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US-Militär im Irak: Rückzug oder Rotation?

Peter Philipp7. November 2003

Die USA wollen nach Angaben aus Washington im nächsten Jahr einen Teil ihrer Soldaten aus dem Irak abziehen. Aber dies als Beginn eines Rückzugs zu deuten, wäre eine Fehlinterpretation.

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USA wollen im Irak weiterhin Flagge zeigenBild: AP

Die USA planen, Truppen zu rotieren, sie werden aber im kommenden Jahr in fast derselben Stärke im Irak vertreten sein wie bisher. Diskussionen über die beträchtliche Reduzierung waren also offensichtlich verfrüht. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld ging einen Schritt weiter und versicherte, dass die Gesamtzahl der Truppen und Sicherheitsorgane im Irak sich kontinuierlich vergrößere: Schon heute stelle der Irak selbst das "zweitgrößte Kontingent" der Koalition und nächstes Jahr werde die Stärke der irakischen Truppen wahrscheinlich die des US-Militärs im Irak übersteigen.

Solch eine Entwicklung wird nur möglich sein, wenn es Washington gelingt, den Plan der "Irakisierung" der Sicherheitsorgane im Irak erheblich zu beschleunigen. Bisher hatte man sich darauf konzentriert, Tausende von Polizisten auszubilden oder aus dem Zwangsruhestand zurückzurufen, in den sie mit dem Fall des Saddam-Regimes geraten waren. Angesichts der wiederholten blutigen Angriffe auf Polizeischulen und Polizeistationen hält sich die Bereitschaft der Iraker aber in Grenzen, sich der Polizei anzuschließen.

Arbeitslose Soldaten - ein Risikopotenzial

Ähnlich dürfte es werden, wenn Washington tatsächlich den Plan verwirklicht, Angehörige des aufgelösten irakischen Militärs zu reaktivieren: Es war nach übereinstimmender Meinung von Experten ein Fehler, das gesamte Militär aufzulösen und nach Hause zu schicken, denn seine Angehörigen hatten unter Saddam wenigstens ein geringes Einkommen und sie gehören nun zum großen Heer der Arbeitslosen, die leichter der Verlockung erliegen dürften, sich gegen Bezahlung an Angriffen auf die amerikanischen Besatzer zu beteiligen. Zumindest sind informierte Kreise überzeugt, dass ein Teil der täglichen Angriffe aus dieser Richtung kommt. Ein Grund mehr, daran zu zweifeln, dass es ohne größere Probleme möglich sein wird, die ehemaligen Offiziere und Soldaten zurückzuholen.

Und dennoch: Der Irak und auch die Amerikaner brauchen so rasch wie möglich eine größere Überantwortung der Sicherheit auf irakische Stellen. Selbst wenn diese zunächst noch als "Kollaborateure" verschrien sein dürften: Erst wenn Iraker von Irakern kontrolliert und auch geschützt werden, kann man davon sprechen, dass ein erster wichtiger Schritt in Richtung auf einen echten irakischen Neubeginn gemacht ist.

Irakisierung der Sicherheitskräfte tut Not

Wobei allerdings feststehen muss, dass Polizei und Militär alleine natürlich nicht die Haupt-Faktoren einer irakischen Staatsreform sein können und dürfen. Wenn Präsident Bush den Irak zu einer Demokratie machen will, dann muss er dafür sorgen, dass diese Sicherheitskräfte möglichst rasch irakischen Instanzen unterstehen und nicht mehr dem Sonderbeauftragten Paul Bremer. In Frage kommen hierbei nur für eine sehr kurze Zeit die Mitglieder des irakischen Regierungsrates, die möglichst bald abgelöst werden sollten durch eine frei gewählte Regierung, die ihre Macht auf eine freiheitliche und demokratische Verfassung stützt.

Dies entspricht durchaus den erklärten Zielen Washingtons und man würde sich ihnen sicher rascher nähern, wenn man nicht mit den blutigen Angriffen konfrontiert wäre, die den US-Truppen das Leben im Irak erschweren. Es wäre aber vermessen zu fordern, dass diese Ziele sechs Monate nach der offiziellen Beendigung der Kampfhandlungen hätten erreicht sein müssen. In Afghanistan hat es zwei Jahre gedauert, bis jetzt ein Verfassungsentwurf vorgelegt wurde und bis zu den ersten Wahlen kann noch ein Jahr vergehen. Und in Deutschland dauerte es nach dem Zweiten Weltkrieg vier Jahre bis zur Verfassung und den ersten Wahlen. Und sogar zehn Jahre, bis Deutschland wieder souverän wurde.