1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Urteil mit Signalwirkung

Sarah Steffen18. Februar 2014

Der in Deutschland lebende Ruander Onesphore Rwabukombe ist wegen Beihilfe zum Völkermord in seiner Heimat vor 20 Jahren verurteilt worden. Menschenrechtler sprechen von einem wichtigen Signal.

https://p.dw.com/p/1BBBt
Onesphore Rwabukombe (Foto:
Bild: imago/epd

Menschenrechtler und Opfervertreter haben das erste Urteil eines deutschen Gerichts zum Genozid in Ruanda vor 20 Jahren begrüßt. Die Verurteilung des ehemaligen Hutu-Politikers Onesphore Rwabukombe wegen Beihilfe zum Völkermord an der Tutsi-Minderheit in seinem Heimatland Ruanda sei "ein wichtiges Signal", sagte Patrick Kroker, Völkerrechtsexperte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. "Es ist eine wichtige Botschaft nicht nur an Ruanda, sondern an die gesamte Menschheit", sagte Tom Ndahiro, der sich in Ruanda für die Aufarbeitung des Völkermords einsetzt, der DW. Das Urteil in Deutschland zeige: Wenn jemand solch eine schwerwiegende Straftat wie Genozid verübe, könne er sich der Gerechtigkeit nicht entziehen, so Ndahiro.

Das Oberlandesgericht Frankfurt hatte den 56-jährigen Onesphore Rwabukombe am Dienstagmorgen (18.02.2014) zu 14 Jahren Haft verurteilt. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, dass der ehemalige Bürgermeister einer Gemeinde in Ostruanda 1994 ein Massaker an Hunderten Tutsi auf dem Kirchengelände der Ortschaft Kiziguro mit angeordnet, organisiert und überwacht habe. In der Stadt waren mindestens 400 Menschen getötet worden.

Interview mit Hilke Fischer zum Urteil aus Frankfurt

Onesphore Rwabukombe wurde jedoch nicht wegen Mittäterschaft verurteilt, sondern lediglich wegen Beihilfe. Es habe nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden können, dass dem Angeklagten eine "wesentliche Funktion" zugekommen sei, so das Gericht. Die Verteidigung, die auf Freispruch plädiert hatte, kündigte an, Berufung einzulegen.

Wichtigste Botschaft: schuldig

"Das Wichtigste ist, dass das Gericht diesen Mann, diese einflussreiche Person, schuldig gesprochen hat", sagte der ruandische Menschenrechtler Ndahiro. Auch die Ankläger von der Generalbundesanwaltschaft zeigten sich in einer ersten Reaktion auf das Urteil zufrieden. "Wir sind sehr zufrieden, dass hier gezeigt wurde, dass die deutsche Justiz in der Lage ist, ein solches Verfahren, ein solch schwieriges Verfahren, rechtsstaatlich über die Bühne zu bringen", sagte Christian Ritscher, Bundesanwalt an Frankfurts Oberlandesgericht. Allerdings hatte die Anklage eine Verurteilung Rwabukombes als Mittäter gefordert. Warum das Gericht dieser Einschätzung nicht folgte, und ihn lediglich wegen Beihilfe verurteilte, werde die schriftliche Urteilsbegründung zeigen, so Ritscher. Wenn diese vorliege, werde die Staatsanwaltschaft eine mögliche Revision prüfen.

Verurteilung wegen Massaker in Ruanda

Opfervertreter, die im Prozess in Frankfurt als Nebenkläger aufgetreten waren, zeigten sich vom milden Urteil enttäuscht. "14 Jahre sind wenig, aber wir müssen die Entscheidung der Justiz akzeptieren", sagte ein Nebenkläger in Ruanda der DW. "Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hätte man ihn als Täter, der auch eigene Befehlsgewalt hatte, verurteilen müssen. Und das hätte lebenslänglich bedeutet", sagte der Anwalt der Nebenklage, Dieter Magsam. Aber das Strafmaß sei nicht das wichtigste in diesem Prozess - "entscheidend ist, dass anerkannt ist, was passiert ist, und das Rwabukombe einer derjenigen war, der das mitorganisiert hat."

Völkermord-Verbrechen werden geahndet - überall

Rwabukombes Anwälte hatten auf Freispruch plädiert, da sie die Belastungszeugen der Anklage für unglaubwürdig hielten. "Wir waren in diesem Verfahren ausschließlich auf die Angaben von Zeugen angewiesen. Andere objektive Beweismittel gab es nicht", kritisierte Anwältin Natalie von Wistinghausen. Selbst die Richter hätten Anhaltspunkte dafür gesehen, dass diese Zeugen nicht frei gewesen seien, das zu sagen, was sie tatsächlich erlebt haben. "Und wir haben hier nur eine eingeschränkte Handhabe, das tatsächlich zu überprüfen", sagte von Wistinghausen.

Amnesty-Experte Patrick Kroker hofft, dass die Erfahrungen aus dem ersten Verfahren dieser Art in Deutschland bei künftigen Prozessen helfen werden. Das Weltrechtsprinzip werde dadurch gestärkt. Dieses Prinzip besagt, dass Völkermord-Verbrechen unabhängig von Tatort und Aufenthalt der Täter überall verfolgt werden können. "Wir hoffen, dass man in Ruanda wahrnimmt, wenn jemand wegen einer Beteiligung an schlimmen Verbrechen nicht davonkommt", so Kroker. Der Prozess in Deutschland sei dabei nur "ein einzelnes Puzzleteil" - aber es sei zu hoffen, dass das weltweite Strafrecht davon profitiere.

Rwabukombe (Mitte), Anwältin Kersten Woweries (links); Anwältin Natalie von Wistinghausen (rechts)
Rwabukombes Anwälte Natalie von Wistinghausen (r) und Kersten Woweries hatten auf Freispruch plädiertBild: imago/epd