1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Einig, sich nicht zu einigen?

Naomi Conrad, Berlin 5. Februar 2015

Hart in der Sache, versöhnlich im Ton: Das erste Gespräch zwischen Finanzminister Schäuble und seinem griechischem Amtskollegen hat zumindest atmosphärisch etwas gebracht. Die Streitpunkte aber bleiben.

https://p.dw.com/p/1EWAi
Griechenlands Finanzminister Varoufakis und Schäuble in Berlin (Foto: Fabrizio Bensch/Reuters)
Bild: Reuters/F. Bensch

Auf dem Gehweg gegenüber vom Finanzministerium hat sich am Donnerstagmittag (05.02.2015) ein kleines Grüppchen Demonstranten in der Kälte versammelt: Ein paar von ihnen schwenken rote Fahnen, andere halten hoffnungsvoll ein handbemaltes Banner hoch. "Solidarität kennt keine Grenzen" ist darauf zu lesen. Die vielen Journalisten, die vor dem Ministerium anstehen, sollen ihre Botschaft mit ins Gebäude nehmen. In Berlin spielt sich gerade "die nächste Folge des griechischen Dramas ab", sagt eine Fernsehkollegin, die im großen, überfüllten Pressesaal ihren Fernsehaufsager übt. Gemeint ist das Treffen der beiden Finanzminister Yanis Varoufakis und Wolfgang Schäuble.

Anders gesagt: Auf der einen Seite sitzt der kürzlich gewählte linke und krawattenlosen Grieche, der die Sparauflagen aus Brüssel lockern, eigentlich sogar ziemlich umkrempeln möchte. Auf der anderen Seite ist da der CDU-Politiker, der auf jeden Fall an den Sparauflagen festhalten möchte und für ein Land spricht, das den Großteil der griechischen Hilfsgelder überwiesen hat.

Das Treffen findet einen Tag nach der Entscheidung der Europäischen Zentralbank statt, die den Zugang griechischer Banken zu europäischen Geldern künftig wohl erheblich erschweren wird. Ein Treffen also, das so viele Journalisten dokumentieren wollen, dass Schäubles Sprecher die Fotografen und Kameramänner mehrfach auffordern muss, doch endlich ein bisschen Platz zu machen, damit die gemeinsame Pressekonferenz beginnen kann. Wie bitte sollten die Deutschen bloß die Griechen in den Griff bekommen, wenn sie nicht einmal die Journalisten kontrollieren könnten, sagt ein Journalist ? Allgemeines Gelächter beginnt.

Mann läuft vor Graffiti vorbei (Foto: Louisa Gouliamaki/AFP)
2010 beantragte Athen das Hilfsprogramm - jetzt droht der StaatsbankrottBild: AFP/Getty Images/L. Gouliamaki

Schäuble: "Verlässlichkeit ist Voraussetzung für Vertrauen"

Letztlich aber ist es auch ein Treffen, das, obwohl "lang und intensiv", in den Streitpunkten doch keine Fortschritte gebracht habe, so Schäuble, der als Erster zu den Journalisten redet. Was den Ausweg aus der griechischen Krise angehe, "we agree to disagree" - man sei sich also einig, nicht einig zu sein. Nein, wird Varoufakis später sagen, man habe sich nicht geeinigt, nicht einig zu sein. Das habe nie zur Debatte gestanden. "Wir haben uns nur geeinigt, in Verhandlungen zu treten". Kurz: Es gibt überhaupt keine Einigung.

Zunächst aber lauscht Varoufakis seinem deutschen Kollegen. Seine Mine bleibt unverändert freundlich - auch dann noch als Schäuble betont, dass er seine Skepsis nicht habe verbergen können, dass "manche der angekündigten Maßnahmen nach unserer Überzeugung nicht unbedingt in die richtige Richtung gehen". Getroffene Vereinbarungen, so Schäuble mit Blick auf die Hilfsprogramme und den damit verknüpften Sparauflagen, müssten eingehalten werden. Verlässlichkeit sei die "Voraussetzung für Vertrauen".

Griechenland, so Schäuble, solle die Gespräche mit der sogenannten Troika (Internationaler Währungsfonds, Europäischen Zentralbank, EU), die das Sparprogramm überwacht, wieder aufnehmen. Nach dem Regierungswechsel in Athen hatte die Koalition die Kooperation mit der Troika für beendet erklärt. Es sei unbestritten, so aber Schäuble, dass die griechische Regierung mit ihr kooperieren müsse: Die Hilfsprogramme für Griechenland laufen noch bis Ende Februar. Athen möchte sie gänzlich aussetzen - ein zunächst geforderter Schuldenschnitt ist aber derzeit vom Tisch.

Griechenland fordert Überbrückungsprogramm bis Mai

Stattdessen fordert Griechenland ein Überbrückungsprogramm bis Mai, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Seine Regierung bitte um "die wertvollste aller Ressourcen: Zeit", so Varoufakis. Dann könne Griechenland mit seinen Geldgebern an einer Dauerlösung arbeiten: "Wir tun alles in unserer Macht stehende, um zu vermeiden, dass es einen Zahlungsausfall gibt", sagt Varoufakis. Wie aber genau die langfristige Lösung aussehen könnte, welche Vorschläge, Griechenland auf den Tisch legen wird, lässt Varoufakis offen: Die Regierung sei noch nicht einmal vereidigt, er bitte um Nachsicht.

Stattdessen malt er ein düsteres Bild von drohender politischer Radikalisierung in Griechenland: Nie wieder dürfe eine Große Depression wie die der 1930er Jahre, die zusammen mit anderen Faktoren den Aufstieg von Adolf Hitler beförderte, "stolze, europäische Nationen teilen". Mit Blick auf die rechtsradikale Partei "Goldene Dämmerung" brauche Griechenland Deutschland an seiner Seite, sagte Varoufakis eindringlich. "Wir brauchen das deutsche Volk, um uns im Kampf gegen die Menschenfeindlichkeit zu unterstützen."

"Absprachen müssen eingehalten werden"

Eine Bitte, auf die Schäuble in der Fragerunde nicht weiter eingeht. Stattdessen redet er wieder von Vertrauen und Versprechen: Man müsse, so der CDU-Politiker kühl, auch ein wenig darauf achten, dass Absprachen, die gemacht wurden, auch eingehalten würden.