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Schlechte Aussichten

25. März 2009

Noch vor zehn Jahren Vorzeige-Ökonomie Mittelosteuropas, ist Ungarn heute Problemfall Nummer eins. Die Aussichten sind schlimm genug, und nun ist auch noch der Regierungschef zurückgetreten.

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Blick von Fischerbastei/Burgberg auf Donau und Parlament an der gegenüber liegenden Pester Seite der Donau (Foto: J. Sorges)
Blühende Metropole Budapest - doch das Interesse der Investoren lässt nachBild: J. Sorges

Mit dem Rücktritt des ungarischen Ministerpräsidenten Gyurcsányi steht das Land, das bereits in erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, auch noch politisch im Durcheinander. Ungarn leidet überdurchschnittlich unter der aktuellen Krise. Und das ist kein Zufall: Das Land hat zu viele Schulden.

Ein Bauarbeiter steht auf einer Baustelle (Foto: dpa)
Auch Ungarns Bauwirtschaft lahmtBild: dpa

Ungarns Wirtschaft war schon vor Beginn der weltweiten Flaute kaum noch gewachsen. Mit der Verschärfung der Finanzkrise im letzten Herbst aber ging das Land vollends in die Knie. Bis zu fünf Prozent könnte die Wirtschaft in diesem Jahr schrumpfen. Gebeutelt werden inzwischen auch Branchen wie die Bauindustrie, der es zuletzt noch gut ging. Lajos Hartvig ist Mitinhaber eines der größten Architekturbüros des Landes. Von acht Großprojekten, bei denen seine Firma im Oktober mitarbeitete, lägen sechs auf Eis, sagt er. Und damit stehen er und seine Partner noch gut da: Laut Statistik sind 90 Prozent aller Großprojekte am Bau derzeit auf Halde gelegt.

Investoren auf dem Rückzug

Angesichts der düsteren Aussichten ziehen sich Investoren zurück. Und die, die bleiben wollen, haben es mit erheblich erschwerten Finanzierungsbedingungen zu tun, wenn sie überhaupt noch Kredite bekommen. Selbst große Partner sind betroffen. Einer, die Nummer eins im ungarischen Wohnungsbau, bekam über Nacht neue Bedingungen diktiert, berichtet Hartvig: "Die Banken verlangen 30 Prozent Eigenkapital statt bisher zehn bis 20. Das sind Bedingungen, die sich niemand leisten kann." Die Banken, die eben noch großzügig das Geld verteilten, wollen nun auf Nummer sicher gehen und verzichten beim kleinsten Zweifel lieber aufs Geschäft.

IWF und Weltbank Logo mit Geld verschiedener Währungen (Foto: AP)
Milliardenschwere Notkredite von IWF und WeltbankBild: AP Graphics/DW

Doch nicht nur die Geldhäuser schlingern: Der ganze Staat stand im Herbst praktisch vor dem Bankrott. Über Nacht gab es keine Käufer mehr für ungarische Staatsanleihen. Ohne milliardenschwere Notkredite von Weltwährungsfonds, Weltbank und EU drohte dem hochverschuldeten Land das Aus. Die Führung in Budapest aber stellt Ungarn lieber als Opfer der Finanzkrise da. "Sicher gab es einige Tage, an denen wir keine Euro-Transaktionen auf dem Markt hatten", räumt Abel Garamhegyi ein, der im Wirtschaftsministerium für Handel zuständig ist. "Aber es war hauptsächlich Staatsversagen, kein Marktversagen. Der Staat war sehr stabil finanziert." Und warum brauchte er dann den Notkredit? "Weil das ganz normale Bankgeschäft eingefroren war", antwortet Garamhegyi.

Völlig falsch ist das nicht: Wo sich die Banken untereinander misstrauen, misstrauen sie auch ganzen Ländern. An normalen Tagen wäre die damals fällige Umschuldung das Routinegeschäft gewesen, das sie normalerweise ist. Nur: Die Krise hat eben schlagartig das Risikobewusstsein geschärft. Und der ungarische Staat mit seinen immensen Auslandsschulden fiel da nicht zufällig mit als erstes ungut ins Auge.

Landeswährung stark unter Druck

Das Land befindet sich in einer extrem schwierigen Lage: Der Sparzwang drückt die Wirtschaft weiter. Der Kurs der Landeswährung Forint ist stark unter Druck, was eine zusätzliche Gefahr birgt: denn viele Privatleute und Unternehmen sind in Westwährungen verschuldet - der viel niedrigeren Zinsen wegen. Da der Forint weniger wert ist, müssen immer größere Forint-Summen aufgebracht werden, um die Euro- oder Franken-Schulden zu bedienen. Das trifft besonders ungarische Häuslebauer, also viele Familien. Etwa zwei Drittel von ihnen sind in Westwährungen verschuldet - viel mehr als in Polen oder Tschechien. "Der Anreiz dafür war viel größer als etwa in Polen", erläutert Istvan Racz, Chefökonom bei der Budapester Bankenaufsicht. Der Grund dafür, einmal mehr: Die unsolide Haushaltspolitik.

Noch ist die Zahl fauler Kredite moderat, sie liegt bei knapp drei Prozent. Fachleute erwarten aber, dass die Ziffer bis zum Sommer erheblich steigt, denn die Kreditraten werden erst nach und nach an den neuen Wechselkurs angepasst. Und auch der Staat selbst braucht vielleicht bald einen Nachschlag - in Budapest spricht man hinter den Kulissen davon, dass schon bald neue Milliardenhilfen nötig werden könnten.

Autor: Jan Pallokat

Redaktion: Monika Lohmüller