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Ungarns öffentlich-rechtliche Medien in Geldschwierigkeiten

13. Juni 2002

- Ihr Finanzgebaren wird jetzt unter die Lupe genommen

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Budapest, 11.6.2002, BUDAPESTER ZEITUNG, deutsch, Andreas Gulya

Die einstige Opposition schlug zurück: So konnte man die Atmosphäre der Anhörung vor dem Haushaltsausschuss im ungarischen Parlament beschreiben. Die heutigen Regierungsparteien wollen wissen, wohin die Milliarden geflossen sind, die die drei öffentlich-rechtlichen Medien MTV, "Duna TV" und das Radio erhalten haben. Die Sender befinden sich in akuten Geldschwierigkeiten.

Die Leitungen der Anstalten entgegneten, dass sie erst seit 1999 den Instituten vorstehen. Bei der Amtsübernahme seien sie damals vor vollendete Tatsachen gestellt worden, und das 1996 verabschiedete Mediengesetz erlaube kein vernünftiges Agieren im wirtschaftlichen Bereich. Zumindest bei der Kritik am Mediengesetz waren sich Regierung und Opposition im Ausschuss einig. Nichts desto trotz wurde mit der Regierungsmehrheit ein Beschluss verabschiedet, nach dem ein Unterausschuss gebildet wird. In diesem sollen gezielt die Tätigkeit der Kuratorien und des Managements der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten der letzten Amtsperiode unter die Lupe genommen werden.

Nach Auffassung der Opposition ist der Unterausschuss ein sehr geschickter Schachzug der Regierung. Denn wollten sie eine reguläre parlamentarische Untersuchung in die Wege leiten, dann müsste ein solcher Ausschuss paritätisch besetzt werden. Die Mehrheitsverhältnisse des Unterausschusses geben aber das Verhältnis im Haushaltsausschuss wieder, und dort haben die Regierungsparteien die Mehrheit.

János Hargitai von der Fidesz-Fraktion sprach von "Gaunerei". Die Regierungsparteien wollen die Institutionen, die ohnehin schon verunsichert seien, weiter verunsichern und dann diese finanziell strangulieren. Anschließend würden sie von MSZP (Ungarische Sozialistische Partei - MD) und SZDSZ (Bund Freier Demokraten - MD) geschluckt werden. Mitglieder der Regierungsfraktionen meinten, es dürfe wohl erlaubt sein zu untersuchen, wohin die Abermilliarden geflossen sind, die die Steuerzahler den Institutionen zukommen ließen. Albert Molnár von der MSZP rechnete vor, dass MTV in 2001 jedem ungarischen Staatsbürger 2000 Forint (ca. 8,3 Euro - MD) gekostet hätte. Wenn man davon ausgehe, dass die Zuschauerquote etwa zehn Prozent betrage, dann wären es sogar bis zu 18.000 Forint (ca. 74,7 Euro - MD) pro Person.

Des weiteren wurde der Aufsichtsrat, das gesetzliche Kontrollorgan, aufgefordert, mit Nachdruck das MTV-Finanzgebaren zu untersuchen. Dieser Aufforderung sei der Aufsichtsrat nachgekommen, hieß es. Die Untersuchungen der Polizei, die sogar von der Staatsanwaltschaft überwacht werden, seien noch im Gange, deswegen könne man zum Untersuchungsergebnis noch nichts sagen. Ein weiterer Punkt war die Frage des Rückgangs der Werbeeinnahmen. Im 1997 verfügte MTV über 17 Milliarden Forint ( ca.70,5 Millionen Euro - MD) an Werbeeinnahmen, 1999 nur noch 2,4 Milliarden (ca. 9,9 Millionen Euro - MD). Erst in diesem Jahr wurde das heutige Präsidium gewählt, das dementsprechend die Verantwortung ablehnte. Im Gegenteil: Ab da pendelten sich die Werbeeinnahmen um 2,2 Milliarden Forint (ca. 9,1 Millionen Euro - MD) ein. Der MSZP-Abgeordnete László Keller wollte weiter wissen, welche Rolle bei der Vermarktung die Firma "In Média" spielen würde, die zum Konglomerat des Orbán-Beraters András Wermer gehörte. Der Präsident des Kuratoriums gab zu Protokoll, dass der frühere Präsident, László Zsolt Szabó, "In Média" beauftragt hatte, sich um Werbeeinnahmen zu kümmern. Da es sich aber hier um einen Vertrag von mehr als 300 Millionen Forint (ca. 1,2 Millionen Euro- MD) handelte, bedurfte dieser der Zustimmung des Präsidiums. Dieses hatte allerdings seine Zustimmung verweigert, weswegen der Vertrag nicht unterzeichnet wurde. Man kam daher überein, dass man durch öffentliche Ausschreibungen einen Werbepartner finden wolle. Für die Übergangszeit hatte man "In Média" verpflichtet, für Einnahmen zu sorgen. Da es bei diesem Vertrag um einen Betrag von unter 300 Millionen ging, konnte diese Entscheidung vom MTV-Präsidenten Károly Mendreczky alleine getroffen werden. In dreißig Tagen werde die Entscheidung über einen neuen Werbepartner fallen, dann läuft der Interimsvertrag mit "In Média" aus. (fp)