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Politik

"Wir werden auch diesen Sturm überleben"

Marc Saha
2. Juni 2017

US-Präsident Trump befindet sich weiter im Wahlkampf-Modus, glaubt der US-Politikwissenschaftler Jackson Janes. Der Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag sei eine Geste für seine Wählerschaft. Europa müsse nun reagieren.

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USA Pariser Klimaabkommen- Präsident Donald Trump kommt in Rose Garden an
Wen hat Donald Trump bei seinen Entscheidungen im Blick?Bild: Reuters/K. Lamarque

Die USA stehen jetzt in einer Reihe mit Syrien und Nicaragua - quasi als Schurkenstaaten  des Weltklimas – ist das Trump und seinem Team egal, in welcher Gesellschaft sie sich befinden?

Die sind momentan mit sich selbst beschäftigt. Und nachdem, was wir gehört haben, ist die Frage, wie weit das jetzt anhält. Trump ist nach wie vor im Wahlkampf-Modus und möchte auch nur eine Gruppe ansprechen: seine Wählerschaft.  Das war jetzt nicht nur in Sachen Paris-Abkommen deutlich, sondern auch bei seinem Besuch in Brüssel.

Trump hat sich in seiner Rede als jemand dargestellt, der alles aus dem Weg räumt, was seiner Meinung nach die US-amerikanischen Interessen behindert - wie kommt es, dass dieses America First-Gefühl so populär geworden ist?

Das ist gar nicht so populär. Trump hat die Wahl im November 2016 ja nur haarscharf gewonnen. Aber er spricht eben die Leute an, die ihn ins Weiße Haus gewählt haben - Menschen, die sich benachteiligt fühlen. Solange sich seine Innen- und Außenpolitik an diese Leute richtet, geht es nur darum, dass er deren Interessen verteidigt.

Er sei gewählt, um Pittsburgh zu repräsentieren, nicht Paris, hat Trump gesagt. Der Bürgermeister von Pittsburgh will aber an den Pariser Klima-Richtlinien festhalten. Wen will Trump eigentlich repräsentieren?

Die Arbeitslosen oder diejenigen, die Angst haben, ihren Job zu verlieren. In Pittsburgh habe ich übrigens selber einmal gewohnt; das ist ein Paradebeispiel für eine Stadt, die sich selbst renoviert hat. Aber es gibt eben auch Gegenden, die nicht so gut dran sind. Solange es eine Spaltung in der amerikanischen Bevölkerung gibt, wird er sie ausnutzen.

Unter den Ländern, die Trump besonders heftig kritisiert, vor allem beim Thema Exportüberschuss, ist Deutschland - wie sind wir in sein Visier geraten?

Merkel bedeutet für ihn nicht nur Deutschland, sondern Europa. Und er sieht Europa als Konkurrenten und nicht als Partner. Er versteht wahrscheinlich nicht, was Europa als ganzes bedeutet und wie komplex es ist. Merkel ist für ihn kein Gegner, sondern ein Konkurrent.

Machen sich die Transatlantiker in Deutschland und Europa etwas vor, die immer noch hoffen, Trump würde sich wieder besinnen oder per Impeachment aus dem Amt gekickt werden?

Das ist das Prinzip Hoffnung. Es ist nicht zu erwarten, dass sich Trumps Charakter ändert. Realistischer ist, je mehr er in diese Richtung marschiert, desto mehr wird eine Gegenreaktion erzeugt. Nicht nur aus der Demokratischen Partei, sondern auch seiner eigenen Partei, den Republikanern. Dort schätzen viele, was sie in den vergangenen 70 Jahren aufgebaut haben, mit Europa oder auch mit Japan. Trump dagegen ist einfach zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Das bedeutet, dass die Leute mit einem breiteren Horizont sich einschalten müssen. Denn die USA haben ein großes Interesse, sich nicht zu isolieren, sondern auch mit anderen gemeinsam Probleme anzupacken. Ich setze meine Hoffnung auf vernünftige Kräfte im US-Kongress, in beiden Parteien, aber auch in den einzelnen Bundesstaaten. Wir haben ja gesehen, wie schnell da aus manchen Bundesstaaten und Städten Kritik an Trumps Entscheidung geäußert worden ist.

Prof. Dr. Jackson Janes - Präsident des American Institute for Contemporary German Studies
Jackson Janes, Direktor des American Institute for Contemporary German Studies der Johns Hopkins University in Washington, D.C.Bild: DW

Das heißt, Europa sollte sich stärker mit den John McCains oder Elon Musks verbünden?

Man sollte sich nicht hypnotisieren lassen vom Weißen Haus - es ist nur eine von vielen Machtstrukturen in den USA. Es ist ein großes Land mit einer großen Menge an unterschiedlichen Meinungen. Ich bin gespannt, wie sich das entwickelt. Eine Amtsenthebung, ein Impeachment wird es aber nicht geben. Das ist eine falsche Hoffnung.

Sind die deutsch-amerikanischen Beziehungen nun endgültig auf dem Tiefpunkt seit 1945 angekommen?

Überhaupt nicht. Wir haben solche Stürme doch schon erlebt. Denken Sie nur an das Jahr 2003, an den Irak-Krieg und an das Verhältnis von Gerhard Schröder zu George W. Bush. Das haben wir auch deshalb überlebt, weil man dort gesehen hat, dass es doch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede gibt.

Selbst wenn wir Europäer mit anderen Strömungen in den USA im Dialog bleiben, am formell mächtigsten Mann der Welt, an Donald Trump, kommen wir nicht vorbei - wie lässt sich dieses konfliktreiche Verhältnis  reparieren?

Die Europäer sollten die USA immer wieder daran erinnern, dass es besser ist, gemeinsam Probleme zu lösen, sei es Iran, sei es Syrien, sei es das Weltklima. Das ist Aufgabe der Europäer, hier aktiv zu sein. Es hilft nicht, einfach zu sagen, 'mit dem spiele ich nicht mehr, der ist verrückt.' Es ist notwendig, sich zu engagieren. Zeigen Sie den Amerikanern, warum es wichtig ist, sich zusammenzutun.

Welchen Anteil an dem Klimawandel im deutsch-amerikanischen Verhältnis haben Angela Merkel und Donald Trump?

Solange ich denken kann, haben die jeweiligen Führungspersönlichkeiten das Klima geprägt, so wie bei Kennedy und Adenauer oder auch Bush junior und Schröder, die ich bereits erwähnt habe. Wir haben zwei unterschiedliche politische Systeme, die dann eben bei uns einen Präsidenten Donald Trump hervorbringen und bei Ihnen seit zwölf Jahren eine Kanzlerin Angela Merkel. In der Vergangenheit haben der jeweilige US-Präsident und der jeweilige Bundeskanzler immer versucht, trotz aller Unterschiede Gemeinsamkeiten zu finden. Und oft ist das gelungen. Ich habe gut in Erinnerung, wie kritisch Ronald Reagan anfangs in Deutschland betrachtet wurde. Barack Obama dagegen konnte in den Augen der Deutschen ja übers Wasser gehen, ohne nass zu werden. Dieses rauf und runter hatten wir schon oft.

Sie arbeiten ja als Deutschland-Kenner in den USA. Werden Sie in der letzten Zeit oft gefragt, warum wir Deutschen uns gegenüber den USA so verhalten, wie wir es machen?

Wir erkennen Deutschland als Führungsmacht in Europa an, aber nicht als einzige Führungsmacht. Ich glaube, die Dynamik, wie Deutschland Europa aus der Mitte heraus führt, ist einfach für viele meiner Landsleute nicht zu verstehen. Wir sind ein Land, das es gewohnt ist, eigenständig zu handeln. Die Beziehungen zwischen den USA und Europa sind die tiefsten Beziehungen, die Amerika eingegangen ist. Und doch bleiben Rätsel, zum Beispiel, warum sind die Deutschen aus der Kernenergie ausgestiegen. Andererseits ist Deutschland für uns Amerikaner tagtäglich sichtbar, etwa durch die starke Präsenz von Autoherstellern, die Millionen Amerikanern Jobs bieten.

Jackson Janes ist Direktor des American Institute for Contemporary German Studies der Johns Hopkins University in Washington, D.C.

Das Interview führte Marc Saha.