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US-Wirtschaft als Achillesferse

Oliver Samson30. Januar 2004

Sie gilt als Schwachstelle von Präsident George W. Bush: die US-Wirtschaft. Den satten Wachstumsraten steht das gigantische Doppeldefizit entgegen. Spielt Bush ökonomisches va banque?

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Keine Sorge um den Haushalt: George W. BushBild: AP

Die Bundesregierung rechnet in diesem Jahr laut dem am Mittwoch (28.1.2004) vorgestellten Jahreswirtschaftsbericht mit einem Wachstum zwischen 1,5 und zwei Prozent. Dies gilt als Erfolg im wachstumsschwachen Europa. Aus den USA werden indes ganz andere Wachstumsraten vermeldet: Stolze 8,2 Prozent sollen es laut US-Wirtschaftsministerium im vierten Quartal 2003 gewesen sein – das beste Ergebnis seit 20 Jahren. Dem gegenüber steht aber die gigantische Hypothek der US-Ökonomie: Das überparteiliche Congressional Budget Office, verantwortlich für Analyse und Prognose der Staatsfinanzen, errechnete für 2004 ein Haushaltsdefizit von fantastischen 477 Milliarden US-Dollar - dies sind fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes. In absoluten Zahlen ist es das höchste Defizit in der Geschichte der USA und nochmals gut 100 Milliarden mehr als im Vorjahr. Nur drei Jahre zuvor hatten die USA noch einen Überschuss erwirtschaftet. Und mit mehr als 490 Milliarden Dollar ist das Außenhandelsdefizit, die Differenz zwischen Import und Export, ebenfalls auf Rekordkurs – mit steigender Tendenz.

Keine Sorge

Grafik Haushaltsdefizit
Grafik US-Haushaltsdefizit

Offiziell sorgen diese Zahlen für keine ernsthafte Beunruhigung im Regierungslager von US-Präsident George W. Bush. Das Haushaltsdefizit könne unter Kontrolle gebracht werden, wenn das Wirtschaftswachstum sich weiter auf hohem Niveau halte, lautet die Maxime. Und so wird es bis zur Präsidentenwahl am 2. November 2004 wohl bei der bisherigen Politik bleiben: Generöse Steuergeschenke für die Wohlhabenden und massive Staatsausgaben - wie vor allem für den Krieg gegen den Terrorismus - sollen das Wachstum weiter stützen. Haushaltskonsolidisierung bleibt hingegen ein zweitrangiges Ziel.

"Dabei, sich zu ruinieren"

Viele Ökonomen betonen jedoch inzwischen die Gefahren dieser Politik. Der Internationale Währungsfond (IWF) warnte schon Anfang Januar 2004 vor den möglichen Folgen des enormen Doppeldefizits. Auch Oscar Erich Kunze vom Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München sieht in Bushs Politik Zündstoff für die Weltwirtschaft. "Bush spielt va banque", meint der Amerika-Experte. Die USA seien dabei, sich zu ruinieren – schließlich seien die Vereinigten Staaten schon heute das am höchsten verschuldete Land der Welt, so Kunze.

Günter Weinert vom Hamburger Weltwirtschaftsarchiv beurteilt Bushs Politik nicht ganz so kritisch. Auch er sieht in dem amerikanischen Doppeldefizit zwar einen "Risikofaktor" für die Weltwirtschaft, aber: "Wenn jemand momentan etwas für das Wachstum der Weltwirtschaft tut, dann sind das die Amerikaner. Und das ist ja auch in Deutschland hochwillkommen", so Weinert. Die wirtschaftspolitische Stimulierung des Wachstums durch die Regierung Bush sei zwar "unorthodox", aber bisher habe sie schließlich funktioniert.

Forderung nach "ruhiger Hand"

Die Experten sind sich aber darüber einig, was für den US-Präsidenten angesichts der prekären Finanzlage zu tun sei: Konsolidisierung mit "ruhiger Hand", so Kunze, und eine Abkehr von den Steuersenkungen. Doch speziell in der Fiskalpolitik will Bush davon nichts hören. In Wahlkampfzeiten ist eine Abkehr von Steuersenkungen dem Wähler eben nur schlecht zu verkaufen.

Eine grundlegende Kurskorrektur ist also wahrscheinlich erst nach dem 2. November 2004 zu erwarten – wenn Bush dann noch Präsident sein sollte. Zumindest Kunze hat daran erhebliche Zweifel. Denn in einem für die Wähler entscheidenden Punkt hat sich trotz brummender Konjunktur wenig getan: Die Zahl der Arbeitslosen ist trotz der hohen Wachstumsraten bisher geringer als erwartet gesunken und liegt bei für amerikanische Verhältnisse hohen sechs Prozent – und genau dies dürfte Bush von seinem demokratischen Herausforderer weitaus öfter zu hören bekommen, als ihm dies lieb sein wird.