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Ungarns künftige Außenpolitik: Gleiche Ziele mit neuen Akzenten

10. Juni 2002

– Vorwurf der "Säuberung" innerhalb des Außenministeriums zurückgewiesen

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Budapest, 10.6.2002, PESTER LLOYD, deutsch

Die Hauptziele der ungarischen Außenpolitik, d.h. die volle euroatlantische Integration, eine aktive Nachbarschaftspolitik und der Schutz der ungarischen Minderheiten bleiben unverändert. Sie seien gleichrangig, doch bei den jeweiligen Methoden ihrer Umsetzung könne es Änderungen geben. Das betonte Außenminister László Kovács (MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD) am Wochenende vor den Mitarbeitern des Ressorts und der Presse. Die Führung des Ministeriums wurde ausgewechselt, doch der neue Minister bezeichnete den Vorwurf einer beispiellosen "Säuberung" als glatte Lüge.

Kovács sprach über einen anderen Ton in der Diplomatie, wobei man (im Gegensatz zur Fidesz-Regierung) nicht bemüht sein werde, mit bombastischen und außenpolitisch schädlichen Deklarationen Wähler zu gewinnen. Der seit der Wende vorhandene Konsens in den Grundfragen der Außenpolitik solle beibehalten bleiben und mit der Opposition sowie mit den Zivilorganisationen ein ständiger Dialog geführt werden.

Man wolle kein Kapitel der EU-Verhandlungen neu öffnen, sondern lediglich bemüht sein, in manchen Fragen, wie beim Landerwerb für Ausländer, durch "Feinabstimmung" bessere Ergebnisse für Ungarn zu erreichen.

Reisen nach Washington und Moskau

Kovács nannte es einen glücklichen Zufall, dass sich Ministerpräsident Péter Medgyessy und er bereits einen Tag nach ihrer Amtsübernahme beim NATO-Gipfel in Rom vorstellen und Medgyessy mit dem US-Präsidenten George Bush und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sprechen konnte. Von beiden habe er eine Einladung noch für dieses Jahr erhalten. Der Außenminister bezeichnete die Vernachlässigung der Beziehungen zu Russland durch die Orbán-Regierung als schädlich für die Interessen Ungarns und betonte, dass man die neue ungarische Regierung in Washington mit großen Erwartungen begrüßt habe, nachdem Viktor Orbán unlängst mehrmals ergebnislos versucht hatte, im Weißen Haus empfangen zu werden.

Ebenso erfolgreich seien Gespräche in Rom mit dem tschechischen Staatspräsidenten Hável und seinem polnischen Amtskollegen Kwasniewski verlaufen. Man sei übereingekommen, die Visegráder Zusammenarbeit (die wegen der Stellungnahmen Orbáns in der Frage der Benes-Dekrete ins Stocken geraten war) neu zu beleben. Noch im Juni wollen sich die vier Regierungschefs in Budapest treffen.

Neuer Leiter für EU-Verhandlungen

Im Außenministerium wurden die Bereiche Außenwirtschaft und Integrationsfragen zusammengelegt. Als neuer Staatssekretär überwacht Péter Balázs diese Gebiete. Er ist damit auch Hauptverantwortlicher für die Verhandlungen mit Brüssel, während der bisherige Delegationsleiter, der stellv. Staatssekretär Péter Gottfried, ebenso wie die Mitglieder der Delegation, auf ihren Posten bleiben. Balázs (60) ist Ökonom, Universitätsdozent und war während seiner ganzen Laufbahn auf dem Gebiet der Außenwirtschaft und in der Diplomatie tätig. 1997-2000 war er Botschafter in Bonn bzw. Berlin. Da ihm nach seiner Rückkehr keine entsprechende Position angeboten worden war, verließ er das Ministerium und arbeitete an der Seite von Kovács am außenpolitischen Konzept der MSZP.

Iván Udvardi, ein anderer Berufsdiplomat und Kabinettschef von Kovács, soll sich als stellv. Staatssekretär mit den Fragen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU befassen, um dann später den (durch die EU vorgeschriebenen) Posten des Politischen Direktors des Ressorts zu bekleiden.

Sieben führende Beamte des Außenministeriums, die aus politischen Gründen auf bestimmte Posten gesetzt worden waren, wurden durch (meist ältere) Berufsdiplomaten abgelöst. Die Mehrheit der Abgelösten arbeitet als Missionschef weiter. Kovács nannte die Behauptungen des Fidesz, dass es im Ressort zu einem beispiellosen "Massaker" gekommen sei in Anbetracht der Tatsachen eine glatte Lüge. Die Amtszeit der meisten von der Fidesz-Regierung ernannten Botschafter laufe in diesem Jahr aus, "Säuberungen" seien auch auf diesem Gebiet nicht geplant.

Eine offene Frage bedeuten zahlreiche aus politischen Gründen ernannte Beamte. Noch in den letzten Wochen der Fidesz (Bund Junger Demokraten - MD)-Regierung waren 40 Mitarbeiter ohne Aufnahmeprüfung in den Außendienst aufgenommen und 39 Personen zu leitenden öffentlichen Bediensteten mit Sonderrechten ernannt worden. (fp)