1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Unverantwortliche Angstmache

Peter Philipp21. September 2007

Terror – das heißt nicht nur Gewalteinsatz, um ideologische Ziele zu erreichen. Es bedeutet auch, eine unbeteiligte Bevölkerung zu verängstigen. Genau das machen gerade auch deutsche Politiker, meint Peter Philipp.

https://p.dw.com/p/BiCm
Bild: DW

"Terrorismus" wird landläufig – und besonders seit dem 11. September – als Versuch radikaler Gruppen und Einzeltäter definiert, zur Erreichung bestimmter politischer Ziele möglichst viele Menschen zu töten oder zu Schaden zu bringen. Angesicht der Anschläge von New York, Madrid und London stößt diese Interpretation auch widerspruchslos auf Zustimmung und die Täter stehen fest: Nicht nur für George W. Bush, sondern zumindest für westliche Politiker allenthalben: Osama Bin Laden, Al Qaida, Islamischer Dschihad und ähnliche Namen sind längst zum Inbegriff für Terror und Terroristen geworden.

Peter Philipp

Dabei bedeutet "Terror" doch aber auch, eine eigentlich unbeteiligte Zivilbevölkerung in Angst und Schrecken zu versetzen und sie damit empfänglicher zu stimmen für die eigenen politischen Forderungen, die man anders nicht durchsetzen könnte. Und genau das erleben wir in Deutschland in letzter Zeit fast täglich. Wobei die "Täter" allerdings nicht aus den Höhlen Afghanistans oder den Bergen des pakistanischen Grenzgebietes stammen, sondern aus der Nähe des Schwarzwaldes, dem Rheingau oder aus Franken. Und wobei diese "Täter" nicht aus dem Untergrund heraus operieren, sondern als Amtspersonen der deutschen Politik.

Politiker verbreiten Angst und Schrecken


Fast jeden Tag werden die Deutschen von führenden Politikern mit neuen Schreckensvisionen verschüchtert und verängstigt. Von der Gefahr atomarer Terroranschläge, von der Gefahr, dass – ähnlich wie damals in Manhattan – gekaperte Linienflugzeuge in deutsche Großstädte gesteuert werden könnten. Oder von der Gefahr, dass Terroristen mit dem Schiff kommen und Anschläge verüben könnten. Von der Gefahr ganz zu schweigen, dass eine scheinbar unüberschaubare Masse von Islam-Konvertiten zu einer Art terroristischen fünften Kolonne geworden ist.

Nicht ob, sondern wann diese düsteren Visionen sich erfüllen, sei die Frage, behaupten Politiker wie Innenminister Wolfgang Schäuble, sein bayerischer Amtskollege Günther Beckstein oder Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung, wenn sie ihre Kassandra-Rufe verbreiten. Und damit verbreiten sie unbekümmert Angst und Schrecken.

Sicherheitsdebatte gehört nicht in Öffentlichkeit


Inzwischen stoßen sich daran sogar die sozialdemokratischen Koalitionspartner in Berlin, obwohl es in der Vorgängerregierung einer der ihren war, der als Bundesinnenminister "Law and Order" einforderte. Es liegt also wohl eher am Amt als an der Person, solche Warnungen abzugeben und als probates Gegenmittel die Verschärfung bestehender Gesetze und mehr polizeiliche Vollmachten einzufordern.

Und es ist natürlich Aufgabe der Politiker, sich darüber Gedanken zu machen, wie man mit möglichen Gefahren fertig werden oder wie man sie vielleicht sogar abwenden kann. So, wie sich die Sicherheitsdienste – in Deutschland sind das immerhin 38 Institutionen – natürlich Gedanken darüber machen und ihre gespenstischen Erstfall-Szenarien durchspielen müssen. Der große Unterschied aber ist: Die Sicherheitsdienste stellen diese Überlegungen intern an und nicht in den Medien. Solche Diskussionen gehören nicht in die Öffentlichkeit. Wenn sie da weiterhin breit getreten werden, ist Al Qaida überflüssig geworden.