen.

Von Seiten der rechtsextremen NPD wird die in der deutschen Politik losgetretene Debatte allerdings seit Wochen mit Häme kommentiert. In der NPD-parteieigenen Propaganda-Zeitschrift "Deutsche Stimme" wird in einem um die Jahreswende erschienenen Leitartikel von einer "Verbotshysterie" gesprochen, um dann darauf hinzuweisen: "Die NPD kann dem Treiben sehr gelassen zusehen. Wir haben nichts zu verbergen und tun nichts Verbotenes. Wer uns an die Karre fahren will, soll es getrost versuchen." Ein neuer NPD-Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht habe keinerlei Aussicht auf Erfolg, prophezeit daher das Neonazi-Parteiorgan "Deutsche Stimme". Und begründet wird dies im Leitartikel wie folgt: "Geht es rechtsstaatlich zu, wird der Partei schlechterdings nicht nachzuweisen sein, sie gehe als Partei 'kämpferisch-aggressiv' gegen die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik vor und/oder bediene sich dabei der Gewalt".

Carsten S. sieht sich als Neonazi-Aussteiger

Sollten die beiden Terrorhelfer verurteilt werden, könnte diese Position widerlegt sein. Allerdings erklärte der Anwalt von Carsten S. unterdessen, sein Mandant habe sich schon seit dem Jahr 2000 von der rechtsextremen Szene gelöst und sich von ihr distanziert. Zuletzt war dieser als Koordinator für die AIDS-Hilfe in Düsseldorf tätig. Zudem soll er im Schwulenreferat einer Fachhochschule aktiv gewesen sein. Die Bundesanwaltschaft bezweifelt allerdings, dass Carsten S. tatsächlich ausgestiegen ist: Bis 2003 soll er enge Kontakte in die rechtsradikale Szene gehalten haben. Nach Informationen des Bundesamtes für Verfassungsschutz soll Carsten S. zeitweise sogar der Einzige gewesen sein, der mit dem Terror-Trio in engem Kontakt gestanden habe. Ein Bericht der Behörde vom Dezember 2011 sieht in ihm den Kontaktmann zwischen der rechtsextremen Gruppe Thüringer Heimatschutz und dem Terror-Trio. Zudem könnte er als Geldbeschaffer für das Trio aktiv gewesen sein, ebenso wie er für sie im Ausland Wohnunterkünfte gesucht haben soll. Nach seinem Umzug nach Düsseldorf seien laut Verfassungsschutz keine Aktivitäten von Carsten S. in der Neonazi-Szene mehr aktenkundig geworden.

Ankunft Karlsruhe: der Ermittlungsrichter ordnete Untersuchungshaft an Foto: Ronald Wittek/dapd
Ankunft Karlsruhe: der Ermittlungsrichter ordnete Untersuchungshaft anBild: Reuters

Dass die Nervosität in der rechten Szene ob der neuen Beweislage dennoch steigt, diesen Schluss lässt ein Blick auf die Webseiten des ehemaligen NPD-Kreisvorstandes von Carsten S. in Jena zu. Dort heißt es am Tag nach seiner Festnahme bei der Vorstellung der Vorstandsmitglieder lediglich: "Wird in Kürze aktualisiert".

Autor: SC/ sti/ Richard A. Fuchs (dpa,afp,dapd)
Redaktion: Thomas Latschan