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Unruhige Tage (nicht nur) für Griechenland

Barbara Wesel28. Juni 2015

Es ist vorbei mit den Finanzhilfen für Griechenland. Die Eurogruppe will das laufende Programm nicht nochmal verlängern, weil Athen allen Gesprächen den Boden entzogen habe. Barbara Wesel berichtet aus Brüssel.

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Griechen vor dem Geldautomat (Foto: Reuters)
Bild: Reuters/Y. Behrakis

Fast kann man den Eindruck bekommen, Wolfgang Schäuble habe das Unglück kommen sehen. Der Bundesfinanzminister wirkt erschöpft, als er am Ende des Treffens resümiert: "Es ist ein schlechter Tag für Europa, aber normalerweise sind wir ja durch solche Krisen stärker geworden". Nach dem Abgang des griechischen Finanzministers Yanis Varoufakis hätten die verbliebenen 18 Kollegen der Eurozone darüber gesprochen, womit nun zu rechnen sei.

Die Eurogruppe habe beschlossen, das laufende Hilfsprogramm für Griechenland nicht zu verlängern. Wahrscheinlich könne Griechenland in den nächsten Tagen in akute Schwierigkeiten geraten und man wisse nicht, wie es seine Verpflichtungen erfüllen könne. Für den deutschen Finanzminister ist klar, wie es dazu kommen konnte: "Die Verantwortung für Griechenlands Weigerung, die Verhandlungen fortzuführen, liegt einzig in Athen". Die plötzliche Entscheidung, ein Referendum durchzuführen, habe alle überrascht, sie sei einseitig getroffen worden.

Wolfgang Schäuble (Foto: Reuters)
Bundesfinanzminister Schäuble: "Die Verantwortung liegt einzig in Athen"Bild: Reuters/Y. Herman

Wer ist schuld?

Schäuble weiß, dass es jetzt auch darum geht, wem die Schuld für dieses Ergebnis zugeschoben wird. Deutschland jedenfalls will es nicht gewesen sein: "Wir haben alles getan!" Die Bundeskanzlerin habe "mit einem unermesslichen Maß an Geduld" wieder und wieder versucht, eine gute Lösung für Griechenland und die Menschen dort, aber auch für die Eurozone und ihre Bürger zu erreichen. Das sei eine höllisch schwierige Aufgabe gewesen, und am Ende sei man damit nicht voran gekommen.

Dabei will Schäuble gar nicht darüber spekulieren, ob sein Kollege Varoufakis es vielleicht von Anfang an auf den Krach angelegt hatte. "Es ging gerade in Richtung Verlängerung…”, bei der Frauen Fußball-WM, fügt Schäuble noch ironisch hinzu. Es war ja bis in die Nacht auf Samstag über eine Verlängerung der Hilfen verhandelt worden.

Varoufakis (Foto: Reuters)
Den Krach provoziert? Griechenlands Finanzminister VaroufakisBild: Reuters/Y. Herman

Es geht um die Sicherung der Eurozone

Dennoch, die Lage ist ernst: "Es ist völlig klar, dass wir alles tun werden, um jede denkbare Ansteckungsgefahr zu bekämpfen", sagt der Bundesfinanzminister, aber man habe den Euro nach seiner Krise schließlich stabilisiert und die Wirtschaftsdaten in der Eurozone seien gut. "Wir sind entschlossen, jede Verunsicherung am Finanzmarkt zu verhindern", beschwört er. Und fügt dann im Nachsatz leise an, er wisse auch, dass Märkte eben Märkte seien.

Auch der Dienstälteste unter den Finanzministern weiß, dass es für die entstandene Situation kein Vorbild und keine Regeln gibt. Natürlich bleibe Griechenland weiter Mitglied des Euro und der Eurozone, so seien die Regeln der Gemeinschaftswährung. Aber darüber hinaus will auch Schäuble nichts vorhersagen.

Jedenfalls läuft am Dienstag das zweite Hilfsprogramm aus. Und an diesem 30. Juni werden um 18.00 Uhr in Washington genau 1,6 Milliarden Euro für den IWF fällig. Das sei dann technisch der "default", stellt Schäuble klar. Was das für die Sicherheiten Griechenlands und sein Rating am Finanzmarkt bedeute, das wisse man aus Erfahrung, das sei zwangsläufig.

Mario Draghi ist am Zug

Mario Draghi (Foto: Getty Images)
Sondersitzung am Sonmtag: EZB-Chef DraghiBild: Getty Images/S. Gallup

Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), so wird berichtet, muss bei dieser Sitzung einen Sinn für schwarzen Humor gezeigt haben: "Jetzt können wir zu den Institutionen endlich wieder Troika sagen", spöttelte Mario Draghi, nachdem die Gespräche ohne den Griechen Yanis Varoufakis fortgesetzt worden waren.

Draghi wird voraussichtlich schon an diesem Sonntag in einer weiteren Zentralbanksitzung über die Zukunft Griechenlands zu entscheiden haben, denn die Banken des Landes werden nur durch die laufenden Notkredite aus Frankfurt am Leben gehalten. Stets hatte die EZB-Linie gelautet: Wenn das Hilfsprogramm vorbei ist, müssen die sogenannten ELA-Kredite eingestellt werden.

Die Regeln der Zentralbank verbieten außerdem eine Staatsfinanzierung und die EZB darf keine griechischen Anleihen als Sicherheit mehr akzeptieren, wenn das Land offiziell pleite ist. So das Prinzip – aber sind die Regeln vielleicht noch einmal dehnbar? Dazu gab es in Brüssel keinerlei Hinweis.

Ende mit Bedauern

"Jetzt befinden wir uns in schwerer See", befindet der irische Finanzminister Patrick Noonan. Er weiß aus eigener Erfahrung, was so eine Lage für ein Land bedeutet. Aber die griechische Entscheidung, plötzlich ein Referendum über das Hilfsprogramm abzuhalten, habe allen den Boden unter den Füßen weggezogen.

Frankreich versucht unterdessen weiter zwischen Griechenland und den Gläubigern zu vermitteln. Folgt man Finanzminister Michel Sapin, müsse auch nach der am Sonnabend getroffenen Entscheidung noch nicht alles zu Ende sein. Andere sind da härter: Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna etwa spricht von Provokation durch die einseitige Entscheidung Athens, seine Unterhändler schlagartig aus Brüssel abzuziehen und ein Referendum anzukündigen.

Der Chef der Eurogruppe fasst nach den Gesprächen noch einmal die Lage zusammen: "Die Tür für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch" sei für Athen weiter offen, es gebe noch Optionen bis zum Ablauf des Programms am Dienstag, sagte der Niederländer Jeroen Dijsselbloem. Nach bisherigem Stand werde die Frist dann aber ablaufen, mit allen bekannten Folgen für Athen. Griechenland müsse jetzt finanzielle Notmaßnahmen einleiten. Und damit meint der Niederländer Kapitalverkehrskontrollen.

Jeroen Dijsselbloem (Foto: Reuters)
Eurogruppen-Chef Dijsselbloem: "Die Tür ist offen"Bild: Reuters/Y. Herman

Der Run auf die griechischen Banken seit Freitagabend hat alle beunruhigt, innerhalb von Stunden sollen 400 Millionen Euro abgeflossen sein. Selbst im griechischen Parlament seien die Abgeordneten im Laufe des Tages vor die Geldautomaten gezogen, merkte ein EU Diplomat am Rande an. Auch Finanzminister Varoufakis hatte bei seinem vorzeitigen Abgang aus der Sitzung mit der Eurogruppe erklärt, dies sei ein schlechter Tag für Europa.

Die Mehrzahl seiner Kollegen glaubt vor allem, dass dies ein schlechter Tag für Griechenland war.