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Mehr oder weniger Europa?

14. September 2011

Die Euro-Debatte in Straßburg wird von Schwarzmalerei, Warnungen und Schuldzuweisungen beherrscht. Lösungen sind nicht in Sicht. Und manche Abgeordnete halten eine mögliche griechische Staatspleite sogar für einen Segen.

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Kommissionspräsident José Manuel Barroso (Foto: dpa)
Malt ein düsteres Bild der Lage: Kommissionschef BarrosoBild: picture alliance / dpa

Eine so düstere Atmosphäre herrschte im Europaparlament selten. Von einer drohenden Katastrophe, einem Abgrund war oft die Rede. Auch Kommissionspräsident José Manuel Barroso sieht die Lage so ernst. "Wir stehen vor der schwierigsten Herausforderung einer Generation", sagte er vor den Abgeordneten. Dies sei ein Kampf um Arbeitsplätze und Wohlstand, um die wirtschaftliche und politische Zukunft Europas, ein Kampf um die europäische Integration selbst.

Barroso beklagte eine Kakophonie von Meinungen statt gemeinsamen Handelns. Vereinbarungen über Haushaltsdisziplin, Rettungsmaßnahmen und gegenseitige Politikabstimmung müssten dringend umgesetzt werden. Und den Gegnern weiterer Hilfen für die Schuldenländer rief er zu: "Den Euro zu stützen ist nicht allein ein Akt der Solidarität gegenüber anderen, es ist ein Akt des Eigeninteresses."

Kritik an den Vorschlägen Merkels und Sarkozys

So wie Barroso warb auch Liberalenchef Guy Verhofstadt leidenschaftlich für einen gemeinschaftlichen europäischen Weg statt für rein nationalstaatliche Zusammenarbeit. Die deutsch-französischen Vorstellungen einer europäischen Wirtschaftsregierung sind für ihn ein Irrweg. "Die Vorschläge von Frau Merkel und Herrn Sarkozy helfen nicht. Eine Regierung von Staats- und Regierungschefs, die sich zweimal im Jahr treffen, ist keine Regierung. Meiner Meinung nach trifft sich eine Regierung zweimal in der Woche und nicht zweimal im Jahr", sagte Verhofstadt und erhielt dafür Applaus.

Sozialistenchef Martin Schulz betonte zwar, die staatlichen Defizite müssten in allen Ländern heruntergefahren werden, aber nicht auf Kosten der Falschen. Während Gehälter und Renten gekürzt und Steuern heraufgesetzt würden, seien die Boni der Banker wieder auf Vorkrisenniveau gestiegen. "Wir können Haushaltsdisziplin in Europa nicht durchsetzen, wenn die Menschen das Gefühl haben, dass die kleinen Leute ewig zahlen müssen und die Risiken übernehmen und die, die viel Geld haben, ihrem Anteil entfliehen können, indem sie das Geld in Steueroasen schaffen."

Eine Frau steht mit einem blauen EU-Schirm vor dem Gebäudekomplex des EU-Parlaments in Brüssel. (Foto: dpa)
Gut beschirmt sein - das ist der Wunsch vieler EU-ParlamentarierBild: picture alliance / dpa

"Wo ist die Solidarität der reichen Griechen?"

Der französische Grünen-Politiker Pascal Canfin sieht die Schweiz als eine solche Steueroase. Er sagte, reiche Griechen hätten 200 Milliarden Euro in Schweizer Banken deponiert. Das entspreche dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt Griechenlands oder zwei Dritteln der griechischen Schulden. "Man kann die europäischen Steuerzahler nicht zu Solidarität auffordern, wenn die reichen Griechen nicht solidarisch sind."

Während etwa Martin Schulz kritisierte, manche redeten eine Staatspleite Griechenlands geradezu herbei, und dabei offensichtlich den deutschen FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler meinte, redeten manche Europaabgeordnete ganz offen darüber, zum Beispiel der belgische Konservative Derk Jan Eppink. Für ihn ist eine Pleite Griechenlands "nur eine Frage der Zeit."

Einige wollten in dieser Krise eine Transferunion mit Euro-Anleihen, für Eppink ist das aber keine Lösung. "Ich verstehe die Sorgen in Deutschland. Die Deutschen werden zahlen müssen. Aber was, wenn Deutschland selbst in Schwierigkeiten gerät? Wer rettet die Retter?" Eppink ist nicht der einzige, der so denkt. Die Bandbreite im Europaparlament reicht von glühenden Europa-Integrationisten bis hin zu ebenso brennenden Nationalisten. So spiegelt die Debatte in Straßburg die gesamte gesellschaftliche Diskussion wider, nicht nur über Wege aus der Euro-Krise, sondern auch über die Frage, wie weit europäische Integration gehen soll.

Autor: Christoph Hasselbach
Redaktion: Martin Muno