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Völkerfreundschaft unter Moskauer Stern

Ute Schaeffer28. Juli 2004

Der ukrainische Präsident Kutschma erklärte, sein Land werde keine Mitgliedschaft in EU und NATO mehr anstreben, sondern sich Russland zuwenden. Dass diese Ankündigung in Brüssel ernst zu nehmen sei, meint Ute Schaeffer.

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Der Kotau war gekonnt: Kurz vor einem ukrainisch-russischen Gipfeltreffen verkündete der ukrainische Präsident, dass eine Mitgliedschaft in EU und NATO künftig nicht mehr als Ziele in der verteidigungspolitischen Doktrin des Landes verankert seien. Damit vollzieht die Ukraine öffentlich einen klaren Kurswechsel in Richtung Moskau - auch wenn sich NATO und EU noch um Schadensbegrenzung bemühen, indem sie offiziell nicht reagieren.

Russische Interessen und ukrainische Wirtschaft

Die bisherige Außenpolitik des Landes, die sich um gute Beziehungen in Richtung Ost und West bemüht, der Integrationskurs der Ukraine in Richtung Europa - ist das alles nun also Schnee von gestern? Vieles sieht tatsächlich danach aus. Das aber liegt weniger an den Erklärungen des noch amtierenden Präsidenten Leonid Kutschma, als an den realpolitischen Gegebenheiten und der bevorstehenden Präsidentenwahl. Moskau hat in der Ukraine große Interessen - wirtschaftlicher wie politischer Art.

So haben sich russische Konzerne längst bei Privatisierungen lukrative Häppchen in der ukrainischen Energiewirtschaft gesichert. Der gegenseitige Handel wächst weiter. Durch die Unterschriften der beiden Präsidenten unter das Abkommen eines einheitlichen Wirtschaftsraums wurde - gemeinsam mit Kasachstan und Belarus - der formale Rahmen für mehr wirtschaftliche und politische Integration geschaffen. Übrigens nach dem Vorbild der EU.

Unterstützung aus Moskau

Dies seien bloß Papiergeburten - meinten Beobachter aus dem Westen. Das aber kann sich schnell ändern. Denn es ist Fakt, dass das ukrainische Wirtschaftswachstum vor allem auf den guten Wirtschaftsbeziehungen mit Russland basiert. Zu Beginn der Präsidentenwahl ist nicht zu übersehen, dass in der Ukraine russlandfreundliche Kräfte aus dem Osten des Landes an Bedeutung gewinnen. Sie schicken den amtierenden Regierungschef Viktor Janukowitsch in das Rennen um die Präsidentenwahl. Dieser wird politisch und finanziell aus Moskau unterstützt.

Moskau weiß sehr wohl um die Bedeutung des 48-Millionen-Staates Ukraine für seine Außenpolitik. "Entweder gibt es ein großes Russland oder gar keines", betont der russische Präsident Wladimir Putin immer wieder. Starker Staat, Großmacht, Patriotismus - das sind die Schlüsselworte der russischen Außenpolitik. Und das so genannte "nahe Ausland" nimmt da eine besondere Rolle ein. Moskau will eine Integration der Ukraine in Europa um jeden Preis verhindern.

Keine Perspektive aus Brüssel

Auch aus Rücksicht auf solche Empfindlichkeiten hat Brüssel immer gezögert, der Ukraine klare Angebote zu machen. Es gebe nicht genügend Reformbereitschaft und keine verlässlichen Gesprächspartner, hieß es meist auf europäischer Seite. Die Ukraine bekam einen warmen Händedruck - aber keine konkrete Perspektive.

Mit einer russlandfreundlichen Politik lassen sich in der Ukraine weit mehr Punkte sammeln als mit einer pro-europäischen: Die Mehrheit der Wähler lebt ohnehin im industrialisierten, russischsprachigen Osten, wo die Präsidentenwahl entschieden wird. Der europafreundliche Westen des Landes ist kleiner. Die Wahlkampf- und Politstrategen in Kiew und Moskau wissen das. Die westeuropäischen Staaten werden es in diesem Jahr möglicherweise schmerzhaft lernen. Denn wenn der "Kandidat der Macht", Viktor Janukowitsch, die Wahl gewinnen sollte, dann wird eine stärkere Anbindung an Russland schneller reale Politik als dem Westen lieb sein kann.