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Unser Gast vom 29.03.2009 Wolf Biermann, Liedermacher und Lyriker

Moderator Hajo Schumacher spricht mit Wolf Biermann über sein Leben in beiden Teilen Deutschlands, über seine Lyrik und Lieder und über Lust und Last, ein „dermaßen deutscher Liedermacher“ zu sein.

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Wolf Biermann ist vermutlich der bekannteste Liedermacher Deutschlands. Berühmt wurde der ehemalige Dissident, als die DDR den unliebsamen Regime-Kritiker in den Westen abschob.Aber auch im Westen wurde der große Unbequeme nicht müde als moralische Instanz gegen die Verfehlungen beider deutscher Systeme anzusingen. Mit Gedichten, Liedern, Essays und Polemiken und nicht zuletzt mit seiner Gitarre als Waffe wurde er zum Mythos und zur Galions-Figur einer ganzen Generation von Deutschen.


Wolf Biermann, geboren am 15. November 1936 in Hamburg, wuchs als Kind kommunistischer Eltern auf. Sein jüdischer Vater Dagobert Biermann, wurde 1943 aufgrund seines politischen Engagements im KZ Auschwitz ermordet.

Auch der junge Wolf Biermann war zunächst ein überzeugter Kommunist und ging im Alter von 16 Jahren in die DDR, wo er an der Berliner Humboldt-Universität Politische Ökonomie, Philosophie und Mathematik studierte. Die Staatspartei SED verweigerte ihm jedoch aufgrund seiner zunehmend regimekritischen Äußerungen sein Diplom. Erst 2008 wurde es ihm nachträglich ausgehändigt, zusammen mit einer Ehrendoktorenwürde.

Als Reaktion auf seinen ersten publizierten Gedichtband "Die Drahtharfe", erhielt er bereits 1965 ein vollständiges Auftritts- und Publikationsverbot. Längst hatte er sich vom überzeugten Sozialisten, zu einem wortgewaltigen Regimekritiker gewandelt. In seinen Liedern und Gedichten wandte er sich jedoch nicht nur gegen die Zustände in seiner zweiten Heimat. Auch die Bundesrepublik nahm er immer wieder ins Visier.

Rückblickend urteilt er heute, dass seine frühen Gedichte zwar schon ziemlich gut gewesen seien, so richtig aber hätten ihn die Musen erst geküsst, als er durch die Partei verboten wurde.

Privat war Biermann in dieser Zeit mehrere Jahre mit Eva-Maria Hagen liiert, die ihn während des Verbotes finanziell unterstützte. Nach der Ausweisung folgte sie ihm in den Westen.

Seine legendäre Wohnung in der Chausseestraße 131, damals ein Treffpunkt für Ost-Dissidenten, Künstler und linke Westdeutsche, wird heute von einem ehemaligen Stasi-Mitarbeiter bewohnt.

1976 wurde er aus der DDR ausgebürgert, nachdem er am 13. November ein Konzert in Köln gegeben hatte. Der Vorwurf: er habe das Land und den Sozialismus verunglimpft. Nach seiner Ausbürgerung sendete die ARD, das erste deutsche Fernsehen, das heute legendäre Konzert in voller Länge. Erst durch diese Übertragung erfuhren viele Menschen im Osten zum ersten Mal etwas über Biermann und seine Lieder. Es folgte eine wahre Protest-Lawine von Schriftstellern und Künstlern, wie Stephan Hermlin. Die Ausbürgerung Biermanns wurde zum einschneidenden und prägenden Erlebnis für die Künstler- und Dissidentenszene im Osten Deutschlands. Gab es nach dem Machtantritt Erich Honeckers 1971 noch Hoffnung auf eine gesellschaftliche Liberalisierung und Ansätze von Meinungsfreiheit, so wurden diese durch das repressive Vorgehen gegenüber Biermann wieder zerstört. Nicht wenige Dissidenten änderten ihre Haltung zum Staat nach der Ausbürgerung Biermanns von einer solidarischen Kritik hin zu radikaler Distanz. Kurz darauf gingen weitere Künstler und Intellektuelle in den Westen.

Einige Kommentatoren sehen in der Ausweisung Biermanns den Anfang vom Ende der DDR.

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 mischte sich der Liedermacher weiterhin in die Politik ein. So gehörte er zu einer Gruppe von Bürgerrechtlern, die durch ihre Proteste die weitere Vernichtung von Stasi-Unterlagen verhinderten.

Auch zu aktuellen Themen wie der amerikanischen Interventionen im Irak, oder dem Nahost-Konflikt, bezieht er regelmäßig Stellung.

Vom überzeugten Kommunisten hat er sich inzwischen in einen überzeugten Kommunismus- und Sozialismus-Kritiker verwandelt. Sein zentrales Argument: Demokratie und Kapitalismus hält er für wandlungsfähig, diese Fähigkeit spricht er dem Kommunismus inzwischen ab.

2007 wurde Wolf Biermann vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit die Ehrenbürgerschaft der Stadt Berlin verliehen. Weitere wichtige Auszeichnungen und Preise, waren beispielsweise der Georg-Büchner-Preis 1991 oder der Nationalpreis der Deutschen Nationalstiftung (1998) sowie das Bundesverdienstkreuz 2006.

Zu seinen zahlreichen Publikationen gehören unter Anderem seine bekannteste Schallplatte "Chausseestraße 131", benannt nach seinem ehemaligen Wohnort in Berlin, sowie mehrere Gedichtbände, wie "Heimat. Neue Gedichte" aus dem Jahr 2006 und das jüngst erschienene Buch "Berlin, du deutsche deutsche Frau" von 2008, einer lyrischen Liebeserklärung an die Stadt Berlin.

Wolf Biermann hat insgesamt 10 Kinder mit verschiedenen Frauen. Er lebt mit seiner Frau Pamela (45), einer Malerin und der gemeinsamen acht Jahre alten Tochter Molly in Hamburg-Altona. Schon länger spielt er mit dem Gedanken, nach Berlin zurück zu kehren. Sein Dilemma: "Der Biermann gehört nach Berlin, aber der Wolf ist eben ein Fischkopf".