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Utöya-Überlebende sagen aus

Agnes Bührig10. Mai 2012

Der Osloer Breivik-Prozess geht mit den Aussagen der Überlebenden weiter. Sie versuchen, das Erlebte zu verarbeiten - auch die junge Siri Marie Seim Sönstelie.

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Gedenkstein vor Insel Utöya (Foto: Agnes Bührig)
Gedenkstein vor der Insel UtöyaBild: Agnes Bührig

Auftakt zur Zeugenvernehmung der Überlebenden von Utöya. Richterin Wenche Eliszabeth Arntzen verlas eine Erklärung, mit der alle Zeugen von Utöya aus dem Saal gebeten werden, die zu einem späteren Zeitpunkt gehört werden sollen. Das Gericht wollte sicher stellen, dass sich die Zeugen nicht gegenseitig beeinflussen. Siv Hallgren, Koordinierungsanwältin der Nebenklage und Vertreterin für eine Reihe von Überlebenden von Utöya, hielt das für überflüssig: "Es geht darum, das Geschehene verarbeiten zu können. Meine Klienten wollen gerne wissen, was um sie herum passierte, auch mit den anderen Teilnehmern des Jugendlagers. Und es geht auch darum, sich auf die eigene Aussage im Zeugenstand vorzubereiten, sich gegenseitig zu unterstützen."

Viele Jugendliche müssen vor Gericht aussagen

Mit Rücksicht auf das junge Alter einiger der Zeugen hat das Gericht den Angeklagten eine Stuhlreihe weiter nach hinten gesetzt. Denn die bevorstehende Konfrontation mit dem Täter belastet etliche der geladenen Jugendlichen schwer. Für das Gericht ist die Zeugenvernehmung jedoch wichtig, um weitere Einzelheiten des Massakers zu beleuchten und die Frage zu klären, ob der Täter zurechnungsfähig war. Für die Zeugen ist es ein weiterer Schritt das Geschehene zu verarbeiten, sagt Siri Marie Seim Sönstelie. Die blonde Norwegerin, Jahrgang 1991, erinnert sich an diffuse Gefühle, als die ersten Schüsse fielen: "Ich erinnere mich, dass ich rannte, an nichts anderes. Mein Körper sagte mir, das hier ist gefährlich. Mein Gehirn schaffte es jedoch nicht, zu analysieren, warum ich lief. Ich lief aufgrund meines Instinktes, ohne viel an Gefühle zu denken, gleichzeitig hatte ich Papa am Telefon, ohne dass wir so sehr viel sagten."

Siri Sönstelie (links), Brede Johbraaten (Mitte), Erik Sönstelie (Foto: Agnes Bührig) Titel: Siri Sønstelie, Brede Johbraaten, Erik Sønstelie vor Verwaltungsgebäude auf Utøya (Agnes Bührig) Schlagworte: Utøya, Sønstelie, Johbraaten, 22. Juli Wer hat das Bild gemacht/Fotograf?: Agnes Bührig Wann wurde das Bild gemacht?: 12.4.2012 Wo wurde das Bild aufgenommen?: Norwegen Bei welcher Gelegenheit/in welcher Situation wurde das Bild aufgenommen?: Interview mit Überlebenden von Utøya, Siri Marie Seim Sønstelie Wer oder was ist auf dem Bild zu sehen?: Siri Marie Seim Sønstelie, der Besitzer des Utvika Campingplatzes, Brede Johbraaten und der Vater von Siri, Erik Sønstelie. Rechteeinräumung: Hiermit räume ich der Deutschen Welle das Recht ein, das/die von mir bereitgestellte/n Bild/er zeitlich, räumlich und inhaltlich unbeschränkt zu nutzen. Vollständiger Name des Zulieferers: Agnes Bührig Postanschrift inkl. Land: Journalistkontor Hästholmsvägen 29, 13171 Nacka, Schweden Mail-Adresse: agnes.buhrig@bostream.nu Zugeliefert am 10.5.2012 durch Daphne Grathwohl. Copyright: Agnes Bührig
Siri Sönstelie (li.) hat ihre Erlebnisse in einem Buch verarbeitetBild: Agnes Bührig

Aufarbeitung des Erlebten

Um die traumatischen Ereignisse zu bearbeiten, hat Sönstelie zusammen mit ihrem Vater ein Buch geschrieben. Es handelt von einer jungen Frau, die auf der Insel um ihr Leben rennt und von ihrem Vater, der an Land versucht, ihr zu helfen. Sönstelie beschreibt, wie sie sich in einer Felsnische versteckte und die Geräusche des Kugelhagels durch die Automatikwaffe des Attentäters immer näher kamen. Und wie sie nach und nach zurück in ihr eigenes Leben fand: "Ich wollte in England studieren, das war mein Plan. Nach dem 22. Juli war jedoch alles in Frage gestellt." Es sei für sie wichtig gewesen, sich ihren Alltag zurückzuerobern, erinnert sie sich. Sie verfolgte trotz allem Erlebten ihre Pläne weiter: "Der Attentäter sollte meine Zukunft nicht mehr zerstören als er es bereits getan hat."

Ein Verwaltungsgebäude auf Utöya (Foto: Agnes Bührig)
Schauplatz des Massakers: Verwaltungsgebäude auf UtöyaBild: Agnes Bührig

Engagement für Demokratie und Menschenrechte

Sönstelie entschied sich, Politik und Menschenrechte in England zu studieren. Ihre Erfahrungen haben ihr politisches Engagement weiter gestärkt. Sie sei sich heute sehr viel bewusster darüber, wo sie politisch steht und dass sie Werte wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit verteidigen will. Und dazu gehört auch, dass man einem Menschen wie Behring Breivik einen fairen Prozess macht, sagt Sönstelie: "Der Prozess ist ein Teil der Verarbeitung des 22. Juli, ein Teil, den wir durchleben müssen, egal wie hart es wird. Nach dem Prozess kommt ein neues Kapitel und ich hoffe, dass der Prozess einen Teil des Schrecklichen, das wir erlebt haben, abschließt."