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US-Defizit: Gefahr für die Weltwirtschaft oder Panikmache?

Michael Knigge9. Januar 2004

Das Rekord-Haushaltsloch der USA ist eine Gefahr für die Weltwirtschaft. Mit dieser These greift der Internationale Währungsfonds (IWF) die US-Finanzpolitik an. Für Experten eine sehr umstrittene Prognose.

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Rote Zahlen im blauen Einband:<br>US-HaushaltBild: AP

Der IWF ist allgemein nicht als Hort des Anti-Amerikanismus bekannt. Für um so mehr Aufsehen sorgt deshalb der Bericht der Organisation zur amerikanischen Finanzpolitik. In ungewöhnlichem hartem Ton kritisieren die Autoren die US-Finanzpolitik und das Rekord-Defizit der Regierung. Obwohl die USA die Weltwirtschaft in den vergangenen Jahren durch Zinssenkungen zweifellos unterstützt habe, "bergen große US-Defizite auch bedeutende Risiken für den Rest der Welt", heißt es in der am Mittwoch (7.1.2004) in Washington veröffentlichten Studie.

Tatsächlich vollzog sich der Wandel vom Sparer zum Rekord-Schuldner in rasender Geschwindigkeit. Im abgelaufenen Finanzjahr stieg das US-Haushalts-Defizit auf 374 Milliarden Dollar - ein Rekordwert. Nur drei Jahre zuvor hatten die USA noch einen Überschuss erwirtschaftet. Auch für das laufende Jahr erwarten Wirtschaftsexperten einen weiteren Anstieg des Defizits.

Schizophrene Haltung

Trotz des raschen Tempos und der Höhe der Verschuldung ist die These, dass vom US-Haushaltsdefizit eine Gefahr für die Weltwirtschaft ausgeht, unter Fachleuten umstritten. „Ich denke, man muss die Kirche im Dorf lassen. Wenn die Amerikaner das nicht gemacht hätten, würde es um die Weltkonjunktur heute noch viel schlimmer stehen", betont Stefan Schneider, Chief International Economist and Head of Macro Trends bei Deutsche Bank (DB) Research. Seiner Auffassung nach ist die Haltung zahlreicher Kritiker des amerikanischen Haushaltsdefizits schizophren: Einerseits werde über das hohe Defizit als Gefahr für die Weltkonjunktur geklagt, andererseits werde über jedes in den USA verkaufte Auto gejubelt.

"Wir sehen zurzeit keine großen Risiken das die USA das Haushaltsdefizit nicht in den Griff bekommen, weil uns klar ist, dass der nächste US-Präsident - ganz egal wie er heißt - das strukturelle Haushaltsdefizit angehen wird", erläutert Schneider. Im Klartext: Die Experten von DB Research erwarten, dass in den USA 2005 oder 2006 die Staatsausgaben wieder reduziert und die Steuern wieder erhöht werden.

Skeptischer Ausblick

Andere Wirtschaftskenner blicken etwas skeptischer in die Zukunft. Ob das Haushaltsdefizit die Weltwirtschaft gefährde, hänge von der weiteren Konjunkturentwicklung in den USA ab, sagt HSBC Trinkaus & Burkhardt-Okönom Thomas Amend. "Wenn die Wirtschaft über das zweite Quartal hinaus die momentane Dynamik beibehält, dann wird der Abbau des Haushaltdefizits kein Problem sein. Wir sind jedoch was die US-Konjunktur angeht für das Gesamtjahr nicht ganz so optimistisch."

Denn um die Arbeitslosigkeit zu senken müssten jeden Monat 150.000 neue Jobs geschaffen werden, ergänzt Amend. Aber bislang habe trotz des Rekordwachstums der US-Wirtschaft im vergangenen Quartal und der vielen neu geschaffenen Arbeitsplätze immer noch keine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden. Derzeit liegt die Arbeitslosenquote der USA noch immer bei rund sechs Prozent - und damit für amerikanische Verhältnisse vergleichsweise hoch.

Trendwende in diesem Jahr

Dagegen erwartet DB Research-Experte die Trendwende der US-Wirtschaft - die Voraussetzung für den Abbau des Defizits - noch in diesem Jahr. "Nach unserem Szenario wird der Wirtschaftsaufschwung in diesem Jahr selbsttragend, das heißt die Investitionen der Privatwirtschaft und die Ausgaben der Verbraucher ziehen an und die Gewinne der Unternehmen steigen weiter." Schon jetzt sei das Gewinnwachstum der Unternehmen in den USA deutlich stärker als in der EU, fügt er hinzu. Doch die Europäer wären ohnehin schlecht beraten das hohe Haushaltsdefizit der USA zu kritisieren. Schließlich haben mit Deutschland und Frankreich zwei der wichtigsten EU-Staaten für 2004 Defizite von 3,5 Prozent nach Brüssel gemeldet und den Stabilitätspakt wiederholt verletzt.