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Ungeliebtes Atomabkommen

Steffi Grube 16. Februar 2007

Die deutsche Regierung ist ratlos: Wie ist der Stand des nun 30 Jahre alten Atomabkommens zwischen Deutschland und Brasilien? Heute scheint niemand in der deutschen Regierung zu wissen, was das Abkommen konkret bedeutet.

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Atomkraftwerke in Brasilien
Umstrittene Technologie in schöner Umgebung: Angra I und IIBild: picture-alliance/dpa

1975 unterzeichneten der damalige Bundeskanzler Helmut Schmidt und der Chef der brasilianischen Militärregierung General Ernesto Geisel ein Nuklearabkommen. Die Brasilianer wollten damals ihr Land ins Atom-Zeitalter katapultieren, Deutschland sein Know-how in Sachen Atomenergie verkaufen. Doch dann beschloss Deutschland vor sechs Jahren den Atomausstieg. Im November 2004 hätte die damalige Regierungskoalition auch das Nuklearabkommen mit Brasilien kündigen können.

Erneuerbare Energien statt Atomstrom

Der einzige, der sich zum deutsch-brasilianischen Atomabkommen äußern will, ist Rolf Mützenich, abrüstungspolitischer Sprecher der Regierungspartei SPD. Er erinnert sich noch an die letzten Gespräche mit der brasilianischen Regierung zu dem Thema Ende 2004, nachdem das Abkommen zum letzten Mal um weitere fünf Jahre verlängert wurde: Sein Kenntnisstand sei, dass es damals auf diplomatischer Ebene eine Erklärung gegeben habe, zu überprüfen, ob das Nuklear-Abkommen durch einen Vertrag im Bereich erneuerbarer Energien ersetzt werden könne, sagt Mützenich.

Doch den heutigen Stand der Verhandlungen kennt er nicht. Jürgen Trittin kann aushelfen. Er war damals Bundesumweltminister der rot-grünen Regierungskoalition und ist heute stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen im Bundestag. "Nach dem heutigen Stand sieht es so aus, dass Brasilien seine Auffassung geändert hat und nunmehr auf eine Fortsetzung einer Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Atomenergie drängt", erklärt Trittin.

Keine Kündigung trotz Ausstiegsplänen

2004 hatten 18 Umwelt- und Entwicklungsorganisationen, darunter auch Greenpeace, die rot-grüne Bundesregierung aufgefordert, das Abkommen zu kündigen. Doch die deutsche Regierung kündigte den Atom-Vertrag mit Brasilien nicht, obwohl sie sich in Deutschland entschlossen hatte, aus der Kernenergie auszusteigen.

Das deutsch-brasilianische Abkommen von 1975 sah ursprünglich vor, bis 1990 gemeinsam acht Atomkraftwerke in Brasilien zu errichten. Ein erstes Kernkraftwerk in Angra dos Reis bei Rio de Janeiro war noch mit US-amerikanischer Hilfe errichtet worden. Nun sollten die Deutschen mit Hilfe der staatlichen deutschen Exportkredit-Sicherung Hermes zwei weitere Kraftwerke Angra II und Angra III bauen.

Angra II geht ans Netz

17 Jahre später als geplant ging im Jahr 2000 Angra II ans Netz, das erste "deutsche" Atom-Kraftwerk in Brasilien. Die Technik kam vor allem von Siemens. Technische Probleme, widrige politische Umstände und Zahlungsschwierigkeiten hatten zu der Rekordverzögerung des Gemeinschaftsprojektes geführt. Mit Gesamtkosten von zehn Milliarden Dollar ist Angra II zudem zum teuersten Atomkraftwerk der Welt geworden.

Aus Angra III, dem zweiten "deutschen" Kernreaktor in Brasilien, ist bis heute nichts geworden. Die brasilianische Regierung unter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva möchte das Kraftwerk jedoch gerne fertig stellen. Doch ob Angra III jemals Strom produzieren wird, bezweifelt Jürgen Trittin. Zurzeit sei Angra III eine Bauruine. "Ich bin eigentlich ziemlich sicher, dass es wohl auch noch eine Weile so bleiben wird, wenn es nicht irgendjemanden gibt, der ganz viel Geld zu verschwenden hat", sagt Trittin.

Seit dem Wechsel von einer rot-grünen Regierung zur großen Koalition zwischen Sozialdemokraten und Konservativen in Deutschland im Jahr 2005 setzen sich zumindest Teile der Bundesregierung wieder für einen Ausbau der Atomenergie ein. Der ehemalige Umweltminister Jürgen Trittin hält dies für einen Fehler. Die Bemühungen in Brasilien zur Entwicklung nuklearer Technologie seien nicht mit der Energieseite zu begründen, warnt Trittin. Brasilien verfüge über unglaubliche Potenziale an Wasserkraft, an Windkraft und sei zudem ein Öl und Gas förderndes Land.