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Unkenrufer behalten Recht

Peter Philipp22. August 2003

In Nahost droht eine neue Spirale der Gewalt, seit Israels Armee ein palästinensisches Selbstmord-Attentat mit der gezielten Tötung eines islamistischen Extremisten bestrafte. Peter Philipp kommentiert.

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Unkenrufer haben jetzt die zweifelhafte Genugtuung, Recht behalten zu haben: Der Ansatz zu einem nahöstlichen Friedensprozess, der seit Juni versucht wurde, ist im Lärm neuer Explosionen erstickt. Explosionen von palästinensischen Selbstmord-Bombern, die unschuldige Zivilisten mit sich in den Tod rissen, Explosionen aber auch von israelischen Granaten, die Funktionäre radikaler palästinensischer Organisationen gezielt töteten. Es bedurfte gar nicht erst der offiziellen Aufkündigung der Ende Juni erklärten Waffenruhe, denn im Alltag war trotz eines merklichen Rückgangs von echter Waffenruhe nichts zu spüren gewesen.

Nachdem die "Hudna" – wie diese merkwürdige Waffenruhe auf Arabisch heißt – nun aber auch offiziell beendet wurde, muss man mit dem Schlimmsten rechnen. US-Außenminister Colin Powell warnte denn auch eindringlich davor, dass die Parteien sich am Rande eines Abgrundes befänden. In der Hoffnung wohl, dass sie sich vielleicht doch noch eines Besseren besinnen. Vorläufig gibt es dafür aber keine Anzeichen. Im Gegenteil: Der alte Konflikt könnte nun wieder in voller Härte und Verbissenheit ausbrechen, denn all die, die in den letzten Wochen von Frieden sprachen, scheinen zu kapitulieren vor denen, die immer schon gegen den Frieden opponiert und diesen um jeden Preis sabotiert haben.

Feinde des Friedens


Denn das sollte man bei all dem nicht vergessen: "Hamas" und "Islamischer Jihad" sind gegen einen Frieden, weil sie gegen Israel sind. Die von ihnen erklärte – und jetzt angesagte – Waffenruhe war auch kein Schritt in Richtung auf einen Frieden, sondern sie hatte allein taktische Gründe: Sich selbst neu zu organisieren und – wenn möglich – die beteuerte Konzessionsbereitschaft des Gegners vorzuführen.

Von den Parteien des Friedensprozesses hingegen hätte man mehr erwarten dürfen: So verständlich es auch sein mag, dass die Regierung Scharon auf Terroranschläge reagiert, um der eigenen Bevölkerung das Gefühl der Machtlosigkeit zu nehmen, so irrwitzig ist doch auch die Rückkehr zur Politik der gezielten Liquidierung palästinensischer Funktionäre und Aktivisten. Selbst wenn diese – und daran besteht gar kein Zweifel - selbst für Gewalt, Terror und Blutvergießen verantwortlich sind. Israel musste wissen, dass gezielte Angriffe nur wieder neuen Terror nach sich ziehen.

Daran ändert auch das Argument nichts, Israel müsse diese Politik verfolgen, weil die palästinensische Regierung die Radikalen ja weiter gewähren lasse. Palästinenser-Premier Mahmoud Abbas war dieser Verpflichtung nicht nachgekommen, er hatte statt dessen auf Absprachen mit den Radikalen gesetzt. Er hätte wissen müssen, dass Absprachen keinen mäßigenden Einfluss auf diese Gruppen haben. Als ihm das klar wurde, war es zu spät. Und schon begeht Abbas den nächsten Fehler: Angeblich geplante Aktionen gegen die Radikalen sagt er wegen der Ermordung eines Hamas-Funktionärs ab. Und lässt damit den Dingen freien Lauf.

Verfahrene Situation

Beide Parteien müssen dennoch jeden Versuch unternehmen, nun nicht alles fallen zu lassen. Israels Polit-Veteran Schimon Peres charakterisierte dies einst so: Wir müssen für Frieden arbeiten, als ob es keinen Terrorismus gäbe und wir müssen den Terrorismus bekämpfen als ob es keinen Friedensprozess gäbe.

Wenn jemand in dieser verfahrenen Situation helfen kann, dann wohl nur die Amerikaner: George W. Bush hatte in Aqaba angekündigt, er werde zur Verfügung stehen, wenn Probleme aufträten. Man sollte ihn daran erinnern.