Unternehmensgründung aus Frust
17. November 2010Bedia Turan möchte Unternehmerin werden. Die wichtigste Voraussetzung dafür hat die gebürtige Türkin bereits erfüllt. Sie hat eine Geschäftsidee und zwar eine gute, wie sie betont. "Das ist eine ganz innovative Idee von mir", so Turan. "Es soll ein soziales Netzwerk im Internet werden, das eine bestimmte Gruppe ansprechen soll und ich bin der Meinung, dass es dafür einen hohen Bedarf gibt." Um was es genau geht, das will Bedia Turan allerdings nicht verraten, denn schließlich ist die Idee das eigentliche Kapital eines jeden Unternehmens.
Seit einem Jahr trägt sich die 43-jährige mit dem Gedanken an die Selbständigkeit. Eigentlich müsste sie das gar nicht, denn sie hat einen sicheren Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst. Doch die Berlinerin will mehr. Sie sei kreativ, sagt sie, die Ideen würden förmlich sprießen. Und Sie fügt hinzu: "Es hat immer etwas gefehlt. Jetzt bin ich in einer Phase, wo die Kinder groß sind. Und jetzt hole ich alles nach, was ich eigentlich schon seit Jahren für mich tun wollte." Da sei es ihrer Meinung nach genau das richtige, ein Unternehmen zu gründen.
Nur wer wagt gewinnt
Bedia Turan gehört zu den Menschen, die Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle gefallen. Menschen, die etwas wagen, die die Wirtschaft mit neuen Ideen vorantreiben und neue Arbeitsplätze schaffen. Im vergangenen Jahr gab es in Deutschland 413.000 Existenzgründungen. In diesem Jahr werden es dank des Wirtschaftsaufschwungs voraussichtlich noch 12.000 mehr sein.
Unternehmertum bringe gute Erfolge, berge aber auch Risiken, betont der Bundeswirtschaftsminister. Aber das schlimmste im Leben sei Langeweile. "Ich hatte immer gemischte Empfindungen, wenn ich jemanden für 40 Jahre Betriebszugehörigkeit das Bundesverdienstkreuz überreicht habe", sagt Brüderle. "Einerseits ist es ja schön, dass er 40 Jahre da war, aber ich habe oft gedacht, vielleicht hätte er einmal in seinem Leben etwas wagen sollen."
Förderung vom Arbeitsamt
Doch den meisten Deutschen ist Sicherheit wichtiger als Wagemut. Die Angst vor dem Scheitern wird von vielen erst dann in Kauf genommen, wenn diese Sicherheit nicht mehr da ist. Das erlebt auch Bärbel Rieger-Hoff jeden Tag. Die Wirtschaftsberaterin arbeitet im Gründerinnenzentrum der Stadtverwaltung Pirmasens, einem strukturschwachen Gebiet in Rheinland-Pfalz mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosigkeit.
"Zu uns kommen ganz viele aus einer Notsituation heraus, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, oder aufgrund ihrer Qualifikation nicht mehr am Arbeitsmarkt unterkommen und die dann in diesen sogenannten Notgründungen ihre berufliche Perspektive und ihre Existenzsicherung sehen", beschreibt Rieger Hoff ihre Kundschaft.
Jede zweite Existenzgründung wird in Deutschland aus wirtschaftlicher Not oder aus drohender Arbeitslosigkeit heraus gewagt. Das liegt auch daran, dass Arbeitslose Fördergelder vom Staat erhalten, wenn sie sich selbständig machen.
Geschäftsidee zählt
Die Bundesagentur für Arbeit ist der größte Gründungsfinanzierer in Deutschland. Gründungsberaterin Rieger-Hoff erlebt es daher nicht selten, dass jemand zu ihr ins Büro kommt und sagt: "Ich habe nicht mehr viel Zeit, in drei Wochen bin ich arbeitslos, ich brauche die Fördergelder. Einen Gewerbeschein für 10 Euro habe ich mir geholt, was muss ich noch tun, um mich selbständig zu machen?"
Doch ohne eine konkrete Geschäftsidee, werden keine Fördergelder genehmigt. Nur zehn von hundert Frauen, die sich von Bärbel Rieger-Hoff beraten lassen, können am Ende in die Selbständigkeit starten. Ob sie Erfolg haben, zeigt sich in der Regel innerhalb der ersten fünf Jahre.
Weltweit wird in dieser Woche die Global Entrepreneurship Week begangen. Dabei geht es darum, Unternehmergeist, Existenzgründungen sowie unternehmerisches Denken und Handeln zu fördern. Auch Deutschland beteiligt sich mit einer bundesweiten Aktionswoche und mehr als 1000 Veranstaltungen.
Autorin: Sabine Kinkartz
Redaktion: Klaus Ulrich