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Unterstützung für den Kreml aus der Jamal-Region

28. Februar 2008

Mehr als 90 Prozent des russischen Gases wird in der Jamal-Region gefördert. Dort wählt man kremltreu. Und die Baufirma "Transsibstroi" aus Nowij Urengoj ist der größte Sponsor von Dmitrij Medwedews Wahlkampagne.

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Politik profitiert vom ErdgasgeschäftBild: dpa - Report

Die Jamal-Region im westsibirischen Norden ist mit einer Fläche von 750.000 Quadratkilometern so groß wie Deutschland, Italien und die Benelux-Staaten zusammen. Im Unterschied zu Westeuropa ist es aber ein äußerst dünn besiedelter Landstrich, nicht mehr als ein Stück waldloses Land in der sibirischen Tundra. Die Hälfte der Region liegt schon hinter dem Polarkreis. Frost bis 45 Grad unter Null ist hier keine Seltenheit. Zurzeit liegt die Einwohnerzahl bei 530.000, also etwa vergleichbar mit Duisburg. Die meisten Menschen davon sind neu hierher gezogen. Die riesigen Erdgasvorräte haben sie gelockt. Wenn der autonome Bezirk der "Jamal-Nenzen" ein unabhängiger Staat wäre, würde er die Liste der Gasexporteure anführen. Es ist das Gebiet mit dem größten Erdgasvorkommen - und zwar weltweit.

Mehr als 90 Prozent des russischen Erdgases - das sind fast 600 Milliarden Kubikmeter - werden in der Jamal-Region gefördert. Die Gasbranche ist für Russlands Wirtschaft ein Top-Devisenbringer. Milliarden Euro, die Russland mit dem Gasexport - auch nach Deutschland - verdient, werden von der Kreml-Administration verwaltet. Aber der autonome Bezirk bekommt davon auch reichlich ab, sagt die Vizepräsidentin der örtlichen Industrie- und Handelskammer, Anna Konopkina: "Wenn man sich den Wohlstand der Bevölkerung ansieht, so belegt unser Bezirk in ganz Russland die Spitzenposition. Und die Arbeitslosigkeit bleibt extrem niedrig."

Hohe Löhne, aber auch hohe Kosten

Die Löhne sind hier hoch, zum Teil höher als in Moskau. Die Gasbranche ist traditionell gut versorgt, sagt Roman Dubnizki vom örtlichen Energieunternehmen "Urengoi-Gazprom". Der durchschnittliche Arbeitslohn liegt bei etwa 50.000 Rubel pro Monat - das sind umgerechnet fast 1400 Euro. Dabei wurden die Gehälter der Top-Manager gar nicht mit in die Statistik aufgenommen. Doch ein Rubel im hohen Norden ist weniger wert als im europäischen Teil Russlands, sagt der 27-jährige Dmitrij, gelernter Ingenieur. Er arbeitet auf dem riesigen Erdgasfeld Medweschje. "Die Einkommen hier sind hoch, aber diese Gelder gehen für die "nördlichen" Zuschläge auf alles drauf. Man verdient gut, aber Lebensmittel sind teurer, die Nebenkosten höher, also ist der Lohnunterschied im Vergleich zu den anderen russischen Gebieten kaum zu spüren".

Das Leben ist nicht einfach in der Region. Nur ganz wenige wollen für immer bleiben, weiß Georgij Bodnar, Chef des Unternehmerverbands der Stadt Gubkinskij. "Die Arbeitsbedingungen hier sind hart und das Leben ist schwer - und nicht nur was das soziale Umfeld angeht. Wer uns beneidet, liegt falsch: Das hiesige Klima ist hart und der Arbeitslohn oft nicht höher als in westlichen und südlichen Regionen unseres Landes."

Zuwanderung trotz harten Klimas

Der Sommer, in dem Riesenmoskitos die Menschen plagen, dauert maximal zwei Monate. In der übrigen Zeit herrscht Winter. Die eisige Kälte zwingt die Bewohner sogar, nachts die Motoren ihrer Autos laufen lassen, damit sie am Morgen überhaupt zur Arbeit kommen können. Manchmal bleiben die Kinder wochenlang zu Hause, weil der Schulbesuch wegen Unwettern nicht möglich ist. Dennoch bleibt das Gebiet attraktiv.

"Die Stadt wächst weiter. Schon jetzt sind es 117.000 Einwohner", sagt Iwan Kostogris, der neue Bürgermeister von Nowij Urengoj. Ausländische Investoren sind hier herzlich willkommen. Die BASF-Tochter Wintershall fördert inzwischen Gas zusammen mit Gazprom, auch E.ON will sich an diesem Projekt beteiligen. Aber selbst für die kleineren Unternehmen gibt es reichlich Platz, weiß Gert Schmitter, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Commit mit Sitz in Berlin. "Der Bausektor boomt derzeit sehr stark, da ist deutsches Know-how gefragt. Was kommen wird, ist alles was mit der Abfallproblematik, mit Abwasser zu tun hat. Das sieht man jetzt schon überall. Müllverbrennungsanlagen sollen gebaut werden", so Schmitter.

Gasprom-Mitarbeiter genießen Vergünstigungen

Die Kindergärten sind bis abends geöffnet, sie haben Schwimmhallen, große und schöne Räume, bestes Spielzeug. Es gibt ärztliche Betreuung, Tanz, Musik- und Malunterricht, spezielle Angebote für Vorschulkinder. Gasprom trägt fast alle Kosten. Freilich – wer nicht für den Gasmonopolisten arbeitet, muss für die Unterbringung der Kleinen fast 1.000 Euro pro Monat bezahlen.

Manche können sich das leisten. Die Region boomt. Man wohnt gut. Neben Holzhäuschen und Plattenbauten stehen da und dort neue Wohn- und Bürohäuser. Das schicke Kongresszentrum in Nowij Urengoj würde auch in Deutschland auffallen. Nowij Urengoj – die in ganz Russland bekannte "Stadt der Gasförderer und Bauarbeiter" – ist eine junge Stadt, sagt Vizebürgermeister Wassilij Stepanow, der selbst erst 30 ist. "Das Durchschnittsalter liegt jetzt bei 30,5 Jahren. Die Alterung der Bevölkerung nimmt zu, aber Nowij Urengoj behält trotzdem den Titel der jüngsten Stadt in ganz Jamal", erklärt Stepanow.

Vjacheslav Yurin, DW-Russisch