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Verantwortungsvoll reisen

27. Januar 2002

Verantwortungsvolles Reisen statt hemmungsloser Massentourismus – das ist der Kern des Begriffs „Ökotourismus“. Jetzt wurde auf der Reisemesse in Hannover das Internationale Jahr des Ökotourismus eingeläutet.

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Am Strand von Salou in SpanienBild: AP

Über 250 Aussteller aus dem In- und Ausland lockten die Besucher bei der Auftaktveranstaltung in Hannover mit farbenprächtigen Broschüren und Urlaubsangeboten, die Natur und Abenteuer versprechen: Wanderungen in Kirgisistan und Gorillabeobachtungen in Uganda, Ferien in den letzten Urwäldern Europas und bei den Reisbauern in Thailand. In Fachvorträgen und Workshops konnten sich Urlaubswillige noch ausführlicher über eine Art von Tourismus informieren, die sich seit einigen Jahren immer größerer Beliebtheit erfreut: Ökotourismus. Dr. Wolfgang Strasdas, Landschafts- und Tourismusplaner und, versteht unter Ökotourismus eine umweltverträgliche und sozial verträgliche Form des Reisens in naturnahe Gebiete. Ihn ärgert, dass "viele Reiseveranstalter das Wort einfach nur zur Vermarktung benutzen, weil es sich gut anhört."

Hohe Ansprüche an die Reiseveranstalter

Strasdas, der auch für International Ecotourism Society, TIES, arbeitet, weiß aus langjähriger Erfahrung, dass es nicht einfach ist, verantwortungsvollen Urlaub bei Reisenden, Reiseveranstaltern und in den touristischen Zielgebieten durchzusetzen. Noch ist Ökotourismus nur eine kleine Nische im riesigen weltweiten Touristengeschäft.

Aber die Nachfrage wächst, denn immer mehr Urlauber wollen bewusster reisen und mehr über die Menschen, die Kultur und das Land erfahren, in das sie reisen. Doch die Ansprüche vor allem an die Reiseveranstalter sind hoch: Egal ob Hotel oder Hütten, die Unterkünfte sollen aus örtlichen Baumaterialien und im Einklang mit der Umgebung sein, die Besucher sollen mit regionalen Produkten verpflegt werden, vor allem aber soll die örtliche Bevölkerung in die Planungen mit einbezogen werden.

Der Tourismus ist in der Hand von Großkonzernen

Damit könnte Ökotourismus zu einem bescheidenen, aber auf Dauer möglicherweise lukrativen wirtschaftlichen Aufschwung der jeweiligen Region beitragen. "Die Erfahrung hat gezeigt, dass das sehr schwierig, aber machbar ist. Das Problem, was wir haben, wenn wir jetzt von Entwicklungsländern reden, ist, dass der Tourismus dort sehr stark in der Hand von internationalen Konzernen ist. Die organisieren die Reisen, die haben das Know How. Die Leute vor Ort sind meistens Bauern, die leben in einer komplett anderen Welt", sagt Wolfgang Strasdas. Es sei also sehr schwierig, diese beiden Seiten zusammen zu bringen. Man könne das in positive Bahnen lenken, indem man diese Projekte sehr stark unterstützte, hier sei vor allem die Entwicklungszusammenarbeit gefragt.

So gibt es in einigen Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas inzwischen eine ganze Reihe von Dorfgemeinschaften, die ihre Häuser für Besucher öffnen. Nach einem erholsamen Strandurlaub oder einer Exkursion zu Kulturdenkmälern können die Urlauber ein paar Tage lang den Alltag eines Regenwaldbewohners im Amazonas oder eines Reisbauern in Thailand kennen lernen.

Dorfbewohner müssen Marketing lernen

Potjana Suansri ist Marketing-Fachfrau für die thailändische Organisation REST (Responsible Ecological Social Tours), die dieses Projekt eines verantwortlichen dörflichen Tourismus entwickelt hat. An maximal 60 Tagen im Jahr, so haben es die Bewohner des nordthailändischen Dorfes Baan Huay Hee bestimmt, können rund 100 Touristen zu Besuch kommen, darunter sind sogar Landsleute aus der Hauptstadt Bangkok. Inzwischen wird die Organisation auch von Nicole Häusler vom deutschen Centrum für internationale Migration und Entwicklung, CIM, beraten, denn nicht selten knüpfen die beteiligten Familien zu hohe Erwartungen an die Touristen. "Zum Beispiel gibt es in unserem Projekt die Diskussion, wie viele Touristen pro Jahr maximal ins Dorf kommen sollten, und wenn man dann eine Zahl nennt, dann hoffen sie, dass jetzt innerhalb der nächsten zwölf Monate auch genau diese Zahl kommt, aber das ist eben nur die maximale Zahl", erklärt Nicole Häusler. "Marketing bedeutet, dass man dann erst mal die Reiseveranstalter kontaktiert, und bis dann die ersten Touristen kommen, können zwei bis vier Jahre vergehen." Viele Einwohner seien dann frustriert.

Allerdings kommen diese Menschen aus so unterschiedlichen Kulturen gut miteinander zurecht, hat Häusler festgestellt. "Meine Erfahrung war die, dass die Gastgeber das eigentlich sehr spannend fanden so einen internationalen Gast bei sich wohnen zu haben. Das war eine sehr große Ehre für sie. Dieses Gefühl der Diskrepanz zwischen arm und reich gibt es eigentlich mehr bei den Touristen, dieses schlechte Gewissen, ich bin so reich und jetzt übernachte ich hier bei Dir."

Nationale Tourismuskomitees gründen

Verantwortungsvoller Tourismus, der nicht zerstörerisch, sondern nachhaltig wirkt, ist kein Kinderspiel; er ist sogar ungleich schwerer als der mit viel Geld privater Investoren ausgestattete Massentourismus. Die Welttourismusorganisation, WTO, hilft den Ländern in Afrika, Asien oder in Lateinamerika, wenn sie auf das Zugpferd Ökotourismus setzen wollen. Die WTO hat im September 2000 alle Länder dazu aufgerufen, gemeinsam mit der Bevölkerung, mit Nichtregierungsorganisationen, mit Geschäftsleuten und den Behörden nationale Tourismuskomitees zu gründen. Das funktioniert schon in 45 Ländern. Eugenio Yunis von der WTO sieht den Ökotourismus aber nicht als das Allheilmittel, mit dem alle Probleme eines Landes gelöst werden können. "Wenn es funktionieren soll, muss Tourismus mit Landwirtschaft einhergehen, mit der Kleinindustrie, mit dem Handwerk und dem Transportwesen. Ja, Tourismus kann zur Überwindung von Armut mit beitragen - immer vorausgesetzt, dass er gut geplant und die Entwicklung immer wieder überprüft wird." Petra Reategui/(pg)