Verboten! Filmzensur in Europa
Seit es das Kino gibt, sahen sich staatliche Behörden, Kirchen und Interessenverbände immer wieder genötigt, dem Film Grenzen zu setzen. Damit beschäftigt sich jetzt die Ausstellung "Verboten! Filmzensur in Europa".
Thema Erotik
Eines der frühesten Beispiele für Zensur betraf den tschechischen Film "Ekstase" aus dem Jahr 1933. Dort reicht eine Frau (Hedy Lamarr) aus Enttäuschung wegen mangelnder Erotik in der Ehe die Scheidung ein. Sie verbringt eine Nacht mit einem fremden Mann. Das ging den Sittenwächtern zu weit. In Deutschland verbot die Filmprüfstelle "Ekstase" wegen "gröbster Spekulationen auf niedrigste Instinkte".
Ausstellung & Retrospektive
"Ekstase" ist nur ein Beispiel in der Ausstellung "Verboten! Filmzensur in Europa" im Deutschen Filmhaus in Wiesbaden, die bis Anfang Mai zahlreiche Exponate präsentiert und rund 40 Filme zeigt. Die Besucher können sich einen Überblick über Filmzensur im 20. Jahrhundert verschaffen. Verboten wurden Filme vor allem aus politischen und moralischen Gründen.
Sprengkraft des Stummfilms
Schon in der Stummfilmära wurde zensiert. Als der sowjetische Film "Panzerkreuzer Potemkin" von Sergej Eisenstein 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater uraufgeführt wurde, tobte der Applaus. Im Deutschen Reich hielt sich der Jubel in Grenzen. Wegen "Gefährdung der öffentlichen Sicherheit" mussten alle Szenen, in denen aufständische Matrosen ihre Offiziere über Bord werfen, eliminiert werden.
NS-Filmpolitik
Während des Nationalsozialismus herrschte eine rigide Filmzensur. Es gab aber auch Filme, die zwar produziert, aber erst im Nachhinein verboten wurden. Das Melodram "Der verzauberte Tag" (1943) von Peter Pewas handelt von einer jungen Frau, die in einem Bahnhofskiosk arbeitet und sich von ihrem biederen Verlobten trennt. Der Film wurde wegen der emanzipatorischen Frauenrolle verboten.
Zweierlei Verstoß
In den letzten Kriegsjahren entstand "Große Freiheit Nr. 7" von Helmut Käutner. Darin spielt Hans Albers einen ehemaligen Seemann, der von Meer und Freiheit träumt. Die NS-Machthaber mochten zum einen keine Individualisten. Außerdem habe er ein zu kritisches Bild der Marine gezeichnet - so die NS-Filmhüter. Der Film wurde verboten, in Prag fand eine Premiere vor ausgewähltem Publikum statt.
Skandalfilm "Die Sünderin"
1951 erschütterte der Skandal um "Die Sünderin" die Republik. Die Prostituierte Marina (Hildegard Knef) verliebt sich in einen Mann, der tödlich erkrankt ist. Als sie den Geliebten nicht länger leiden sehen kann, tötet sie ihn und begeht Selbstmord. Wegen "Glorifizierung" der Prostitution, der Sterbehilfe und des Suizides bekämpften Kirche und Politik den Film und erzwangen ein Aufführungsverbot.
Straßenschlachten und eine Predigt im Dom
Die Auseinandersetzungen um den Film werden in der Wiesbadener Ausstellungen ausführlich dargestellt. In der Bundesrepublik gingen damals Gegener und Befürworter des Films auf die Straße. Es kam zu tätlichen Auseinandersetzungen. In die Kinosäle wurden Stinkbomben geworfen und weiße Mäuse ausgesetzt. Mehrere Gerichte hatten viel zu tun. Und im Kölner Dom wetterte Kardinal Frings gegen den Film.
Zensur des Verleihs
Dokumentiert werden in der Schau auch Zensureingriffe der Filmwirtschaft. Der Klassiker "Casablanca" wurde hierzulande vom Verleih geschnitten. Mit Rücksicht auf die "Gefühlslage der Deutschen" eliminierte man die Nazis im Film, und aus dem Widerstandskämpfer Victor Laszlo wurde ein Erfinder geheimnisvoller "Deltastrahlen" gemacht. Das Anti-Nazi-Melodram mutierte zum Abenteuerfilm.
Richtige Fassung erst 1975
Als "Casablanca" 1952 in die deutschen Kinos kam, enthielt der Film kaum noch Hinweise auf den Zweiten Weltkrieg. Die Szene, in der die deutschen Soldaten "Die Wacht am Rhein" anstimmen und von französischen Patrioten mit der "Marseillaise" niedergesungen werden, fehlte. Erst 1975 strahlte das Deutsche Fernsehen die ungekürzte und neu synchronisierte Fassung aus, die bis heute bekannt ist.
Thema Homosexualität
Der Film "Anders als du und ich" löste 1957 einen Skandal aus. Ausgerechnet der Nazi-Regisseur Veit Harlan verfilmte damals die Geschichte zweier Homosexueller. Die FSK verweigerte die Freigabe für den mit dem ursprünglichen Titel "Das dritte Geschlecht" eingereichten Film wegen "Werbung für Homosexualität". Harlan schnitt um und drehte nach. Die FSK erteilt die Freigabe ab 18.
Filmzensur in der DDR
Interessant, aber nicht überraschend, wirken die Eingriffe in der DDR, wo diverse Filme besondere in den 1960er Jahren im Tresor landeten. Darunter war auch "Karla". In dem DEFA-Film von Hermann Zschoche fordert eine Lehrerin (Jutta Hoffmann) ihre Abiturklasse auf, nicht nur Parteifloskeln nachzuplappern, sondern selbst zu denken und Fragen zu stellen. Das störte die DDR-Zensoren natürlich.
Zensur in Osteuropa
Nach dem Prager Frühling (1968) wurden in der Tschechoslowakei viele Filmprojekte bereits in der Drehbuchphase gestoppt. "Ja Milujem, ty milujes" ("Ich liebe, du liebst") von Dusan Hanák wurde zwar produziert, aber dann verboten. Der Film handelt von Menschen, die in einem tristen Milieu leben und dem Alkohol zusprechen - fernab vom Ideal des aufstrebenden Sozialismus.
Verboten wegen Gewaltexzessen
Ein Thema in der Geschichte der Filmzensur ist der Verstoß gegen das Zeigen drastischer Gewaltszenen. Über 25 Jahre blieb Stanley Kubricks "A Clockwork Orange" deshalb in Großbritannien unter Verschluß. In der Romanverfilmung terrorisiert der Anführer einer Jugendbande seine Umgebung. In den USA wurde der Film gekürzt, in Großbritannien kurz nach der Premiere aus den Kinos genommen.
Zusammenspiel mehrerer Institutionen
Die Ausstellung in Wiesbaden wurde von der "Friedrich Wilhelm Murnau"-Stiftung und "CineGraph - Hamburgisches Centrum für Filmforschung e.V" organisiert. Swenja Schiemann kuratierte die Schau (hier neben dem Vorsitzenden der Murnau-Stiftung Ernst Szebedits). Unterstützung erhielten sie auch von anderen Organisationen wie der DEFA. "Verboten! Filmzensur in Europa" ist bis zum 4. Mai zu sehen.