1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

USA wollen Rolle der Hisbollah akzeptieren

Daniel Scheschkewitz, Washington DC11. März 2005

Die USA betrachten die libanesische radikale Hisbollah-Organisation seit langem als Todfeind. Doch ein friedlicher Wandel im Libanon ohne die Hisbollah ist unmöglich. Dies scheint nun auch die US-Regierung so zu sehen.

https://p.dw.com/p/6M5L
Politischer Führer im Libanon: Scheich Hassan NasrallahBild: AP

Nach Jahren der Verteufelung als reine Terrororganisation scheint die US-Regierung bereit, die Hisbollah im Libanon als politische Kraft zu akzeptieren – dies berichtete am Donnerstag (10.3.2005) die "New York Times". Offenbar ist man in der Bushregierung beeindruckt von der Massendemonstration, bei der die Hisbollah am Dienstag mehrere hunderttausend Menschen auf die Strasse gebracht hatte, die alle ihre Unterstützung für Syrien und gegen eine amerikanische Einmischung im Libanon zum Ausdruck brachten.

Skyline von Beirut, Libanon
Skyline von Beirut, Hauptstadt LibanonsBild: laif/Sasse

Seit dem Anschlag auf eine Unterkunft der US-Marine in Beirut im Jahre 1983, bei der mehr als 200 US-Soldaten ums Leben kamen, steht die libanesische Hisbollah auf der Liste der Terrororganisationen des US-Außenministeriums. Noch am Mittwoch stand im US-Kongress ein Resolutionsentwurf auf der Tagesordnung mit dem an die EU appelliert werden sollte, die Hisbollah ebenfalls als Terrororganisation zu brandmarken. Doch scheint man in der Bushregierung inzwischen, wenn auch widerwillig, zu akzeptieren, dass ein geordneter Truppenabzug der Syrer aus dem Libanon und eine Demokratisierung des Landes ohne eine Einbindung der Hisbollah kaum funktionieren dürfte.

Hisbollah in der Regierung

"Ein Problem mit dem die USA umgehen müssen, liegt nun mal in der Tatsache, dass die neue und unabhängigere Regierung im Libanon eine bedeutende Hisbollah-Komponente haben wird", erläutert Daniel Byman, Nahostexperte an der Georgetown University in Washington. Er weist daraufhin, dass die Schiitenorganisation, die von Syrien und dem Iran unterstützt wird, über mehr als ein Dutzend Sitze im Parlament verfügt, einen Fernsehsender besitzt und wichtige soziale Aufgaben in der libanesischen Gesellschaft übernimmt, also Teil der Zivilgesellschaft ist. "Hisbollahs soziale und politische Aktivitäten sind echt", sagt Byman. "Doch das bedeutet nicht, dass sie nicht auch zu terroristischen Aktivitäten in der Lage wären."

Große Abneigung

Bislang bestanden die USA immer auf einer Entwaffnung der Hisbollah, zusammen mit dem in UN-Resolution 1559 vorgesehenen syrischen Truppenabzug aus dem Libanon. Doch nach Informationen der New York Times will die Bushregierung diese Forderung zumindest vorerst zurückstellen, um die einflussreichen schiitischen Kräfte im Libanon nicht weiter gegen Amerika aufzubringen.

Offiziell will das in Washington bislang niemand eingestehen. Die Aversion gegen die für das Attentat von 1983 gegen US-Truppen verantwortliche Organisation ist dazu zu groß. Hinter den Kulissen scheint man sich jedoch der französischen Einschätzung anzunähern, dass ein friedlicher demokratischer Wandel im Libanon gegen die Hisbollah zum Scheitern verurteilt ist.