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Unser Gast vom 17.05.2009 Wibke Bruhns, Journalistin

Moderator Hajo Schumacher spricht mit Wibke Bruhns über 60 Jahre Bundesrepublik: Geschichte, Gleichberechtigung und gute Gründe das Land zu lieben.

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Bild: DW-TV

Wibke Bruhns war die erste und einzige Nachrichtensprecherin im bundesdeutschen Fernsehen – damals im Jahr 1971 eine Sensation. Die 1938 in Halberstadt geborene Journalistin arbeitete für das Fernsehen als auch für große Printmedien wie den Stern. Als "Jeanne d’Arc der 68er" prägte sie maßgeblich drei Jahrzehnte bundesdeutscher Mediengeschichte. Mit kritischen Reportagen, in denen sie auf Missstände im Land aufmerksam machte, eckte sie immer wieder an. Bundesweit große Aufmerksamkeit erzielte sie auch 2004 mit ihrem Buch „Meines Vaters Land“ über die eigene Familiengeschichte.

Wibke Bruhns ist die Tochter von Hans Georg Klamroth. Er gehörte zur Gruppe der Hitler-Attentäter um Graf Stauffenberg und wurde 1944 als Mitwisser von den Nationalsozialisten hingerichtet.Wibke Bruhns geborene Klamroth, wurde am 8. Sept. 1938 als letztes von fünf Kindern in Halberstadt/Harz geboren. Politisch prägend war für sie das Schicksal ihres Vaters Hans Georg Klamroth, der als Geheimdienst-Offizier nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 auf Adolf Hitler als Mitwisser hingerichtet wurde.

Nach dem Krieg arbeitete ihre Mutter im diplomatischen Dienst. Deshalb wuchs Wibke Bruhns u.a. in Kopenhagen, Stockholm und London auf. Dort machte sie früh die Erfahrung, dass man seiner eigenen Geschichte nicht entkommen kann. Als Deutsche im Ausland nach dem Krieg hatte sie einen schweren Stand. Die Kinder an der schwedischen Schule, die sie besuchte, durften nicht mit ihr spielen, weil sie Deutsche war. Als sie später als 14-Jährige in Deutschland aus ihrem Internat flog, rief ihr der Direktor hinterher: "Kein Wunder, dass du solch einen schlechten Charakter hast, dein Vater war ein Hochverräter". Später, so sagt sie, hat sie sich mit der Scham eingerichtet, Deutsche zu sein.

Die journalistische Karriere

Nach dem Abitur in Berlin studierte sie einige Semester Geschichte und Politikwissenschaft in Hamburg, jedoch ohne Abschluss. Stattdessen begann sie 1960 ein Volontariat bei der Bild-Zeitung, das sie bereits ein Jahr später aus politischen Gründen abbrach.

Anschließend wechselte sie als freie Mitarbeiterin zum NDR-Fernsehen in Hamburg und wurde 1962 Redakteurin sowie Moderatorin beim Hamburger ZDF-Studio.

Nach der Geburt ihrer zweiten Tochter arbeitete Bruhns ab 1968 als freie Journalistin u.a. für das Wochenmagazin die "Die Zeit", den NDR-Hörfunk und das ZDF.

1971 präsentierte sich Bruhns dem Fernsehpublikum als erste Nachrichtensprecherin des deutschen Fernsehens. Ihr Auftritt in der Spätausgabe der ZDF-Sendung "heute" (am 12.5.!) und kurz darauf in der Hauptnachrichten-Sendung (24.5.) galt damals als Sensation.

Rückblickend sagt sie dazu: "Irgendjemand musste damals die Tür aufmachen, und das habe ich getan".

Nach 380 "heute"-Sendungen verlies Bruhns 1973 das ZDF und ging zum Westdeutschen Rundfunk. Dort arbeitete sie unter anderem für das Politmagazin "Panorama" und eckte dabei mit kritischen Reportagen an – beispielsweise über die Zustände in einem Altenheim in Baden-Baden. Das brachte ihr auch den Ruf als "Jeanne d’Arc der 68er" ein.

Das politische Engagement

Streit gab es auch wegen ihres politischen Engagements für die SPD und deren Kanzlerkandidaten Willy Brandt anlässlich der Bundestagswahl 1972. Eine kolportierte Affäre mit Willy Brandt hat sie stets dementiert. Einige CDU-Politiker forderten trotzdem ihre Verbannung vom Bildschirm, wegen politischer Einflussnahme.

Die Jahre im Ausland

Parallel zu ihrem Fernseh-Engagement arbeitete sie ab 1974 außerdem bei der Wochenzeitschrift "Der Stern" als Autorin.

1979 ging sie als Nahost-Korrespondentin für das Magazin nach Jerusalem. Ihre Eindrücke von dort schilderte sie in dem 1982 veröffentlichten Buch "Mein Jerusalem". Rückblickend sieht sie die Jahre in Israel als ihre spannendste Zeit. Anschließend berichtete sie von 1984-1988 für das Magazin "Stern" aus Washington.

Weitere wichtige Etappen ihrer Arbeit waren ab 1993 ihre Arbeit als Nachrichtensprecherin für den privaten Fernsehsender VOX. 1995 folgte ein Engagement als Leiterin der Kulturredaktion des ostdeutschen Rundfunks. 2000 arbeitete sie als Sprecherin für die Weltausstellung "Expo" in Hannover.

"Meines Vaters Land"

2004 schließlich veröffentlicht sie ihre viel beachtete Familienchronik "Meines Vaters Land", in der sie sich mit der Geschichte ihrer Familie und deren Verstrickung in den Nationalsozialismus auseinander setzte. Minutiös beschrieb sie darin die "spulwurmartige Verseuchung der deutschen Eliten mit nationalistischem Gedankengut". Und sie zeigt, wie sich ihr Vater, der Wehrmachts-Offizier Hans Georg Klamroth, vom überzeugten Nationalsozialisten spät zum Regimekritischen Mitwisser entwickelt.

Ihr Fazit: "Es war kein vorübergehender Rausch, keine opportunistische Anwandlung, sondern eine tiefgehende Affinität, die das von den Klamroths repräsentierte nationalkonservative Lager mit den Nationalsozialisten verband. Das Feindbild vom "jüdischen Bolschewismus war keine Erfindung Hitlers. Es steckte bereits in den Köpfen dieser jungen Offiziere aus feinem Hause."

Ihre schonungslose Analyse wurde als "Nestbeschmutzung" kritisiert. Viele lobten jedoch auch ihren Mut, sich über "die diffuse Familienübereinkunft des Nichtredens" hinweg zu setzen.

Preise und Auszeichnungen

Für Ihre journalistische und publizistische Arbeit erhielt Wibke Bruhns zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Unter anderem den Egon-Erwin-Kisch-Preis (1989).

Wibke Bruhns hat zwei erwachsene Töchter. Heute lebt sie in Berlin .