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US-Unternehmen setzen Waffenlobby unter Druck

Sophie Schimansky New York
28. Februar 2018

Nach dem Amoklauf in Florida streitet Amerika wieder einmal um das Waffengesetz. Doch dieses Mal kommt der Druck nicht nur aus der Politik, sondern auch von Unternehmen und deren Kunden. Sophie Schimansky aus New York.

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USA Hauptquartier der National Rifle Association in Fairfax
Bild: picture alliance/dpa/J. Schmitt-Tegge

Am Donnerstagabend geht auf dem Twitter-Account der First National Bank of Omaha ein Tweet raus, der ungewöhnlich viele Likes bekommt. Normalerweise klicken um die 20 Nutzer auf das kleine Herz unter den Tweets der Bank. Doch dieses Mal sind es knapp 4000. Und das ist nur der erste in einer Reihe von identischen Tweets, die alle ähnlich viel Beachtung finden. In den Tweets steht, dass die Bank auf Kunden-Feedback hin die Partnerschaft mit der größten amerikanischen Waffenlobby NRA beenden wird. Die Bank hatte eine Kreditkarte nur für Mitglieder des Lobbyverbands angeboten, mit besonderen Konditionen.

Twitter ist nach dem Amoklauf an einer Schule in Florida wieder einmal der Schauplatz für den Aufstand der Amerikaner geworden. Das Ziel dieses Mal ist die größte und reichste Lobby-Gruppe Amerikas: Die National Rifle Association. Unter dem Hashtag #BoycottNRA rufen Nutzer sich gegenseitig und Unternehmen wie die First National Bank of Omaha dazu auf, die Verbindungen zur NRA zu kappen. Es ist das Zusammenspiel von sozialen Medien und aufgebrachten Amerikanern, das sehr effizient dafür gesorgt hat, dass sich seit der Tragödie mehrere Dutzend Unternehmen von der NRA distanziert haben.

Unternehmen beenden ihre Rabatt-Programme für NRA-Mitglieder

Sie alle sind jahrzehntelang Teil des Anreizprogramms der NRA gewesen. Bei einer jährlichen Mitgliedschaft für etwa 30 Dollar im Jahr erhielten NRA-Mitglieder eine lange Liste an Vergünstigungen von Versicherern wie MetLife, den Fluggesellschaften United Airlines und Delta, Autovermietungen wie Hertz und Alamo, Hotelketten bis hin zu Weingütern und einem Hersteller von Hörgeräten. Die NRA ist laut einer Studie von Fortune eine der Top Drei einflussreichsten Lobby-Organisationen im Lande, ihre Kontakte reichen bis tief in die amerikanische Geschäftswelt hinein.

Schießplatz Waffentraining Privat USA Arizona Waffenlobby NRA Wüste
Bringt Geld in die Vereinskasse: Schießtraining, organisiert von der Waffenlobby NRABild: picture-alliance/dpa

Druck der Konsumenten wächst

Doch die Unternehmen geben jetzt dem Druck ihrer Kunden nach, diese Kontakte abzubrechen. "Die NRA ist schlecht fürs Geschäft", sagt William Klepper, der an der Columbia Universität Management unterrichtet. Die Unternehmen steckten in einem ethischen Dilemma, sagt Klepper. Sie müssen nun abwägen, was den größeren Schaden anrichtet - Kunden zu verlieren oder die fünf Millionen NRA Mitglieder zu verprellen. "Momentan gewinnen der Kunde und sein Geld", sagt Klepper.

Tatsächlich ist der Druck nach der jüngsten Tragödie so groß, dass die Unternehmen sich massenweise auf die Seite der Kunden schlagen, die mit Boykott drohen. "Die Auftritte der Schüler aus Parkland und ihre Präsenz in sozialen Medien haben einen starken Effekt gehabt", sagt Klepper. Unternehmen könnten es sich schlicht nicht leisten, noch weiterhin mit der NRA verbunden zu sein.

Die NRA schlägt zurück

Die NRA antwortete auf die flächendeckende Ablehnung mit einem Statement auf ihrer Website am vergangenen Samstag. Die Unternehmen würden damit nur die Mitglieder der NRA bestrafen, die rechtschaffene Doktoren, Feuerwehrmänner und Lehrer seien. Sie nannte den Boykott eine "beschämende Zurschaustellung politischer und staatsbürgerlicher Feigheit". Es würden sich rasch neue Unternehmen finden, die ähnliche Rabatte böten.

Doch selbst wenn die NRA nun einige der nach eigenen Angaben fünf Millionen Mitglieder verlieren wird, wird ihr das zumindest finanziell nicht weiter zusetzen, sagt Josh Israel vom Investigativ-Team ThinkProgress. "Der Großteil des Geldes kommt nicht von den Mitgliedern, sondern aus anderen Quellen." So verdient die NRA viel Geld mit ihren Trainingsprogrammen für Schützen. Laut Steuererklärung trugen diese Programme in 2015 den größten Teil des Umsatzes bei, nämlich 53,5 Prozent, rund 180 Millionen Dollar. Auch private Großspenden helfen der NRA maßgeblich bei der Finanzierung. CNN Money schreibt, dass die NRA zwischen  2005 und 2014 fast 85 Millionen Dollar an Spenden von einzelnen Geldgebern erhalten hat. In 2014 sollen es 22 Millionen gewesen sein.

USA Symbolbild Waffengesetze
Proteste gegen die NRA flammen nach neuen Massakern regelmäßig aufBild: Getty Images

Allerdings könnte es der NRA gefährlich werden, wenn die großen Waffenhersteller ihre Investoren verlieren. Denn die NRA ist eng verbunden mit dem Schicksal der Hersteller und deren Umsätzen. Hersteller wie Sturm & Ruger beteiligen die NRA direkt an ihren Erlösen. Für jede gekaufte Waffe gibt Sturm & Ruger einen Dollar an die Lobby-Gruppe. Mit einem Blick auf den jüngsten Quartalsbericht dürften das mehrere Millionen Dollar gewesen.

Geldgeber der Waffenhersteller könnten sich zurückziehen

Die größte Vermögensverwaltung der Welt, Black Rock, ist der größte Aktionär der Waffen- und Munitionsherstellern Sturm & Ruger und American Outdoor Brands und der zweitgrößte Aktionär von Vista Outdoor. Black Rock hat sich noch nicht zurückgezogen. Sie sind in ganze Portfolios investiert und können nicht so leicht ein einzelnes Unternehmen entfernen, sagt Israel. Aber Black Rock hat um Antworten gebeten, wie die Hersteller in Zukunft mit solchen Tragödien umgehen wollen. Auch die Bank of America hat eine entsprechende Mitteilung herausgegeben. Beide reagieren damit auf den Druck ihrer Anleger, deren Geld sie verwalten. Damit lassen sie die Hersteller zumindest wissen, dass sie ein wachsames Auge auf sie haben.

Der vereinte Druck aus der Wirtschaft hat eine ganz andere Wirkung als die politischen Debatten der letzten Jahre, sagt Klepper. "Die Politiker spielen auf Zeit", sagt er, deswegen sei der politische Druck stets verflogen. Konsumenten und Unternehmen aber hätten eine unnachgiebige Stimme. "Wenn die Unternehmen nicht umgehend handeln, verlieren sie Kunden!"